Essen. Wähler aus NRW sehen die SPD nur noch bei 20 Prozent, zeigt die neue Forsa-Umfrage. Bürger sehen keine Besserung – trotz Kutschatys Rücktritt.
Nach dem überraschenden Rücktritt von Thomas Kutschaty (54) glaubt nur eine Minderheit der Wahlberechtigten, dass die SPD in NRW künftig wieder mehr Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern an Rhein und Ruhr gewinnen wird. Kutschaty stand seit März 2021 an der Spitze der NRW-SPD. Nur 13 Prozent aller Wahlberechtigten in NRW glaubt, dass der Rücktritt von Kutschaty eine Chance für die SPD ist.
Welchen Stellenwert hat die SPD derzeit an Rhein und Ruhr? Was sind die Gründe für ihren Sinkflug in der Wählergunst? Kann der überraschende Rücktritt Kutschatys eine Chance für die SPD in NRW sein? Fragen zur politischen Stimmung im Land haben Wahlberechtigte aus NRW in einer landesweiten repräsentativen Forsa-Umfrage unter mehr als 1000 Wahlberechtigten im Auftrag der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), der Neuen Ruhr Zeitung (NRZ) und der Westfalenpost (WP), beantwortet. Ein Überblick.
Nur 6 Prozent können einen SPD-Politiker als Nachfolger nennen
Viele Bürgerinnen und Bürger in NRW können derzeit niemanden von der SPD nennen, der für die Nachfolge Kutschatys geeignet wäre. Ein Grund ist die geringe Bekanntheit der SPD-Politiker unter den Wahlberechtigten. Demnach kannten gerade einmal sechs Prozent der Befragten einen SPD-Politiker, der für sie als Nachfolger in Frage kommt.
Neun der 1005 Befragten sprachen sich dabei für Marc Herter aus, der seit 2018 stellvertretender Landesvorsitzender der NRW-SPD ist. Nach dem Rücktritt Kutschatys rückte er als dessen kommissarischer Landesvorsitzender nach. Mit gerade einmal vier Stimmen ist Michelle Müntefering, Vize-Vorsitzende der Herner SPD, die am zweithäufigsten genannte Politikerin. Es folgen Nadja Lüders, SPD-Generalsekretärin aus Dortmund (drei Stimmen) und der Landtagsabgeordnete Jochen Ott (zwei Stimmen).
Umfrage: Kutschatys Rücktritt hat keinen Einfluss auf das Vertrauen in SPD
Selbst unter den Anhängern der SPD erwartet nur eine Minderheit von 30 Prozent, dass die SPD jetzt wieder mehr Vertrauen gewinnen könnte. 40 Prozent glauben hingegen, dass der Rücktritt keinen Einfluss auf das Vertrauen in die SPD haben wird.
Kutschaty war vergangenen Donnerstag als Parteichef zurückgetreten, nachdem der Essener mit einem unabgestimmten Personalvorschlag für den Posten der Generalsekretärin krachend am Parteipräsidiums gescheitert war. Kutschaty wertete dies als Misstrauensvotum und zog daraus die Konsequenzen.
Kritik: SPD weiß nicht mehr, was die Wähler in NRW bewegt
In den vergangenen Jahren hat die SPD an Rhein und Ruhr kontinuierlich an Vertrauen verloren. Rund zehn Monate nach dem Debakel bei der Landtagswahl wurden die Befragten gebeten, für sie ausschlaggebende Gründe für die Verluste der SPD anzugeben.
Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ist der Meinung, dass die SPD nicht mehr weiß, was die Menschen im Land bewegt und vor welchen Problemen sie stehen. Vor allem für Wählerinnen und Wähler aus dem Ruhrgebiet (64 %) ist die fehlende Nähe zu den Bürgern ausschlaggebend für den Vertrauensverlust. Zudem hat die Partei ihre einst breite Verankerung in der Wählerschaft vor Ort verloren. Ein Drittel der Befragten schätzt das Vertrauen in die SPD vor Ort sogar als noch geringer ein als das zur Landespartei.
Für 42 Prozent haben die heutigen Politiker der SPD im Vergleich zu früher insgesamt an Beliebtheit und Attraktivität verloren. Dass Kutschaty zu unsympathisch sei, meinen hingegen 17 Prozent.
SPD käme bei einer Landtagswahl nur noch auf 20 Prozent
Rund zehn Monate nach dem Debakel bei der Landtagswahl, bei der die SPD mit 26,7 Prozent ein historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr, befindet sich die Partei nach Kutschatys Rücktritt in einer tiefen Krise. Laut der Forsa-Umfrage käme die SPD bei einer Landtagswahl aktuell nur noch auf 20 Prozent. Die CDU hingegen könnte auf 38 Prozent zulegen - bei der NRW-Wahl im Mai 2022 kam sie auf 35,7 Prozent.
Ministerpräsident Hendrik Wüst bei Wählern immer beliebter
Während die SPD in NRW offenbar nur wenige landesweit bekannte und beliebte Politikerinnen und Politiker aufbieten kann, sind die Wahlberechtigten mit der Arbeit von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) immer zufriedener (52 %). Das sagen immerhin auch 44 Prozent der SPD-Anhänger.
Insgesamt glaubt die Mehrheit (56 %) der Befragten aber nicht, dass die CDU im Vergleich zur SPD die besseren Politiker hat. Nur ein Drittel hält CDU-Politiker für die geeigneteren politischen Akteure im Land.
Zur Forsa-Umfrage
Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Forsa-Umfrage unter mehr als 1000 Wahlberechtigten im Auftrag der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), der Neuen Ruhr Zeitung (NRZ) und der Westfalenpost (WP). Am 27. und 28. März diesen Jahres fragte Forsa in einem Online-Fragebogen unter anderem, wie die Wählerinnen und Wähler in NRW den Rücktritt Kutschatys wahrnehmen und bewerten.