Düsseldorf. In Düsseldorf wurde am Montag das siebte „Haus des Jugendrechts“ in NRW eröffnet. Die Experten darin kümmern sich um Intensivtäter.

Jetzt hat auch die Landeshauptstadt ein „Haus des Jugendrechts“. An der Heinrich-Heine-Allee, einem Tor zur Düsseldorfer Altstadt, sollen künftig Polizei, Jugendhilfe und Staatsanwaltschaft unter einem Dach und gemeinsam die kriminellen Karrieren von jugendlichen Intensivtätern stoppen.

Sie "versauen" sich die Zukunft

Es war ein kleiner Versprecher, den aber jeder Zuhörer gut verstand: „Mindestens 83 junge Menschen sind in Düsseldorf geradewegs dabei, sich ihre Zukunft zu versauen – oder zu verbauen, Entschuldigung“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montag bei der Eröffnung des Hauses.

Diese 83 Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden gelten als „Intensivtäter“. Das heißt, sie fallen immer wieder in kurzer Zeit durch Straftaten auf, sie stehlen, sie verletzen Menschen oder zerstören fremdes Eigentum. Fünf oder mehr Taten in einem Jahr sind die Schwelle, um als Intensivtäter wahrgenommen zu werden. Wie kann man verhindern, dass junge Menschen auf eine so schiefe Bahn geraten? „Möglichst frühzeitig ein Stoppschild auf die kriminellen Pfade setzen“, ist Reuls Antwort.

Häuser in Köln, Paderborn, Dortmund, Essen, Oberhausen, Münster

Sechs „Stoppschilder“ stehen schon: In Köln, Paderborn, Dortmund, Essen, Oberhausen und Münster gibt es längst „Häuser des Jugendrechts“. Das siebte Haus befindet sich seit Montag in der Nähe der Düsseldorfer Altstadt. An einem Ort also, an dem fröhliches Zusammensein auch mal in Gewalt umschlagen könne, wie Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) zugab.

Die Polizei ist in der großen Wache nebenan. Dazu stoßen vier Fachleute aus der Jugendhilfe und zwei aus der Staatsanwaltschaft. Auf kurzen Wegen könnten sich diese Experten nun treffen, Infos über Intensivtäter austauschen, eine Fallkonferenz auch mal auf dem Flur anbahnen, erklärte NRW-Justizminister Benjamin Limbach. Grünen-Politiker Limbach betonte, dass nur wenige jugendliche Täter zu Intensivtätern würden. Für die allermeisten sei Kriminalität nur ein „episodenhaftes Phänomen“.

Tatverdächtige in NRW immer jünger

Ein aktuelles Phänomen ist Kinder- und Jugendkriminalität aber durchaus in NRW. „Dieses Feld müssen wir stärker beackern“, sagte Innenminister Reul neulich bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik. Im Jahr 2022 war demnach jeder fünfte Tatverdächtige im Land jünger als 21 Jahre. Insbesondere Kinder seien mit einem Anteil von rund 20 Prozent im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität viel zu oft tatverdächtig, so Reul. Die Corona-Isolation habe viele Kinder und Jugendliche „emotionaler und gewalttätiger“ gemacht.

Ein aktuelles Beispiel von vielen: Im Februar nahm die Polizei in Gelsenkirchen einen 15-Jährigen fest, dem laut Polizei ein halbes Dutzend Straftaten zur Last gelegt werden, darunter schwerer Raub. Er gehört wohl zu einer Teenager-Bande, die in Gelsenkirchen mehr als 100 Straftaten verübt haben soll.

In Essen blieb etwa jeder zweite betreute Jugendliche in einem Jahr straffrei

Wie gut wirken die „Häuser des Jugendrechts“? Diese Frage konnten am Montag weder Reul noch Limbach mit konkreten Daten beantworten. Laut Reul würden aber zum Beispiel in Köln „Lobeshymnen“ auf dieses Projekt gesungen. Die Häuser beschleunigten die Reaktion der Behörden auf Jugend-Kriminalität. „Und Schnelligkeit ist bei Jugendlichen ein bedeutsames Element“, glaubt Reul.

Das Essener Haus des Jugendrechts hatte im vergangenen Sommer nach vier Jahren eine Bilanz vorgelegt. Rund 43 Prozent der dort betreuten jugendlichen Intensivtäter seien im Jahr 2021 straffrei geblieben, hieß es damals. Im Jahr davor lag die Erfolgsquote noch bei rund 50, im Jahr 2019 bei 40 Prozent.

Ist das Konzept wirklich bahnbrechend?

Ein Mitarbeiter des Düsseldorfer Jugendamtes goss bei der Eröffnung des Hauses Wasser in den Wein. Die Idee, dass Jugendbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten, sei mitnichten neu, und Fallkonferenzen habe es in Düsseldorf schon 2008 gegeben, also noch vor der Eröffnung des ersten „Hauses des Jugendrechts“ in Köln. In der heutigen Zeit sei die Nähe von Schreibtischen kaum noch ein Top-Kriterium für effizientes Arbeiten. Treffen könne man sich jederzeit auch digital, so der Mitarbeiter.

Justizminister Limbach ist sich aber sicher, dass sich räumliche Nähe immer noch auszahle. Diese Häuser seien „die Sahnehaube der Zusammenarbeit“.

Aachen soll das nächste "Haus des Jugendrechts" bekommen

Das erste „Haus des Jugendrechts“ wurde im Jahr 2009 in Köln durch die frühere Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) und Ex-Innenminister Ingo Wolf (FDP) eröffnet. Bis heute folgten sechs weitere Einrichtungen, andere sind schon in Vorbereitung. „Das nächste soll in Aachen entstehen, und es wird in dieser Legislaturperiode nicht das letzte sein“, sagte Justizminister Benjamin Limbach (Grüne).

Neben den „Häusern des Jugendrechts“ gibt es in NRW seit 2011 die Initiative „Kurve kriegen“. Zielgruppe sind hier in erster Linie 8- bis 15-Jährige, denen ein dauerhaftes Abgleiten in die Kriminalität droht. Der Leitgedanke: „Frühe Hilfe statt späte Härte!“