Essen. Über die Hälfte der für Eigentümer verbindlichen Grundsteuererklärungen liegt noch nicht vor. Zudem ist die Fehlerquote hoch.

Wenige Wochen vor Ablauf der für betroffene Bürger verbindlichen Antragsfrist am 31. Januar gerät die NRW-Finanzverwaltung bei der neuen Grundsteuererhebung in Bedrängnis. Denn für nicht einmal die Hälfte der insgesamt rund 6,5 Millionen Immobilien und Grundstücke in NRW, die im Zuge der umstrittenen Grundsteuerreform steuerlich neu bewertet werden müssen, liegen bislang die notwendigen Steuererklärungen der Eigentümer vor.

Drei Millionen Steuererklärungen liegen vor

Wie die Oberfinanzdirektion auf Anfrage der WAZ am Montag mitteilte, sind bei den Finanzämtern erst drei Millionen Steuererklärungen eingegangen. Auch bei der Bearbeitung der Fälle hakt es offenbar. Von den bisher vorliegenden Anträgen können bislang gerade einmal ein Viertel als erledigt gelten. Das geht aus Antworten des NRW-Finanzministeriums auf eine bisher unveröffentlichte Anfrage der Landtags-FDP hervor, die der WAZ vorliegt.

Fast jede zweite Grundsteuer-Erklärung überstand die Fehlerprüfung nicht

Bis zum Erhebungsstichtag der Anfrage am 18. November bewerteten die Finanzämter demnach lediglich 55 Prozent der Fälle auf Anhieb als richtig. Fast jede zweite eingereichte Grundsteuer-Erklärung überstand die automatisierte Fehlerprüfung der Behörde nicht und wurde mit Fehler- oder Prüfhinweisen versehen zur persönlichen Prüfung durch Finanzbeamte weitergeleitet.

Ein automatisiertes Korrektursystem läuft erst seit Ende November

Zu einem ärgerlichen Zeitverzug kam es laut FDP-Anfrage auch bei der Bearbeitung von Widersprüchen. Obwohl die Grundsteuererhebung über das digitale Finanzamt-Portal „Elster“ bereits am 1. Juli an den Start ging und die zwischenzeitlich verlängerte Antragsfrist damals noch am 31. Oktober endete, funktionierte das automatisierte Korrektursystem für fehlerhafte Steuerbescheide erst Ende November. Zahlreiche Betroffene, die ihre Angaben früh eingereicht hatten, mussten deshalb monatelang auf die Korrektur der fehlerhaft ergangenen Steuerbescheide warten.

Hotline: Bis zu 50.000 Anfragen täglich

Dass viele Bürger ihre liebe Not mit der erstmals überhaupt geforderten Grundsteuererklärung haben, zeigt auch der Ansturm auf die eigens eingerichtet Telefon-Hotline der Finanzverwaltung. Trotz Erklärvideos und einen großen Frage-und-Antwort-Paket auf der Homepage des Finanzministeriums gingen bei der mit rund 500 Mitarbeitern besetzten Grundsteuer-Hotline seit Juni bislang nahezu 2,5 Millionen Anfragen ein. Tageweise mussten bis zu 50.000 Anfragen beantwortet werden.

FDP sieht sich bestätigt

Angesichts dieser Zahlen sieht sich FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel in seiner monatelangen Kritik am NRW-Modell der Grundsteuerreform bestätigt. „Die neue Grundsteuer ist weiterhin ein Stressfaktor und großes Ärgernis für weite Bevölkerungsteile. Der Finanzminister überträgt die Arbeit seiner Finanzämter auf die Bürger, die an der Bürokratielast verzweifeln“ sagte Witzel der WAZ. Die FDP hält an ihrer Forderung nach einem einfacheren Steuermodell auf Basis ohnehin vorhandener Grundstücksdaten fest. Witzel: „Bürger könnten dann servicefreundlich einen Feststellungsbescheid vom Amt bekommen, dem man nur im Bedarfsfall widersprechen muss.“

Sanktionen drohen

Ein Kurswechsel in Sachen Grundsteuerreform der schwarz-grünen Landesregierung hatte Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) mehrfach abgelehnt. Auch auf eine weitere Fristverlängerung sollten betroffene Bürger nicht hoffen. Die Reform einfach auszusitzen und keine Grundsteuererklärung abzugeben, ist ebenfalls keine gute Idee. Das Finanzamt kann in solchen Fällen das ganze Instrumentarium an Sanktionen ausspielen und etwa den Steuerwert der Immobilie einfach schätzen und den Eigentümer mit einem Zwangsgeld belegen.