Düsseldorf. Marcus Optendrenk ist wenige Wochen oberster Kassenwart. Ein Gespräch über Steuern, Schwarzgeld und die Schuldenbremse in Krisenzeiten.
Amtsvorgänger Lutz Lienenkämper fand fünf Jahre lang öffentlich praktisch nicht statt, der neue NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) empfing dagegen Tobias Blasius und Michael Kohlstadt schon nach wenigen Wochen in seinem Büro am Düsseldorfer Hofgarten – und ließ sich auch zu unangenehmen Themen ausführlich befragen.
Herr Minister, haben Sie schon Ihre Grundsteuererklärung gemacht?
Ich bin in den ersten Wochen im neuen Amt noch nicht dazu gekommen. Als Minister habe ich mich aber intensiv mit dem Thema beschäftigt, denn völlig klar ist, dass das neue Verfahren für die Finanzverwaltung und die Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen eine Riesenherausforderung bedeutet.
War es ein Fehler, dass NRW kein eigenes Modell gewählt hat wie Bayern oder Hessen?
Es ist ein großes Missverständnis, dass der Aufwand zur Datenerhebung vom Modell zur Grundsteuerberechnung abhängig wäre. Bayern oder Hessen haben die ähnlichen Formulare wie wir. Alle Kommunen benötigen am Ende Angaben der Eigentümerinnen und Eigentümer, mit denen sie ab 2024 eine neue Grundsteuer berechnen müssen. Das ist das Ergebnis einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die alten Einheitswerte für Grundstücke dürfen nicht weiter herangezogen werden, weil die Wertverschiebung im Laufe der Jahrzehnte zu groß geworden ist und eine faire Besteuerung damit nicht mehr gewährleistet werden kann.
Schließen Sie einen Modellwechsel, wie ihn die NRW-FDP fordert, aus?
Die Modellfrage ist beantwortet. Wir sind längst in der Umsetzungsphase und müssen sicherstellen, dass die Kommunen alle Daten bekommen, mit denen sie ab 2025 Grundsteuerbescheide zustellen können.
Verstehen Sie, dass vor allem Ältere frustriert sind über Software-Probleme und sich das gute alte Papierformular zurückwünschen?
Ich habe mich auch geärgert, dass der Start von Elster geruckelt hat. Eigentlich ist das ein erprobtes Programm, mit dem die Finanzverwaltung Angaben schnell und mit nur geringer Fehlerquote übermittelt bekommt. Das erspart Nachfragen und entlastet so auch die Bürgerinnen und Bürger. Wir haben in den vergangenen Wochen technisch nachgearbeitet und die Hilfsangebote deutlich ausgebaut. Dazu gehören u.a. mehr Erklär-Videos und Klick-Anleitungen auf grundsteuer.nrw.de sowie bis zu 500 Mitarbeiter gleichzeitig an den landesweiten Grundsteuer-Hotlines.
Was tun Sie gegen verdeckte Grundsteuer-Erhöhungen?
Es ist nicht Aufgabe des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen, die Hebesätze der Kommunen zu kontrollieren. Das Ministerium der Finanzen wird öffentlich über den Hebesatz informieren, der zur Aufkommensneutralität in der jeweiligen Kommune führt. So wird Transparenz darüber ermöglicht, ob seitens der Kommune mit den Hebesätzen Steuern erhöht, gesenkt oder gleich gelassen werden.
Sie haben vor Jahren als Oppositionspolitiker die zweimalige Erhöhung der Grunderwerbsteuer durch Rot-Grün in NRW scharf kritisiert. Wann senken Sie die Sätze für Immobilienkäufer?
Es bleibt bei der Zusage der alten Landesregierung, dass in diesem Jahr ein Förderprogramm über die NRW.BANK in Höhe von 400 Millionen Euro zur Verfügung steht. Beim Kauf von selbstgenutztem Wohneigentum im Jahr 2022 ist damit eine Entlastung von bis zu 10.000 Euro möglich. Wenn der Bund es zukünftig ermöglichen sollte, dass die Länder die Grunderwerbsteuer für bestimmte Gruppen wie etwa Familien absenken können und nicht flächendeckend, wird Nordrhein-Westfalen diese Möglichkeit nutzen.
Werden Sie wie Ihr Amtsvorgänger Walter-Borjans als „Robin Hood“ Steuer-CDs kaufen und Steuerflüchtlinge jagen?
Die Zusammenarbeit von Justiz, Polizei und Finanzbehörden hat hohe Priorität. Heute spielen jedoch Daten-Sticks eine größere Rolle als CDs. Es ist meine feste Überzeugung: Die Bürgerinnen und Bürger erwarten ein hartes Durchgreifen gegenüber Kriminellen auch im Finanzbereich. Der Staat muss gegen die Unehrlichen aktiv vorgehen.
Braucht NRW ein digitales Steuersünder-Meldeportal wie Baden-Württemberg?
Sie können bei jedem Finanzamt in Nordrhein-Westfalen alle Hinweise geben, die Sie geben wollen - egal, ob anonym oder persönlich, ob schriftlich oder telefonisch. In der Steuerabteilung des Finanzministeriums haben wir sogar schon eine Kontaktstelle zum Schutz von Whistleblowern eingerichtet. Ich kann den Mehrwert eines zusätzlichen Hinweisportals nicht erkennen.
Schwarz-Grün will Geschäfte mit hohen Bargeld-Summen eindämmen. Warum?
Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass Bargeld wichtig ist und trotz der Digitalisierung unseres Lebens unbedingt erhalten bleiben muss. Viele Bürgerinnen und Bürger haben einen besseren Überblick über ihre Finanzlage, wenn sie mit Scheinen und Münzen bezahlen. Wofür ich aber kein Verständnis habe: Wer etwa zur Zwangsversteigerung von Immobilien mit Geldbündeln erscheint oder bei anderen Geschäften riesige Summen in bar auf den Tisch legt. Der will möglicherweise die Herkunft des Vermögens verschleiern. Das müssen wir unterbinden.
Corona, Ukraine-Krieg, Inflation – der Staat soll überall helfen und kann die Schuldenbremse wohl erst einmal vergessen, oder?
Ich stehe zur Schuldenbremse. Ganz eindeutig. Sie ist ein Instrument der finanzpolitischen Nachhaltigkeit. Sie zeigt uns den Spielraum auf, den wir unseren Kindern und Enkelkindern lassen müssen, damit sie ihr Leben gestalten können und nicht nur unseren Lebensstandard abbezahlen müssen. Die Einhaltung der Schuldenbremse steht im Grundgesetz und ist ein Gebot der Fairness. Deshalb müssen wir uns bei Ausnahmen sehr genau prüfen: Befinden wir uns wirklich in einer Notsituation, die neue Schulden rechtfertigt, weil wir ansonsten heute mehr Schaden für nachkommende Generationen anrichten würden als ohne weitere Kredite? Das ist meine Richtschnur, nichts anderes.
NRW hat für Corona-Schäden einen Rettungsschirm mit möglichen Krediten von bis zu 25 Milliarden Euro gespannt. Wie lange soll dieser Schattenhaushalt noch existieren?
Das ist kein Schattenhaushalt. Es war immer klar, dass mit diesen Kreditermächtigungen nur nachweisliche Corona-Schäden bezahlt werden, die bis Ende des Jahres angefallen sind oder 2023 noch nachlaufen. Ab 2024 werden wir in die konjunkturgerechte Tilgung einsteigen. So wie vorgesehen.
Sie waren vor fast 20 Jahren Büroleiter beim „eisernen“ Helmut Linssen, der viele Ausgabenwünschen ablehnen musste. Werden Sie auch der Typ Zuchtmeister?
Wir sind uns alle bewusst, dass es anstrengende Jahre werden. Die Zeiten, in denen die Konjunktur jedem Finanzminister in Deutschland das Leben leichter gemacht hat, sind erst einmal vorbei. Ich bin immer im Ton verbindlich, als Finanzminister ist man auch immer Ermöglicher. Aber ich kann auch freundlich Nein sagen.