Düsseldorf. Mit vielen kleinen Maßnahmen will die Landesregierung ein großes Problem lösen. Der Druck auf Lehrkräfte wird erhöht.
Rund 8000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen an den Schulen in NRW. Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat am Mittwoch erklärt, wie sie dieses Problem bis zum 1. Mai angehen will. Herausgekommen ist ein Maßnahmenpaket, in dem auch Härten für die Pädagogen stecken.
Müssen Lehrer bald mehr arbeiten?
Nein, die Idee, sie zu einer Stunde Mehrarbeit zu verpflichten – so genannte „Vorgriffsstunden“ --, wurde zwar ernsthaft zwischen Landesregierung und Lehreverbänden diskutiert, aber am Ende fallen gelassen. Gewerkschaften wie die GEW und der Philologenverband bezeichneten dies als großen Erfolg. Dafür müssen Lehrerinnen und Lehrer aber andere, zum Teil dicke Kröten schlucken.
An welchen Stellen erhöht NRW den Druck auf Lehrkräfte?
Es soll zum Beispiel mehr und längere „Abordnungen“ geben. Bisher konnten Lehrkräfte nur maximal ein halbes Jahr zur Arbeit in einer Schule mit großem Personalbedarf gezwungen werden, bald soll das bis zu zwei Jahre möglich sein. Aus pädagogischen Gründen sei das besser, erklärte Ministerin Feller. Und wer gerade erst neu eingestellt wird, muss grundsätzlich damit rechnen, abgeordnet zu werden. In den vergangenen Monaten wurde das Instrument Abordnung schon rund 3000-mal genutzt.
Außerdem wird die „voraussetzungslose Teilzeit“ auf den Prüfstand gestellt. Das ist Teilzeitarbeit, die keinen familiären Bezug hat, zum Beispiel Kindererziehung. Über alle Schulformen hinweg nutzen rund 13.000 Pädagogen diese „grundlose Teilzeit“.
Lehrer, die beurlaubt oder freigestellt wurde, und nicht in die bisherige Schule zurück möchten, werden künftig im Umkreis von 50 Kilometern (bisher 35) zum Wohnort eingesetzt.
Werden Lehrkräfte auch entlastet?
Ja, zum Beispiel durch Alltagshelferinnen und -helfer. Alle Schulen können solche Assistenten, die sich zum Beispiel als Lesepaten engagieren, Ausflüge organisieren und Projektwochen begleiten, auf nicht zu besetzenden Lehrerstellen befristet einstellen.
Zur Entlastung der Lehrer wird die Zahl der Klassenarbeiten in der Klasse 10, in der es eine Zentrale Abschlussprüfung gibt, um eine reduziert.
Wichtiger Punkt: Die Besoldung der verbeamteten Lehrkräfte in Grundschulen und in der Sekundarstufe 1 wird schrittweise auf A13 angehoben.
Zum 1. August 2023 soll es hunderte zusätzliche Stellen für Sozialpädagogen und „Multiprofessionelle Teams“ in Förderschulen geben.
Wie will NRW die Grundschulen personell stärken?
Mit einem leichteren Seiteneinstieg. Wer einen Master-Abschluss hat und Berufserfahrung, kann ein zweijähriges Referendariat für das Lehramt an Grundschulen beginnen. Wer an Gymnasien oder Gesamtschulen lehrt, der kann sich auf Dauer an einer Grundschule einstellen lassen, auch wenn seine Fächer keinen Bezug zur Grundschule haben.
Absolventen für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen können ihr Referendariat künftig auch für das Lehramt an Grundschulen oder für das Lehramt an Haupt-, Real- und Sekundarschulen aufnehmen.
Welche Maßnahmen gibt es noch?
Lehrkräften aus dem Ausland wird der Start im Schuldienst erleichtert, indem die Anforderungen an ihre Sprachkenntnisse leicht gesenkt werden. Außerdem prüft das Land den Ausbau der Studienanfängerplätze für das Grundschul-Lehramt und Sonderpädagogik. 2023 will die Regierung eine neue Werbekampagne für den Lehrerberuf starten. Wichtigste Botschaft: „Wertschätzung“.
Wie reagieren Lehrerverbände auf die Pläne?
Sie äußern sich zwar kritisch, aber sie verteufeln die Maßnahmen nicht. Schulministerin Feller hat in den vergangenen Monaten den Dialog mit den mächtigen Verbänden gesucht und offenbar den richtigen Ton getroffen. Das Paket muss man wohl als eine Art „Deal“ verstehen. Das „Gespenst“ der Mehrarbeit wurde vertrieben, dafür gibt es Abstriche bei der Teilzeit.
Abordnungen gegen den Willen einer Lehrkraft beispielsweise hält der Philologenverband in NRW für problematisch. Verbands-Chefin Sabine Mistler: „Sie müssen vorrangig freiwillig und immer als Einzelfallentscheidung gesehen werden.“
„Wir haben schon heute knapp 8.000 unbesetzte Stellen, die Landesregierung hat 10.000 neue Lehrkräfte im Koalitionsvertrag versprochen – diesem Ziel wird das Handlungskonzept nicht gerecht“, sagte Ayla Celik, NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft GEW.
Stefan Behlau, Chef des Verbandes VBE in NRW, dringt auf eine solide Qualifizierung der Seiteneinsteiger: „Wenn mehr Menschen mit unterschiedlichen Professionen, Kenntnissen und Fähigkeiten den Weg als Lehrende und Unterstützende, als Seiten- und Quereinsteigende, als Helferinnen und Helfer in die Schulen finden sollen, dann muss es vordringlicher Auftrag der Landesregierung sein, diese Menschen professionsspezifisch einzusetzen, sie intensiv zu qualifizieren und entsprechend fortzubilden.“