Düsseldorf. Schwarz-Grün setzt erste finanzpolitische Zeichen. Ein teures Wahlversprechen erfüllt sich nur schrittweise.
Drei Monate nach Amtsantritt hat die schwarz-grüne Regierungskoalition mit dem Nachtragshaushalt 2022 ihre erste finanzpolitische Visitenkarte abgegeben. Vor allem ein teures Wahlversprechen musste binnen 100 Tagen eingelöst werden: „A13 für alle Lehrer“. Die wichtigsten Fragen zum Nachtragshaushalt.
Warum legt Schwarz-Grün überhaupt einen Nachtragshaushalt vor?
Nach Landtagswahlen und vor allem nach Regierungswechseln sind Nachtragshaushalte üblich. Der neue Zuschnitt von Ministerien und die Einstellung von Personal müssen finanziell abgesichert werden. Außerdem sollen erste politische Initiativen der neuen Koalition im Ausgabenblock erkennbar werden.
Werden neue Schulden aufgenommen?
Zunächst nicht. Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) erhöht die Ausgaben für das laufende Haushaltsjahr zwar noch einmal um 897 Millionen Euro auf 88,4 Milliarden Euro Gesamtetat. Er braucht dafür aber keine neuen Schulden aufzunehmen, da die Inflation noch reichlich zusätzliches Geld in die Kasse spült. Die Steuereinnahmen liegen 1,8 Milliarden Euro über Plan.
Muss 2023 die Schuldenbremse ausgesetzt werden?
Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hatte zuletzt erkennen lassen, dass sie in der Energiekrise eine Notlage sieht, in der – wie bei Corona – der Staat das verfassungsrechtliche Verbot von neuen Krediten umgehen darf. Am Dienstag verwies sie ebenso wie Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) jedoch auf den Bund, der das auf Basis der Steuerschätzung zu beurteilen habe. Klar ist: Die Zeiten werden schlechter. „Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass die Rahmenbedingungen, unter denen wir uns insgesamt bewegen, eine strenge Ausgabendisziplin erfordern“, sagte Optendrenk. Wann teure Vorhaben wie ein weiteres beitragsfreies Kita-Jahr, das versprochene kostenlose Mittagessen in Kitas, der Altschuldenfonds für klamme Kommunen oder ein großer Wurf im Öffentlichen Nahverkehr kommen, steht in den Sternen.
Das Jahr 2022 in Bildern
Wann beginnt die A13-Besoldungsanpassung für Lehrer?
Sobald der Nachtragshaushalt vom Landtag beschlossen ist, soll das Besoldungsgesetz geändert werden. Rückwirkend zum 1. November 2022 bekommen dann alle Lehrkräfte der Primarstufe und der Sekundarstufe 1 eine Zulage von 115 Euro monatlich. Jedes Jahr zum 1. August soll diese Zulage dann um weitere 115 Euro angehoben werden, so dass daraus im Sommer 2025 eine Gesamtsumme von 460 Euro geworden ist. Zum 1. August 2026 sind dann alle Lehrkräfte unabhängig von der Schulform, an der sie unterrichten, mindestens in Besoldungsstufe A13 überführt. Strukturell bedeutet das für die Landeskasse: Rund 900 Millionen Euro Mehrkosten.
Warum dauert die Besoldungsanpassung so lange?
Wenn die Landesregierung ab sofort alle neuen Lehrkräfte in Grundschulen und der Sekundarstufe 1 mit der Einstiegsbesoldung A13 bedacht hätte, wäre es zu einer Schieflage innerhalb der Kollegien gekommen: Erfahrene Lehrer wären mitunter schlechter bezahlt worden als Berufsanfänger. „Der angekündigte Plan ist aus unserer Sicht viel zu lang angelegt“, kritisierte dennoch die Bildungsgewerkschaft GEW. Das Problem: Der Berufseinstieg an Grundschulen, die über besonders starken Personalmangel klagen, bleibt noch lange finanziell unattraktiver als an Gymnasien.
Was sind weitere große Kostenblöcke im Nachtragshaushalt?
Wegen der hohen Zahl an ukrainischen Flüchtlingskindern, die in NRW beschult werden müssen, stellt die Landesregierung 570 Millionen Euro zusätzlich für die akut notwendige Einrichtung von 1000 Lehrerstellen bereit. Unklar blieb, woher das Personal kommen soll und ob diese zusätzlichen Lehrkräfte auf die von Schwarz-Grün versprochene Einstellung von 10.000 Lehrkräften bis 2027 angerechnet werden oder nicht. Im Innenministerium wird die Einheit Cyber-Sicherheit verstärkt. Im Polizeibereich werden die Einstellungen nochmals um 400 auf dann 3000 jährlich erhöht – das war ein schwarz-grünes Versprechen für die kommenden Jahre.
Plant NRW ein eigenes Entlastungspaket für Bürger und Unternehmen?
„Wir werden natürlich in eigener Verantwortung auch unsere Themen machen“, sagte Wüst allgemein, ohne darauf einzugehen, ob das Land ein wirklich eigenes Entlastungspaket schnüren werde. Es komme „nicht auf die Verkaufe an, sondern auf Substanz“. Zunächst müsse das dritte Entlastungspaket des Bundes „sitzen“ und in „fairer Lastenteilung“ mit den Ländern finanziert werden, bremste der Regierungschef. Darüber berät kommende Woche die Ministerpräsidentenkonferenz. Die SPD kritisiert die fehlende Eigeninitiative der Landesregierung. „Während andere Bundesländer beherzt voranschreiten und eigene Unterstützungspakete auflegen, fühlt sich Schwarz-Grün offenbar für nichts verantwortlich und hat jeden Gestaltungswillen in dieser Energiekrise schon aufgegeben“, kommentierte Oppositionsführer Thomas Kutschaty.