Duisburg/Essen. Steigende Mieten, höhere Kosten: Auch im Ruhrgebiet geraten junge Menschen an ihre finanziellen Grenzen. Drei Studierende über ihren Alltag.

Sebastian Völksen steht in seinem spärlich möblierten Zimmer, blickt an die noch kahle Wand und atmet erleichtert aus. In dieser Nacht wird der 21-Jährige endlich in seinem eigenen Bett schlafen. Die vergangenen Nächte hat der Neuankömmling aus dem Frankfurter Umland in einer Jugendherberge verbringen müssen. Heute, ein paar Tage nach Semesterbeginn, hält er den lang ersehnten Schlüssel seines WG-Zimmers im Duisburger Studentenwohnheim in der Hand. „Ich war echt verzweifelt.“

Seit August hat Völksen, der seit diesem Wintersemester Soziologie an der Universität Duisburg-Essen, nach einer bezahlbaren Wohnung gesucht. Unzählige WGs und Studentenwohnheime in Duisburg, Essen und Mülheim habe er angeschrieben, erzählt er. „Aber alles war voll, ich hatte keine Chance.“ Dabei gilt das Ruhrgebiet als eine Region, in der Studierende noch relativ schnell und günstig an Wohnungen kommen. Doch wegen der hohen Strom- und Gaspreise steigen derzeit deutschlandweit die Mieten – und damit die Wohnungsnot bei Studierenden.

Nettokaltmiete fast sechs Prozent höher als im Vorjahr

Wie aus dem aktuellen Studentenwohnreport des Finanzdienstleisters MLP und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht, sind die Wohnkosten in kleinen Wohnungen und WG-Zimmern zuletzt besonders deutlich gestiegen. Laut der Studie liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete für eine klassische Studentenbude um 5,9 Prozent über dem Vorjahr, WG-Zimmer um 9,4 Prozent in den 38 untersuchten Hochschulstädten. So zahlen Studierende in Duisburg beispielsweise im Schnitt 372 Euro Mietkosten im Monat – das sind 42 Euro mehr als 2021.

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Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), warnt angesichts der steigenden Mieten vor einer „existenziellen Notlage“ für Studierende. „Die Daten zeigen, wie alarmierend sich die ohnehin seit Jahren schwierige Lage für die Studierenden auf dem freien Wohnungsmarkt nun zuspitzt“, sagt Anbuhl. Der Staat müsse gegensteuern, es brauche vor allem eine rasche, weitere Bafög-Erhöhung. „Mit der Bafög-Wohnkostenpauschale von 360 Euro bekommt man in den meisten Städten kein WG-Zimmer mehr.“ Zudem müssten Bund und Länder den Wohnungsmarkt durch die Förderung des Neubaus für Studentenwohnheime entspannen.

Deutsches Studentenwerk fordert „automatischen Inflationsausgleich“

Das Bafög müsse existenzsichernd werden, so der DSW-Generalsekretär weiter. Der Bafög-Grundbedarf von aktuell 452 Euro müsse an das von der Ampel-Koalition beschlossene Bürgergeld (502 Euro) angepasst werden. „Hier braucht es einen automatischen Inflationsausgleich, um den Lebensunterhalt der Studis zu sichern.“ Auch appelliert Anbuhl an den Bund, den Kreis der Bafög-berechtigten Studierenden zu erweitern. Gerade einmal elf Prozent der Studierenden erhalten in Deutschland die Förderung.

Student Sebastian Völksen erhält kein Bafög, seine Eltern verdienen dafür knapp zu viel. Von ihnen bekommt er monatlich den ehemaligen Bafög-Höchstsatz (861 Euro). Seit Oktober wurde dieser für Bafög-Empfänger auf 934 Euro im Monat erhöht. Mit dem Geld finanziert Völksen Miete (328 Euro) und Lebensunterhalt. Im kommenden Jahr werden seine Mietkosten wegen der hohen Energiepreise um 35 Euro erhöht. Noch kann er nicht absehen, wie teuer sein Leben hier in Duisburg künftig werden wird. Schon jetzt achte er aber auf seine Ausgaben, kauft Lebensmittel beim Discounter, oder holt sich mittags um die Ecke einen Döner, sagt Völksen.

UDE-Student: „Angst vor der Stromrechnung“

Ähnlich geht es Masterstudent Christian Sydow. Seine kürzlich eingetroffene Stromrechnung hat der 35-Jährige noch nicht geöffnet. „Ich habe im vergangenen Jahr viel im Homeoffice gearbeitet und habe echt Schiss vor der Nachzahlung“, sagt Sydow. Er studiert Politikmanagement an der UDE, wohnt in einer Zweier-WG in Duisburg und bekommt den Bafög Höchstsatz. Weil er über 30 ist und nicht mehr studentisch krankenversichert, sind das monatlich 1018 Euro.

Für Sydow ein knappes Gut, angesichts der steigenden Energie- und Lebensmittelkosten. „Das einfache Butterbrot macht dem Mensaessen Konkurrenz“, sagt er und lacht. Mit ernster Miene fügt er hinzu: „Seit Juli haben sich meine Nebenkosten um 75 Euro erhöht. Mittlerweile sitze ich zu Hause im Halbdunkeln am Schreibtisch, um Strom zu sparen.“ Mit der Energiekostenpauschale und der Bafög-Wohnkostenpauschale könne er gerade einmal den Strom bezahlen. Freiwillig sei er nun schon durch zwei Prüfungen an der Uni gefallen, um arbeiten zu gehen und Geld verdienen zu können, sagt Sydow.

Doppelbelastung für die Eltern

Marie Wilmers kommt aus dem Kreis Gütersloh und ist erst kürzlich in ihre erste eigene Einzimmerwohnung, in den Essener Stadtteil Frohnhausen, gezogen. Die 20-Jährige studiert seit diesem Wintersemester Psychologie am Campus Essen. „Es war überraschend, wie schnell ich eine Wohnung gefunden habe“, erzählt Wilmers. Für ihre 33 Quadratmeter zahlt sie 420 Euro Warmmiete. Derzeit wird sie von ihren Eltern unterstützt, ein Antrag auf Bafög und Stipendium ist gestellt. „Die steigenden Mietpreise machen meinen Eltern Sorgen“, sagt Wilmers, „als Normalverdiener ist es für sie nicht einfach, zeitgleich die eigenen Kosten zu stemmen und meinen Lebensunterhalt zu zahlen.“ Umso mehr wisse sie das Leben in ihren eigenen vier Wänden wertzuschätzen, sagt sie.

Vor dem Allein-Wohnen hat die junge Frau in Zeiten der Energiekrise dennoch Respekt. „Ich möchte alles unter einen Hut kriegen“, sagt Wilmers, „mein Studentenleben genießen und eine warme Wohnung haben.“ Der Krise kann sie auch etwas Positives abgewinnen: „Ich lerne, richtig zu Haushalten und Prioritäten zu setzen.“

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