Düsseldorf. Sie will Lützerath retten: Pauline Brünger, Sprecherin von Fridays for Future NRW, warnt die Landesregierung: “Wir sind nicht kompromissbereit“
In NRW und natürlich auch im Ruhrgebiet gingen am Freitag Menschen auf die Straße, um für den Klimaschutz und für den Erhalt des Ortes Lützerath zu demonstrieren. Der Protest richtet sich auch gegen die Landesregierung und den Konzern RWE, der ab dem 1. Oktober mit der Rodung von Bäumen in Lützerath beginnen darf. Pauline Brünger (20) aus Köln, Sprecherin von Fridays for Future NRW, sprach darüber mit Matthias Korfmann.
Frau Brünger, was passiert jetzt an der Braunkohlentagebaukante in Lützerath?
Brünger: Die Klimabewegung bereitet sich auf eine mögliche Räumung und Rodung in Lützerath vor. Auch Fridays for Future wird mobilisieren, um Lützerath zu retten. Es ist aber noch offen, wie groß der Konflikt vor Ort am Ende tatsächlich sein wird. Das liegt in der Verantwortung von Landesregierung und RWE.
Ist Lützerath ein Symbol des Widerstandes wie der „Hambi“?
Brünger: Lützerath ist ein sehr starkes Symbol für den Widerstand. Die Klimabewegung ist enorm gewachsen, und beschäftigt sich daher nicht mehr nur mit einem Schauplatz, sondern mit vielen. An allen Ecken und Enden kämpfen momentan Menschen gegen fossile Energien. Gegen die neuen LNG-Terminals im Norden Deutschlands, gegen die Reaktivierung der Braunkohle insgesamt und gegen die Blockadehaltung der FDP beim 9-Euro-Ticket.
Der Energiekonzern RWE hat das Recht auf seiner Seite. Er darf in Lützerath mit dem Abriss von Gebäuden und mit Rodungen beginnen. Wer sich dagegen stellt, der bricht das Recht. Wollen Sie das?
Brünger: RWE ist einer der klimaschädlichsten Konzerne in Deutschland und trägt die Verantwortung für Hunderte, die in NRW ihr Zuhause verloren und Hunderttausende Menschen weltweit, die durch die Klimakrise ihr Zuhause verlieren. In dieser Zeit müssen wir fragen, ob die aktuelle Rechtslage legitim ist. Wenn wir sie nicht für legitim halten, muss die Landesregierung eine politische Lösung dafür finden, dass Lützerath nicht abgebaggert wird. Wir können nicht abgeschlossene Verträge mit Energiekonzernen, die auf fossile Energien setzen, einhalten und gleichzeitig den Vertrag des Pariser Klimaschutzabkommen einhalten. Da muss man sich entscheiden.
RWE argumentiert wirtschaftlich: Ein Umplanen oder gar Verkleinern des Tagebaus, um Lützerath zu schonen, wäre betriebswirtschaftlich schädlich. Ein Argument?
Brünger: RWE macht seit Jahrzehnten Milliardenprofite, auch in diesem Jahr wird der Konzern profitieren, während sich Millionen Menschen in Deutschland Sorgen über ihre Stromrechnung machen müssen. Wenn ich mich entscheiden muss, ob RWE weiter Rekordgewinne machen darf oder Menschen endlich wieder ein sorgenfreies Leben leben können, ist meine Antwort klar: Die Priorität liegt bei den Menschen.
Die können ihre Stromrechnung nicht bezahlen, weil Putin auch einen Wirtschaftskrieg führt. Ist es nicht Wahnsinn, in dieser historischen Energiekrise gegen Energieerzeuger vorzugehen?
Brünger: Die Stromrechnung wird jetzt so hoch, weil Politiker*innen in den vergangenen Jahrzehnten trotz aller Warnungen immer wieder auf fossile Energien gesetzt und den Schwenk zu Erneuerbaren verhindert haben. Das hat uns in eine Abhängigkeit gebracht, die uns jetzt teuer zu stehen kommt.
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hat noch im vergangenen Jahr persönlich für den Erhalt von Lützerath demonstriert. Jetzt setzt sie auf Gespräche mit RWE. Was denken Sie über die Ministerin?
Brünger: Ich glaube, dass es den Grünen gerade an einer notwendigen Kompromisslosigkeit fehlt. Man muss aber auch sagen, dass die Grünen in dieser Landesregierung nicht allein sind. Hendrik Wüst versucht, sich klammheimlich aus der Verantwortung zu ziehen. Er ist der Ministerpräsident, der stumm zuschaut, während in seinem Bundesland ein Dorf weggebaggert werden soll für die Kohle.
Die Grünen sind stolz darauf, dass es beim Kohleausstieg im Jahr 2030 bleiben soll. Damit habe man fünf bisher vom Abriss bedrohte Dörfer nun endgültig gerettet. Ist das nichts?
Brünger: Die Klimabewegung kämpft seit Jahren für den Abschied von der dreckigen Kohle und hat riesige Erfolge. Dazu zählt der Kohleausstieg bis 2030. Wir sehen aber auch, dass die schwarz-grüne Landesregierung aktuell rote Linien im Klimaschutz überschreitet. Da sind wir nicht kompromissbereit. Die Grünen sind gerade in erster Linie Regierungspartei, die in der Verantwortung ist, die Probleme der Menschen zu lösen. Wir hoffen, dass es ihnen gelingt, aber diese Regierung bekommt von uns aus guten Gründen keinen blinden Vertrauensvorschuss.
Aktivisten haben zuletzt Büros der Grünen in NRW besetzt. Ist es legitim, in Parteibüros einzudringen?
Brünger: Die Grünen sind eine Regierungspartei und müssen sich auf Protest der Menschen einstellen. Bei so offensichtlich fehlgeleiteter Politik ist es doch keine Überraschung, dass es auch zu solchen Aktionen kommt.