Essen. Der Studienstart im Oktober ist ein Sprung in ein neues Leben. Vier junge Menschen erzählen von ihren Erwartungen, Ängsten und Sorgen.

Corona, Energiekrise, steigende Preise und Mieten – mit vielen Sorgen und Unsicherheiten beginnen in NRW im Oktober knapp 100.000 Erstsemester ihr Studium. Von der Schule fühlen sie sich nicht immer gut auf die Uni vorbereitet, einige haben bereits klare Berufsziele, andere halten sich die Wege offen. Alle aber besorgt eine Frage: Reicht mein Geld für ein Studium? Wir sprachen mit vier jungen Menschen vor ihrem Start ins neue Leben.

Marie Wilmers (20)

Ich komme aus Langenberg im Kreis Gütersloh, ein kleiner Ort mit rund 9000 Einwohnern in Ostwestfalen. Ab Oktober studiere ich in Essen Psychologie. Ich bin die erste in meiner Familie, die ein Studium beginnt, das ist also wirklich „Neuland“ für mich. Ich musste mir alle Informationen selbst besorgen. Zuerst wusste ich nicht genau, was ich wählen soll, aber ein Studienberater hat mir geholfen und mich gefragt, was mich denn wirklich interessiert. Er gab mir auch den Hinweis, dass es an der Uni Duisburg-Essen das Campus-Scouting-Projekt gibt, dabei wird den Erstis ein Student aus einem höheren Fachsemester an die Seite gestellt. Zudem konnte ich online in Vorlesungen und Veranstaltungen reinschnuppern und da habe ich gemerkt: Das ist das Richtige für mich.

Marie Wilmers will Psychologie studieren.
Marie Wilmers will Psychologie studieren. © MW | Privat

Ob mich die Schule gut auf ein Studium vorbereitet hat? Darauf muss ich mit einem klaren Jein antworten. Die Schule vermittelt uns die Grundlagen, wir lernen das Lernen. Doch ein Studium erfordert ein viel höheres Maß an Selbstständigkeit und Eigeninitiative, da kommt die Schule an ihre Grenzen. Für eine Studienvorbereitung und die Suche nach einem Studienfach ist das zu wenig. Dafür fehlt einfach die Zeit. In Essen habe ich schon eine kleine Wohnung gefunden, die ich im Oktober beziehe.

Ich Frage mich, ob ich das finanzieren kann

Bei der Finanzierung unterstützen mich meine Eltern, ohne ihre Hilfe ginge es nicht. Ich habe auch einen Bafög-Antrag gestellt und mich für ein Stipendium beworben, aber ich weiß noch nicht, ob das klappt. Ich kann mir auch vorstellen, nebenher Geld zu verdienen. Trotzdem mache ich mir natürlich Sorgen, ob ich das alles finanzieren kann. Ein Studium ist ja nicht billig und die Mieten und Energiepreise steigen gerade wie verrückt. Ich kann schlecht abschätzen, was da noch auf mich zukommt.

Die Studierenden werden von der Politik nicht ausreichend unterstützt, finde ich. 200 Euro Einmalzahlung sind nicht viel, aber besser als nichts. In der Coronazeit haben sich die Studierenden übergangen gefühlt. Viele hatten Schwierigkeiten, ihr Studium zu finanzieren und manche haben dann ihr Studium aufgegeben. Das sollte in einem Sozialstaat wie Deutschland nicht sein. Ich hoffe, dass die Politik jetzt reagiert und die Studenten zusammenhalten.

Ich wünsche mir, dass die Uni nicht wieder in den Distanzunterricht gehen muss, wegen Corona oder der Energiekrise. Ich habe in meinen letzten Schuljahren viel Distanzunterricht erlebt. Das war nicht immer einfach. Aber ich hatte ja Freunde und ein Netzwerk. Das muss ich mir an der Uni erst aufbauen. Doch wenn alles zuerst online abläuft, ist es kaum möglich, neue Menschen vor Ort kennenzulernen. Ich freue mich auf das Ruhrgebiet und habe schon viele Tipps bekommen, was man hier alles machen kann - total spannend. Ich glaube, dass noch einige Herausforderungen auf mich zukommen werden, dennoch blicke ich optimistisch auf meinen Studienstart.

Sarah Thißen (19)

Ich wohne in Rheurdt, einem kleinen Ort im Kreis Kleve. Im Oktober beginne ich ein Studium in Erziehungswissenschaften an der Uni Duisburg-Essen. Mich fasziniert die Erziehung von Kindern und ich wusste schon mit 13 oder 14 Jahren, dass ich das machen will. Mein größter Wunsch ist es, später in einem Jugendamt bei der Adoptionsvermittlung zu arbeiten. Die Aussicht, Kindern in Not zu helfen gefällt mir. Ich hatte früher viele Freunde aus schwierigen Familien.

Sarah Thißen war ihr Berufswunsch schon früh klar.
Sarah Thißen war ihr Berufswunsch schon früh klar. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Die Schule hat mich nicht so gut auf ein Studium vorbereitet. Was brauche ich an der Uni, wie bewerbe ich mich, wie läuft das ab, das hat mir meine Schwester erklärt. Weil es an meinem Gymnasium keinen Leistungskurs Erziehungswissenschaft gab, habe ich in der neunten Klasse vom Gymnasium aufs Berufskolleg gewechselt. Dort waren viele Mitschüler deutlich älter als ich und ich habe gelernt, mich allein zurecht zu finden. Ich musste mir viel selbst erarbeiten. Das wird mir bestimmt im Studium helfen.

Eine kleine finanzielle Hilfe wäre gut

Mein Studium zu finanzieren, wird nicht einfach. Meine Eltern übernehmen nur den Semesterbeitrag von 334 Euro. Das sind also etwa 50 Euro im Monat. Für den Rest muss ich selber aufkommen. Bafög bekomme ich nicht. Ich wohne daher noch zu Hause und brauche mindestens eineinhalb Stunden bis zur Uni.

Eine Wohnung in Uni-Nähe wäre natürlich ideal, aber das geht derzeit nicht. Ich will mich auch nach einem Nebenjob umsehen, um meine Eltern zu entlasten. Natürlich mache ich mir Sorgen wegen der steigenden Preise und der Inflation, ich verdiene ja noch nichts. Auch für meine Eltern ist es nicht einfach, wir müssen jetzt einige Sachen streichen. Zum Glück stecken mir meine Großeltern manchmal etwas zu.

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Ich finde, für Studierende sollte es generell mehr Unterstützung geben. Eine kleine finanzielle Hilfe für Studierende, die nicht zu Hause wohnen, wäre gut. Ich habe ein freiwilliges Jahr im Kindergarten gearbeitet, das war anstrengend. Jetzt freue ich mich umso mehr auf den Studienstart.

Paul Albrecht (20)

Ich wohne derzeit noch in Münster, weil ich dort nach dem Abi zwei Semester Betriebswirtschaftslehre studiert habe. Aber das war nichts für mich, BWL hat mich nicht begeistert. Es gibt superviel Mathe! Und die Berufsperspektiven finde ich auch nicht so interessant. Ich beginne jetzt in Essen das Studium Germanistik und Politik für das Lehramt. Das sind sichere Berufsaussichten und die Fächer interessieren mich. Ob ich Lehrer werde, steht für mich aber noch nicht fest, mit dem Studium habe ich ja auch andere Optionen.

Paul Albrecht hat nach zwei Semestern das Fach gewechselt.
Paul Albrecht hat nach zwei Semestern das Fach gewechselt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Ein Studium ist etwas ganz anderes als Schule, man muss sich viel mehr selbst erarbeiten. Die Klausuren an der Uni sind immer erst am Ende eines Semesters und dann wird der Stoff des gesamten Halbjahres auf einmal abgefragt. Man muss sich darauf ganz anders vorbereiten als auf die Klausuren in der Schule. Das überrascht viele im ersten Semester.

Wer bedürftig ist, sollte mehr Geld bekommen

Einen kompletten Distanzunterricht wie in der Coronazeit wünsche ich mir im Studium nicht. Aber Hybrid-Veranstaltungen finde ich gut, also wenn eine Vorlesung online und gleichzeitig in Präsenz abläuft. Wer krank ist, kann die Vorlesung von zu Hause aus verfolgen. Man kann sein Studium flexibler gestalten. Zum Beispiel wenn Vorlesungen morgens um 8 Uhr sind, finde ich das Hybrid-System nicht schlecht.

Finanziell werde ich von meinen Eltern unterstützt, nebenbei arbeite ich als Tennistrainer. Aber natürlich mache ich mir auch große Sorgen wegen der steigenden Preise. 200 Euro als Einmalzahlung für Studierende finde ich gut. Aber damit kommt man nicht weit. Ich persönlich benötige die Unterstützung nicht, aber anstatt 200 Euro an alle auszuzahlen, sollten diejenigen mehr Geld bekommen, die es nötig haben. Das fände ich gerechter.

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Ich freue mich sehr auf den Studienstart. Ich hoffe, ich habe jetzt ein Studium gefunden, das mich begeistert und interessiert. Denn wenn man Spaß an dem Stoff hat, fällt das Lernen viel leichter.

Sindano Michael Franz (25)

Ich mache derzeit eine Ausbildung als Elektroniker bei ThyssenKrupp Steel in Duisburg. Ich bin im zweiten Lehrjahr und beginne im Oktober mein Studium in Elektrotechnik und Informationstechnik. Als ich im Betrieb erwähnte, dass ich ein Studium beginnen will, haben sie mir angeboten, mich bei entsprechender Leistung ins Young-Potential-Programm aufzunehmen, so dass ich nach meinem Studium direkt als Ingenieur arbeiten kann.

Sindano Michael Franz absolviert eine Ausbildung und beginnt parallel ein Studium.
Sindano Michael Franz absolviert eine Ausbildung und beginnt parallel ein Studium. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Durch die zusätzliche Verkürzung der Ausbildung mache ich meinen Gesellenbrief voraussichtlich im dritten Semester. Das bedeutet für mich, dass ich täglich acht Stunden arbeite und parallel studiere. Für mich ist das ideal, denn so bekomme ich während des Studiums mein Gehalt und meine betriebliche Ausbildung läuft weiter. Ich zeige dort gute Leistungen, nach der Arbeit habe ich immer noch gelernt. Mein Tag hat meistens zwölf bis 14 Stunden. Ich versuche, so gut vorbereitet wie möglich ins Studium zu gehen.

Von der Schule fühle ich mich recht gut auf die Ausbildung vorbereitet. Ich habe in Gelsenkirchen am Berufskolleg mein Abi nachgeholt mit Schwerpunkt Ingenieurwissenschaften und Mathe. Das war eine gute Grundlage.

Mein Betrieb zahlt das Gehalt weiter

Wegen der steigenden Preise und Mieten mache ich mir schon Gedanken. Ich lebe mit meiner Freundin in Duisburg zusammen, sie bezieht Bafög und geht nebenher arbeiten, da können wir uns nicht viel zurücklegen. Manchmal müssen wir auch an unser Gespartes gehen. Dabei wollen wir eigentlich ein Vermögen für die Zukunft aufbauen.

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Ich würde mir angesichts der steigenden Preise und der Inflation schon mehr Unterstützung für die Studierenden von der Politik wünschen. Und auch die Uni müsste flexibler werden. Ich bin Teilzeitstudent, weil ich zusätzlich eine Berufsausbildung mache. Ich brauche die Möglichkeit, Lehrmaterialien auch online zu bekommen.

Die Doppelbelastung finde ich nicht so schlimm. Ich lerne gerne und löse gerne Probleme. Aber an ein wildes Studentenleben kann ich nicht denken. Ich bin schon 25 Jahre alt, die meisten Studienanfänger sind viel jünger. Ich habe keine Zeit für Partys. Mein Arbeitgeber kann mir eine Perspektive auf einen sicheren Arbeitsplatz bieten, das will ich nicht gefährden. Jetzt ist die Zeit, mich reinzuknien.