Düsseldorf. Oliver Krischer (Grüne) spricht über über die vielen ungelösten Probleme im Verkehr - und erklärt, was den Bau des Radschnellwegs ausbremst.

Die großen Flughäfen in Nordrhein-Westfalen stecken im Abfertigungs-Chaos, die kleinen sind noch immer unwirtschaftlich: NRW-Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) rät den Verantwortlichen im Bund und in den Kommunen, alles auf den Prüfstand zu stellen. Mit Tobias Blasius, Matthias Korfmann und Martin Korte sprach Krischer über den Zustand der Airports, die Probleme beim Ausbau des Nahverkehrs und der Radwege und über den Ärger an der A45-Brücke Rahmedetal.

Herr Minister, CDU und Grüne wollen bis 2030 das ÖPNV-Angebot um 60 Prozent ausbauen. Der Zustand des Nahverkehrs ist derzeit katastrophal. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?

Krischer: Es ist mir klar, dass die 60 Prozent ein ambitioniertes Ziel sind. Wir müssen erstens in Ballungsräumen die Kapazitäten der Bahnen erhöhen und zweitens in ländlichen Regionen ein Schnellbusnetz aufbauen. Vieles hängt aber davon ab, ob die vom Bund schon zugesagten Regionalisierungsmittel dafür tatsächlich fließen. Die Nahverkehrsunternehmen leiden außerdem unter den steigenden Energiekosten, es sind sogar Preiserhöhungen für Tickets im Gespräch. Daher geht es im Moment vor allem darum, das vorhandene Angebot zu erhalten.

Die hohen Kosten für Strom und Diesel bremsen also die Mobilitätswende?

Krischer: Die Inflation schlägt voll auf die Nahverkehrsunternehmen durch. Das ist ein gutes Argument, noch mehr auf Erneuerbare Energien zu setzen.

Schwarz-Grün möchte 1000 Kilometer zusätzliche Radwege für NRW in fünf Jahren. Wer soll die planen?

Krischer: Es stimmt, der Flaschenhals ist bei den Radwegen oft nicht das Geld, sondern das Fehlen von Fachkräften für Planung, und Bau. Wir müssen die Planungskapazitäten erhöhen und gleichzeitig Planungsverfahren beschleunigen.

Wann dürfen sich die Menschen im Ruhrgebiet auf einen fertigen Radschnellweg 1 freuen?

Krischer: Der Bau des RS1 muss beschleunigt werden. Das Projekt wird nicht, wie manchmal gemutmaßt, durch Umweltfragen ausgebremst, sondern durch ungeklärte Eigentumsfragen und verfrühte Festlegungen auf Trassen. Die Lösung solcher Probleme wird eine meiner Aufgaben sein.

Können Sie den vom Chaos um die Rahmedetalbrücke Betroffenen an der A45 Hoffnung machen?

Krischer: Die Fragen zum Brücken-Neubau muss Bundesverkehrsminister Volker Wissing beantworten. NRW arbeitet daran, die Belastungen in und um Lüdenscheid zu reduzieren. Wir sollten da auch über unorthodoxe Vorschläge reden. Zum Beispiel darüber, dass man über Maut-Anreize Lkw-Fahrer motiviert, Ortsdurchfahrten zu vermeiden. Leider verschließt sich der Bund bisher solchen Ideen.

Wir haben vom ersten Tag an klar gemacht, dass wir ein Interesse an einem möglichst schnellen Neubau der maroden Brücke haben. So habe ich auch die beteiligten Umweltverbände verstanden.

Also halten Sie eine Umweltverträglichkeitsprüfung für überflüssig?

Nein, das fordert sich so leicht. Ich habe Verständnis für Herrn Wissing, dass er sich an geltende Regeln hält. Worüber man reden kann, ist, ob es sich hier um einen Ersatzneubau oder einen kompletten Neubau handelt. Beim Ersatzneubau könnte das Genehmigungsverfahren erheblich verkürzt werden. Man muss sich allerdings mit allen Beteiligten darauf verständigen, dass es sich hier um eine Ausnahme handelt. Ich habe dazu gleichzeitig vorgeschlagen, einen Naturschutz-Expertenkreis einzuberufen, um hier gemeinsam mit den Umweltverbänden sowohl schnellere als auch für die Natur bessere Lösungen hinzubekommen.

Wann fällt die Entscheidung über die Kapazitätserweiterung am Flughafen Düsseldorf?

Krischer: Wir versuchen in dieser Frage eine Win-Win-Situation herzustellen, die den Interessen des Flughafens nützt und die Belastungen der Anwohner reduziert. Im Vordergrund steht der Lärmschutz, der muss optimiert werden. Im Moment herrscht am Flughafen keine große Not mit den Kapazitäten, es gibt also keine tagesaktuelle Dringlichkeit, jetzt zu entscheiden.

Kann sich NRW neben den beiden großen Verkehrsflughäfen vier Regionalflughäfen leisten, die sich wirtschaftlich nicht tragen?

Krischer: Ein Teil der Regionalflughäfen ist offensichtlich nicht wirtschaftlich und benötigt Zuschüsse. Am Ende müssen die Betreiber entscheiden, ob sie sich das weiter leisten wollen, das ist keine Angelegenheit des NRW-Verkehrsministers. Ich gebe zu bedenken, dass die EU in ein paar Jahren den Betrieb unwirtschaftlicher Flughäfen verbieten wird. Alle Regionalflughäfen sollten sich also ernsthaft mit der Frage beschäftigen, ob sie noch eine Perspektive haben.

Können Sie etwas dafür tun, damit sich die chaotischen Verhältnisse in diesem Sommer in den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn nicht wiederholen? Könnte NRW die Sicherheitskontrollen nach bayerischem Vorbild über eine Landesgesellschaft für Sicherheitskräfte regeln?

Krischer: Wir haben im Sommer an diesen Flughäfen gesehen, wohin es führt, wenn man bei den Kontrollen auf Privat vor Staat setzt. NRW hat vor Jahren auf eine Ausnahmeregelung, wie Bayern sie hat, verzichtet. Der Bund sollte die Privatisierung noch einmal überdenken. Ich könnte mir eine Regelung für NRW vorstellen, die es am Flughafen Frankfurt gibt. Dort werden die Sicherheitskontrollen vom Flughafen übernommen. Das wäre ein Mittelweg zwischen dem heutigen System und dem bayerischen Modell. Sollten sich die Flughäfen in Düsseldorf und Köln/Bonn für das Frankfurter Modell interessieren, dann könnte ich mir das gut vorstellen.

Ist die Diskussion über die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken in der grünen Partei vermittelbar?

Krischer: Ich habe als Staatssekretär in Berlin mitentschieden, dass Kohlekraftwerke nicht endgültig stillgelegt, sondern in Reserve bleiben werden, und das ist mir nicht leichtgefallen. Wir müssen die Energieversorgung sichern, und das macht Robert Habeck sehr engagiert. Ich hoffe jedenfalls, dass die Atomkraftwerke nicht weiterbetrieben werden müssen, denn wir dürften auch ohne sie genügend Strom-Kapazitäten haben. Was gar nicht geht, wäre, die AKW mit neuen Brennstäben zu bestücken, um sie lange Zeit weiter zu nutzen.

Zur Person:

Oliver Krischer, seit 1989 bei den Grünen, stammt aus Zülpich. Er war Bundestagsabgeordneter und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Der 53-Jährige gehört zu den besonders erfahrenen Politikern im Kabinett von Hendrik Wüst. Krischer ist verheiratet und hat zwei Kinder.