Siegen. Beim IHK-Jahresempfang in Siegen war die Sperrung der A45 ein beherrschendes Thema. Verkehrsminister Wissing warb um Vertrauen in seine Behörde.

Südwestfalens Probleme sind nach mehr als zwei Jahren Pandemie, einer Jahrhundertflut und exakt fünf Monaten A-45-Sperrung wahrlich nicht von Pappe. Dennoch waren sie für den Moment beim Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer Siegen am Montagabend zweitrangig. IHK-Präsident Felix G. Hensel richtete den Blick in der Siegerlandhalle vor rund 1000 Gästen, die Hensel um eine Schweigeminute bat, weit über die Region hinaus auf den Krieg in der Ukraine: „Fassungslos, traurig und wütend“ mache es, die verstörenden Bilder aus dem Kriegsgebiet zu sehen. „Es scheint, als wären Ausnahmezustände mittlerweile unser dauerhafter Begleiter“, sagte Hensel.

Krieg wird das Leben prägen

Die Auswirkungen des Angriffskriegs durch Putin, den Hensel als „revisionistisch daherkommenden Imperator“ bezeichnete, werden nicht nur kurzfristig am Preisschild an der Tankstelle oder der Energieabrechnung für Private wie Unternehmer sichtbar. Die Folgen des Krieges, so Hensel, dürften für lange Zeit das Leben prägen.

Lang andauernde Verkehrsprobleme in Südwestfalen damit zu vergleichen, wäre falsch. Dennoch hätte die Kammer angesichts des Verkehrsdesasters in der Region kaum eine bessere Wahl treffen können, als Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) als Redner einzuladen. IHK-Präsident Felix G. Hensel appellierte mit Blick auf die gesperrte Talbrücke Rahmede bei Lüdenscheid: „Beschleunigen Sie die Verfahren jetzt. Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Wissing, nebenbei auch Digitalminister, ist an diesem Abend auf das Thema A 45 vorbereitet. Sowieso, glaubt man dem Behördenchef, dass er sich tagtäglich persönlich mit der Sauerlandlinie beschäftige, nachdem ihm „die Talbrücke Rahmede zum Amtsantritt im Dezember vor die Füße gekippt worden ist“. Begeisterung klingt anders. Vermutlich, weil Wissing längst gemerkt hat, dass es sich hier nicht um ein Gewinnerthema handelt. Allerdings: Selbst wenn es stimmt, dass er die Verhältnisse vor Ort ganz genau kennt, wie das Mitglied der Bundesregierung versichert, hat man einen persönlichen Ortstermin bislang vermisst.

Bestätigt: „Die Brücke wird 2022 gesprengt“

Vielleicht rührt so manche Skepsis in Kammern und Unternehmen genau daher. Wissing bemühte sich, am Montagabend, sie zu zerstreuen, versicherte, alles für einen schnellstmöglichen Brückenneubau zu tun. Er habe in seiner Behörde, vom ersten Tag an klar gemacht, dass eine Beschleunigung nicht an Personalressourcen scheitern dürfe. „Die Brücke wird noch 2022 gesprengt“, bestätigte Wissing bei seinem Abstecher ins Siegerland, dass es noch in diesem Jahr sichtbar vorangehen werde.

In Zukunft werde die Systematik und Priorisierung bei der Sanierung der Brückenbauwerke in Deutschland geändert. Davon, dass es 4000 marode Verkehrsbrücken sind, scheint sich der Liberale nicht schrecken zu lassen, auch wenn er die Situation als Damoklesschwert für die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland bezeichnet. Sein Motto, nicht nur mit Blick auf Lüdenscheid, laute: „Machen, machen, machen“. Innerhalb von zehn Jahren sollen dann laut Bundesverkehrsminister alle diese 4000 Brücken wieder fit sein. Dafür werde die Investitionssumme von 4,5 auf 5,7 Milliarden Euro erhöht.

Auch wenn Volker Wissing bei An- und Abreise das für Bürgerinnen und Bürger sowie Wirtschaft in Südwestfalen schmerzhafte Nadelöhr bei Lüdenscheid umfahren hat, hinterließ er zumindest beim IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener mit seiner sachlichen, pragmatisch erscheinenden Art Eindruck: „Wir setzen auf Sie. Diese Region, die nicht als Bittsteller in Berlin bekannt ist, ist unverschuldet in diese Situation geraten.“

Hält Wissing Wort – und ist lange genug im Amt – erleben die Menschen in ländlicheren Regionen in diesem Jahrzehnt auch noch einen Digitalisierungsschub. „Bis 2030 Glasfaser ist in jedem Haus und überall 5G“, versprach der Minister, der Deutschland beim Ausbau für ein schnelles Netz sogar schon auf der Überholspur an Estland vorbeirauschen sieht. Klingt gut, auch das täte Südwestfalen gut. Wenngleich, Überholspur bei der Brückensanierung ihm gerade sicher noch mehr Menschen zwischen Hagen und Haiger danken würden.

So geht es an der A45-Talbrücke Rahmede weiter

Die Haselmaus, die dort ihren Winterschlaf gehalten hatte, stört nicht mehr: In diesen Tagen wird die Untersuchung des Baugrunds an der A-45-Brücke Rahmedetal in Lüdenscheid starten. Für die Bohrungen, die schon seit Mitte April oben am Rande der Brücke stattfinden, müssen in die steilen Hänge ebene Flächen geschoben werden, auf denen die schweren Maschinen stehen können.

Gesucht wird im Boden nach Felsgestein, auf dem gegründet werden kann. „Im Sauerland haben wir es oft mit einem sehr komplizierten Boden zu tun, weil sich der Boden so oft faltet“, sagt Nadja Hülsmann von der Außenstelle Hagen der Autobahn GmbH. An der einen Stelle kann der Fels schon in zehn Metern Tiefe zu finden sein, wenige Meter weiter aber liegt er 30 Meter tief.

Zudem gab es am Montag auch Betonbohrungen an den bestehenden Pfeilern. Die dienen der Vorbereitung der Sprengung: Der genaue Zustand des Betons soll ermittelt werden.

mm