Düsseldorf. Die Sondierung zwischen CDU und Grünen hat begonnen. Entscheidungen über Koalitionsverhandlungen womöglich schon am Wochenende.

Sie ähnelten zwei Fußballmannschaften, die am Ende Unentschieden spielen müssen: Elf Damen und Herren von der CDU trafen am Dienstag im schmucken Düsseldorfer Künstlerverein „Malkasten“ auf elf grüne Delegierte, um zu sondieren, ob sie politisch tatsächlich zusammenpassen. Die kreative Stätte inspirierte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zu diesem erklärenden Satz: „Sondieren heißt, einen Rahmen zu bauen, in dem man später ein gemeinsames Bild malt.“

Stundenlang beschnuppern sich die Delegationen an diesem Tag in einem Saal in der ersten Etage des Kunst-Hauses. Rechts sitzen die Grünen, links die Christdemokraten. In der Mitte vor einer Bühne: Ministerpräsident Wüst und Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur.

Tägliches Kennenlernen

Täglich bis einschließlich Freitag steht dieses Kennenlernprogramm auf der Tagesordnung der beiden Wahlsieger. „Ziel ist es, ein belastbares Papier zum Ende der Woche zu haben, das wir unseren Delegierten auf einem kleinen Parteitag am Sonntag vorlegen, damit dort darüber entschieden werden kann, ob wir Koalitionsverhandlungen aufnehmen“, erklärt Neubaur zu Beginn der Sondierung im Garten des „Malkastens“. Die Wege zur Zusammenarbeit seien für die beiden Parteien unterschiedlich weit. Vielleicht, so Neubaur gelinge es aber, Wege zu finden, „die jetzt noch nicht ersichtlich sind“.

Schon der Tagungsort durfte als Statement gelesen werden, dass sich CDU und Grüne als politische Avantgarde inszenieren wollen. Wurde Schwarz-Gelb 2017 noch in der schlichten Düsseldorfer Jugendherberge ausgehandelt, luden Wüst und Neubaur ihre Delegationen in eine der traditionsreichsten Veranstaltungsadressen der Landeshauptstadt, den „Malkasten“.

Selbstbewusste Parteichefs

Die Zusammensetzung der jeweils elfköpfigen Verhandlungsteams von CDU und Grünen verriet, wie unangefochten Wüst und Neubaur nach ihren Wahlsiegen sind – oder sich aktuell zumindest fühlen. Der CDU-Chef hielt es nicht einmal für nötig, seinen erweiterten Landesvorstand über die Zusammensetzung der Unterhändler zu informieren. Außerdem nominierte er landespolitische Neulinge wie Kurzzeit-Verkehrsministerin Ina Brandes oder Integrations-Staatssekretärin Gonca Türkeli-Dehnert, die kaum in der NRW-CDU verankert sind. Kein einziger Kommunalpolitiker schaffte es dagegen ins Sondierungsteam.

Neubaur verzichtete derweil komplett auf etablierte Kräfte der Landtagsfraktion wie Mehrdad Mostofizadeh, Arndt Klocke, Norwich Rüße oder Wibke Brems, die den grünen Karren in tristen Oppositionsjahren gezogen hatten. Vor allem die Nicht-Berücksichtigung eines erfahrenen und unabhängigen Kopfes wie Klocke, immerhin sensationeller Wahlkreis-Sieger in Köln und einziger nennenswerter Verkehrsexperte der NRW-Grünen, sorgte für Erstaunen.

Schon wie alte Freunde

Die, die zur ersten Sondierung durften, begrüßten sich so überschwänglich, als seien sie alte Freunde: Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski strahlte Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer an, die grüne Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic rückte freundlich an CDU-NRW-Generalsekretär Josef Hovenjürgen heran. Hendrik Wüst und Mona Neubaur wechselten vor dem Start in die Sondierung ein paar nette Worte mit einem Dutzend demonstrierenden Pflegern von der Uniklinik Düsseldorf, die für einen Tarifvertrag Entlastung streiten. Für einen einsamen „Klimaschutz“-Aktivisten hatte Wüst keine Zeit, dafür aber Innenminister Herbert Reul (CDU): „Wir kennen uns doch schon.“

Wie kompliziert ein solches Beschnuppern ungleicher Parteien-Vertreter ist, erklärte auf Nachfrage dieser Redaktion der frühere NRW-Innenminister und erfahrene „Sondierer“ und Koalitionsschmied  Ralf Jäger (SPD). In solchen Gesprächen gehe es nicht nur um Themen, sondern auch sehr um Atmosphäre und persönliche Beziehungen: „Da müssen Leute an einem Tisch sitzen, die sich gegenseitig respektieren und wertschätzen.“

Geplatzte "Jamaika"-Verhandlung als mahnendes Beispiel

Gefährlich sei es, Konfliktthemen in Sondierungen und Koalitionsverhandlungen erstmal auszusparen, um leichter zueinander zu finden. Das könnten im Fall von CDU und Grünen unterschiedliche Vorstellungen vom Klimaschutz sein oder von der  Inneren Sicherheit. „Gegensätzlichkeiten muss man früh ausräumen“, so Jäger. Was passieren kann, wenn sich die Partner in spe nicht an diesen Rat halten, habe man bei Christian Lindner gesehen, der 2017 die „Jamaika“-Verhandlungen im Bund brüsk mit diesen Worten beendete: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“

Was immer bei den Sondierungen bis Freitag herauskommt, am Wochenende soll schon darüber abgestimmt werden. Der erweiterte Landesvorstand der CDU sowie ein kleiner Landesparteitag der Grünen in Essen könnten dann den Weg für richtige Koalitionsverhandlungen freimachen. Im Düsseldorfer „Malkasten“ nahm ein mögliches schwarz-grünes Bündnis am Dienstag erste Konturen an.