Essen. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr steht vor einem überraschenden Führungswechsel. VRR-Chef Ronald Lünser bittet um Vertragsauflösung.
Paukenschlag beim VRR: Der größte Verkehrsverbund Europas mit Sitz in Gelsenkirchen steht überraschend vor einem Führungswechsel. Weil er den Rückhalt in den politischen Gremien des Verbundes verloren hat, wirft VRR-Vorstandssprecher Ronald Lünser jetzt das Handtuch. In einem mehrseitigen Brief bittet der seit 2019 amtierende VRR-Chef den Verwaltungsrat des Verbundes um die vorzeitige Aufhebung seines noch bis Ende 2023 laufenden Vertrages.
"Wir wollen einen Neuanfang"
Zuvor hatten CDU, SPD und Grünen in der VRR-Verbandsversammlung Lünser das Vertrauen entzogen. Die drei Fraktionen hatten einstimmig beschlossen, eine Wiederwahl Lünsers nicht mitzutragen. „Wir wollen einen Neuanfang und den VRR perspektivisch neu aufstellen“, sagte Frank Heidenreich, Chef der einflussreichen CDU-Fraktion im VRR dieser Redaktion. „Wir wünschen uns für den VRR, dass er sich stärker auf den Feldern Mobilitätswende, Dekarbonisierung und Integration des Niederrhein-Verkehrs entwickelt“, so Heidenreich. Keines der genannten Themen habe Roland Lünser „kommunikativ besetzen“ können.
Bewältigung der Abellio-Krise
Einem Scheitern bei der eigentlich erst im kommenden Jahr fälligen Wiederwahl wollte Lünser mit seinem Brief an die Spitze des VRR-Verwaltungsrates offenbar zuvorkommen. In dem Schreiben, aus dem zuerst die Rheinische Post zitiert hatte, bietet Lünser eine „einvernehmliche Abwicklung meines Arbeitsvertrages“ an. Auf Anfrage dieser Redaktion wollten sich weder Lünser noch die VRR-Verwaltung zum Thema äußern. Auch das NRW-Verkehrsministerium, das zuletzt die Zusammenarbeit mit den NRW-Verkehrsverbünden bei der Bewältigung der Abellio-Krise gelobt hatte, lehnte auf Anfrage eine Stellungnahme ab.
Unklarheit über Nachfolge
Wann genau Lünser geht und wer sein Nachfolger werden soll, ist noch unklar. Die politischen VRR-Gremien wollen offenbar einen Headhunter mit der Suche nach einem geeigneten Nachfolger oder einer Nachfolgerin beauftragen. Im Gespräch sind nach Informationen dieser Redaktion jedoch auch Namen aus dem mittleren VRR-Management – möglicherweise als Übergangslösung.
Verkehrsmanager bedauern Rückzug
Aus Kreisen der im VRR organisierten Verkehrsbetriebe gibt es auch Kritik an dem Vorgang. Insider sprechen von einem „Machtkampf“ zwischen Teilen der VRR-Politik und dem VRR-Vorstandssprecher. Der Rückzug von Ronald Lünser sei bedauerlich, der Umgang mit ihm von "wenig Wertschätzung" geprägt, hieß es von Seiten ranghoher Verkehrsmanager aus dem Ruhrgebiet.
Ronald Lünser (Jahrgang 1964) ist seit dem 1. Januar 2019 VRR-Vorstandssprecher und neben José Luis Castrillo einer von zwei VRR-Vorstandsmitgliedern. Er übernahm den Chefposten von Martin Husmann, der den VRR 15 Jahre steuerte. Damals hatte es auch Kritik an der Besetzung wegen möglicher Interessenskonflikte gegeben. Lünser war zuvor viele Jahre NRW-Geschäftsführer des inzwischen insolventen Bahnunternehmens Abellio, an das der VRR zahlreiche Aufträge vergeben hatte. Andere dagegen hoben Lünsers Eignung als sachkundiger Chef eines Bahnunternehmens hervor.