Essen. Der mächtige Ruhrbezirk der CDU tritt vor der Landtagswahl selbstbewusst auf, hofft auf mehr Gewicht. Selbstverständlich ist das nicht.

Landtagswahlen bringen die CDU im Ruhrgebiet schnell in die Zwickmühle. Ist die Partei in ganz NRW erfolgreich, verliert die Ruhr-CDU an Einfluss. Schwächelt man landesweit, läuft es genau umgekehrt. Das Dilemma: Bei einem guten Wahlergebnis gewinnen die Christdemokraten gewöhnlich fast alle Direktmandate in ihren ländlichen Hochburgen im Münster-, Sauer- und Rheinland. Kandidaten aus dem traditionell sozialdemokratisch gefärbten Ruhrgebiet, die den Einzug ins Parlament in der Regel nur über die zweite Säule des Wahlsystems - die Landesliste - schaffen, gehen dann meist leer aus.

Dilemma der Ruhr-CDU

Zu spüren bekam diesen Mechanismus bei der letzten Landtagswahl auch Petra Vogt. Fünf Jahre hatte die gelernte Berufsschullehrerin aus Duisburg im Landtag auf den harten Oppositionsbänken gesessen, als Armin Laschet am 14. Mai 2017 für die CDU einen überraschenden Wahlsieg einfuhr.

Wechselbad der Gefühle

Doch die reizvolle Aussicht auf die Arbeit in der Regierungsfraktion währte für die Schulexpertin zunächst nur kurz. Die CDU-Landesliste zog nicht, Petra Vogt war ihren Abgeordnetenjob los - obwohl ihre Partei landesweit vorn lag und im Ruhrgebiet über sieben Prozent hinzugewonnen hatte. Die Lehrerin für Wirtschaftskunde und Spanisch kehrte zurück an ihr Duisburger Berufskolleg. Vier Wochen später die nächste Volte: Als Nachrückerin für einen Fraktionskollegen, der zum Staatssekretär ernannt wurde, zog Vogt dann doch in den Landtag ein. „Das muss ich nicht noch einmal haben“, sagt die heutige stellvertretende Fraktionsvorsitzende zu diesem Wechselbad der Gefühle.

Entscheidung an diesem Wochenende

Gut möglich, dass Petra Vogt es diesmal besser trifft. An diesem Wochenende entscheidet die Landes-CDU in der Essener Grugahalle über die Kandidatenliste für die Landtagswahl in drei Monaten. Die Duisburgerin steht auf einem aussichtsreichen elften Platz.

Überhaupt macht sich die Ruhr-CDU Hoffnung auf wieder mehr Gewicht im Landtag. 2017 gelang nur dem Halteraner Jürgen Hovenjürgen (Kreis Recklinghausen) und Fabian Schrumpf in Essen der Direkteinzug ins Landesparlament – eine schmale Ausbeute für den mitgliederstarken CDU-Bezirk, der insgesamt 33 Landtagswahlkreise abdeckt. Durch Nachrücker wuchs die Ruhr-Repräsentanz der Landtags-CDU zwar auf inzwischen sieben. Dennoch: Im Kreis der insgesamt 72 Fraktionsmitglieder ist das Ruhrgebiet politisch nicht nur gefühlt unterrepräsentiert.

Zwei Minister im Kabinett

Immerhin: Mit Kommunal- und Bauministerin Ina Scharrenbach aus Kamen und dem Essener Stephan Holthoff-Pförtner als Europaminister stellt die Ruhr-CDU zwei Regierungsmitglieder im Kabinettsrang. Auch die neue Verkehrsministerin Ina Brandes fährt auf dem Ticket der Ruhr-CDU. Brandes, die mit ihrer Familie in Niedersachsen lebt, ist gebürtige Dortmunderin und tritt nun in ihrer alten Heimatstadt als Landtagskandidatin an.

"Landtagswahlen werden im Ruhrgebiet gewonnen"

Natürlich weiß die CDU ganz genau, wie wichtig das Ruhrgebiet mit seinen fünf Millionen Einwohnern für einen erfolgreichen Wahlausgang am 15. Mai ist. „Die Landtagswahl wird im Ruhrgebiet gewonnen“, sagt Ruhr-CDU-Chef Thomas Kufen selbstbewusst. „Nur wer hier die Themen kennt und die Menschen überzeugen kann, stellt am Ende den Ministerpräsidenten“, so der Essener Oberbürgermeister.

Inhaltlich sieht man sich gut gerüstet. Von Erfolgen beim Kampf gegen Clan-Kriminalität über gezielte Finanzspritzen für Städtebau und Nahverkehr bis hin zu millionenschweren Investitionen in Schulen, Hochschulen und Forschung: In einem internen Papier zieht die Ruhr-CDU eine überaus positive Bilanz darüber, wie das Ruhrgebiet von der schwarz-gelbe Regierungsarbeit in Düsseldorf profitiert hat.

Stolz auf die Ruhrkonferenz

Auch die von SPD und Grünen als „Etikettenschwindel“ bespöttelte Ruhrkonferenz ist aus CDU-Sicht, na klar, ein Erfolg. „Die Ruhrkonferenz nimmt Fahrt auf und wird das auch nach der Landtagswahl tun“, ist Thomas Kufen sicher. Das vor vier Jahren gestartete schwarz-gelbe Lieblingsprojekt könne nicht nur herausragende Ergebnisse wie den mit 75 Millionen Euro ausgestatteten Spitzenforschungs-Verbund „Research Alliance Ruhr“ der drei Revier-Universitäten vorweisen, sondern habe - quasi als Nebeneffekt - die ressortübergreifende Zusammenarbeit der Landesministerien verbessert.

Altschulden als Wahlkampfthema

Nicht alle Revier-Sorgen konnten in den vergangen fünf Jahren ausgeräumt werden. Das sieht auch Thomas Kufen so. Noch immer ungelöst ist da die drängende Frage der kommunalen Altschulden - ein spezielles Ruhrgebietsproblem. „Ich kann meiner Partei nur raten, hier möglichst schnell sprechfähig zu werden. Denn das wird ein Thema für den Wahlkampf“, sagt Kufen. Auch der Umgang mit den Corona-Schulden, die die Kommunen über Jahrzehnte in ihren Haushalten isolieren dürfen und dort zu tickenden Kredit-Bomben mutieren können, müsse von der nächsten Landesregierung schnell geklärt werden. Kufen: „In dieser Frage müssen wir im Wahlkampf unbedingt eine Antwort geben können.“

Info: Bei der Landtagswahl 2017 gewann die CDU im Ruhrgebiet 7,1 Prozent dazu und verkürzte mit 27,1 Prozent den traditionell großen Abstand zur SPD. Die Sozialdemokraten verloren in ihrer Stammregion überproportional fast elf Prozent und kamen auf 36,5 Prozent. Die FDP erreichte 10,5, die Grünen 5,5, die Linke 5,4 und die AfD 9,5 Prozent.