Düsseldorf. Minister Stamp (FDP) erklärt seine Doppelstrategie für die Zuwanderung: Qualifizierte sollen leichter einreisen, Kriminelle das Land verlassen.

NRW-Integrationsminister und Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) hat federführend die Migrationspolitik der „Ampel“ im Bund mitverhandelt. Am Wochenende reist er ins NRW-Partnerland Ghana. Mit Matthias Korfmann sprach er über Asyl, Abschiebungen und Arbeitskräfte aus dem Ausland.

Herr Stamp, was führt Sie nach Ghana?

Joachim Stamp: Mein Ziel, nicht nur bei dieser Reise, ist: Irreguläre Migration reduzieren und reguläre Migration insbesondere in den Arbeitsmarkt fördern. Wir eröffnen ein Informations- und Förderzentrum für Rückkehrer am Flughafen in Accra. Ich möchte in Ghana darüber sprechen, wie man Menschen im Land halten oder bei ihrer Rückkehr zügig reintegrieren kann und wie legale Zuwanderung nach Deutschland möglich ist. Ich denke an Jobbörsen und Visa-Erleichterungen etwa für Studierende und Azubis.

Brauchen wir Zuwanderung aus Afrika?

Stamp: Das NRW-Handwerk und die Industrie- und Handelskammern erwarten, dass wir uns um Zuwanderung von dringend benötigten Arbeitskräften kümmern. Fachkräftemangel wird zur Bedrohung für unseren Wohlstand.

Sie waren entscheidend an den „Ampel“-Verhandlungen zur Migration beteiligt. Worum geht es da?

Stamp: Wir organisieren einerseits reguläre Arbeitsmigration, andererseits müssen wir konsequent diejenigen abschieben, die sich hier nicht an die Spielregeln halten. Bildlich zugespitzt ersetzen wir die Dealer aus dem Görlitzer Park in Berlin durch Landsleute von ihnen, die hier arbeiten, studieren oder eine Ausbildung machen. Dafür brauchen wir praxistaugliche Migrationsabkommen mit den wesentlichen Herkunftsländern.

Das wären viele Länder.

Stamp: Es sollte mit dem Maghreb, also Tunesien, Algerien und Marokko begonnen werden. Von dort kommen viele Asylsuchende, aber weniger als zehn Prozent werden anerkannt.

Viele bleiben dennoch.

Stamp: Die Asylverfahren sind zu lang und das Rückführungsmanagement zwischen Bund, Ländern und Kommunen insgesamt nicht immer gut genug abgestimmt. Nötig ist eine Beschleunigung und qualitative Verbesserung der Verfahren: Gerichte werden eingeschaltet, die Verfahren verlängern sich weiter, die Menschen sind dann schon teilintegriert.

Integration ist ja gut…

Stamp: Stimmt. Wer in den zurückliegenden Jahren die ungewisse Verfahrenszeit genutzt hat, sich zu integrieren, die deutsche Sprache zu lernen, straffrei ist und Arbeit hat, der soll bleiben können. Wir können es uns nicht erlauben, eine einzige Arbeitskraft, die sich integriert hat und an die Spielregeln hält, abzuschieben. Es darf aber nicht so bleiben wie bislang, dass jemand über einen Asylantrag kommt, der keinerlei Chance auf Asyl hat, um sich dann hier eine Arbeit zu suchen. Dafür will der Bund parallel die „Bluecard“ reformieren. Dann reicht ein Arbeitsvertrag für die legale Einreise. Das war bisher nicht möglich, deshalb nahmen viele den Umweg über das Asyl. Wer künftig weiter diesen Umweg nimmt, darf nicht belohnt werden. Der wird zurückgeschickt.

Asyl ist aber ein Menschenrecht.

Stamp: Humanitärer Schutz wird natürlich nicht abgeschafft. Der gilt weiter für jene, die individuell verfolgt oder Bürgerkriegsflüchtlinge sind, sie machen aber nur ein Drittel der Asylsuchenden aus. Das heißt, zwei Drittel derer, die wir im Asylsystem haben, gehören nicht dorthin. Menschen, die in Deutschland arbeiten wollen, sollten eine faire Chance auf den regulären Arbeitsmarkt haben. Stattdessen landen sie bei uns in Unterbringungseinrichtungen, ihre Verfahren dauern Jahre, um dann doch oft mit einer Ablehnung zu enden. Und zehn Kilometer weiter gibt es einen Betrieb, der sie gern ausbilden würde.

Was ist aus dem Plan, Migrationsabkommen mit Maghreb-Staaten zu schließen, geworden?

Stamp: Bisher zu wenig. Der Innen- und der Außenminister im Bund waren die letzten Jahre zu untätig. Am Ende wird es auch eine Frage der Wertschätzung gegenüber diesen Ländern sein. Der Bund muss ihnen ein gutes Angebot machen.

Zum Beispiel?

Stamp: Erstens Visa-Erleichterungen. Punkt zwei sind Devisen, die sehr wichtig sind für diese Länder. Wenn wir es schaffen, dass die Menschen regulär hier arbeiten, wird sich der Devisen-Transfer erhöhen. Schließlich müssen wir für die Klimawende bei Solar und Wasserstoff mit dem Maghreb umfassend kooperieren. Ich möchte eine weitreichende Vereinbarung etwa mit Tunesien, die neben Investitionen in Technologie auch eine enge Kooperation bei der Migration enthält.

Wie viele Flüchtlinge kommen aktuell nach NRW?

Stamp: Im Herbst stiegen die Zahlen, jetzt sind sie leicht rückläufig.

Woher kommen diese Menschen?

Stamp: Darunter sind viele in Griechenland anerkannte Asylbewerber, vor allem aus Syrien, die in Griechenland nicht ausreichend versorgt werden und die Schengen-Freizügigkeit nutzen. Gerichte untersagen die Rückführung nach Griechenland. Hier muss die EU eine Veränderung in der griechischen Politik erwirken. Wir haben zudem gestiegene Bewerberzahlen aus Nordmazedonien, die nicht verfolgt sind. Hier dauern die Verfahren des BAMF zu lange, sie müssten nach spätestens zwei Monaten zurückgeführt sein. Der Zuzug aus Afghanistan ist gestiegen, jedoch geringer als befürchtet.

Unter den Migranten, die im letzten Jahr vom belarussischen Präsidenten an die polnische Grenze gelockt wurden, waren viele gut qualifizierte Nordiraker. Damit diese nicht fälschlich im Asylsystem landen, könnten sie über Jobbörsen regulär für den deutschen Arbeitsmarkt gewonnen werden.

Info: Flüchtlinge in NRW

Aus Ghana, das als „sicheres Herkunftsland“ gilt, kamen im Jahr 2021 insgesamt 150 Asylsuchende. Anerkennungsquote: ein Prozent. 85 Ghanaer wurden nach Angaben der Landesregierung abgeschoben.

Der Zulauf von Geflüchteten nach NRW geht zu Jahresbeginn laut Landesregierung nach einem Anstieg im vergangenen Jahr wieder zurück. Im November wurden rund 4600 Geflüchtete registriert, im Januar etwa 2500. Haupt-Herkunftsländer: Syrien, Irak, Afghanistan. Im Jahr 2021 hat NRW laut Bundes-Statistik 31.500 Flüchtlinge aufgenommen. Abgeschoben wurden rund 2900 Menschen aus NRW (Bund: rund 12.000). Mitte Februar waren 11.571 Asylsuchende in Landeseinrichtungen untergebracht.