Essen. Essens OB Kufen sieht keinen Grund, den Weihnachtsmarkt abzusagen, wirbt aber für die 2G-Regel. Darum hat die Stadt sie noch nicht eingeführt.
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen hat am Montag (15. November) klare Sympathie für eine 2G-Regelung geäußert: „Wir machen keinen Alleingang, aber 2G ist angezeigt im Freizeitbereich.“ Das Land NRW müsse dafür jetzt die Grundlagen für eine einheitliche Regelung schaffen. Mit einer Inzidenz von 143,7 liege Essen unter dem Schnitt in NRW und deutlich unter dem Bundesschnitt, doch man beobachte mit Sorge einen konsequenten Anstieg der Infektionen.
Angesichts dieser Entwicklung hatte Kufen gemeinsam mit Prof. Dr. Ulf Dittmer, dem Leiter Virologie am Essener Uniklinikum Essen und Jörg Spors, dem Leiter „Koordinierende Covid-Impfeinheit der Stadt“ zu einem Pressegespräch ins Rathaus geladen. Auch Dittmer sprach sich bei dieser Gelegenheit deutlich für 2G aus: „Ich bin ganz klar dafür, um Ungeimpfte zu schützen.“
Der Chefvirologe berät die Stadt und informiert die Öffentlichkeit regelmäßig über die Pandemie. Am Montag trat Dittmer klar dem Eindruck entgegen, dass die Impfung womöglich nur sehr unzureichend gegen Corona schütze. Die Zahl der Impfdurchbrüche liege bundesweit bei lediglich drei Prozent; und wer trotz Impfung erkranke, habe in der Regel einen erheblich weniger schweren Krankheitsverlauf. Auch die Zahl der Infizierten läge ohne den Schutz erheblich höher: „Wenn wir keine Impfung hätten, wären wir jetzt schon in der absoluten Katastrophe.“
Von 18 Intensivpatienten sind 13 ungeimpft
Angespannt sei die Situation schon jetzt, auch weil die Delta-Variante so viel aggressiver sei als das ursprüngliche Coronavirus, betonte Dittmer. So lägen derzeit zwar „nur“ 18 Corona-Infizierte auf der Intensivstation, kämpften aber mit deutlich schwereren Verläufen als die Patienten im Jahr 2020. „Alle 15 Ecmo-Geräte – extrakorporale Herz-Lungen-Maschinen – sind in Betrieb.“ Sollte ein weiterer Patient hinzukommen, müsse man eine Auswahl treffen: „Hier haben wir schon die Triage.“
Der Chefvirologe hob aber auch hervor, dass 13 der 18 Intensivpatienten ungeimpft seien, zwei hätten lediglich eine Impfung. Die anderen drei seien „schwerst vorerkrankt“ und hätten daher ein geschwächtes Immunsystem. „Wer durchgeimpft ist, landet fast nie auf Intensiv.“ Auf der Normalstation lägen derzeit 17 Corona-Patienten, von denen einige bereits zweimal geimpft seien. Es handele es sich aber vor allem um ältere Patienten, für die eine Auffrischungsimpfung besonders angezeigt sei.
Wer mit Astra geimpft ist, bekommt jetzt den Booster
Dittmer warb daher dringend dafür, „die Impflücke zwischen Erst- und Zweitimpfung zu schließen und die Booster-Impfungen zu forcieren“. Wer mit einem Vektor-Impfstoff (dazu zählt neben dem Einmal-Impfstoff Johnson & Johnson auch Astrazeneca) geimpft sei, müsse „nicht sklavisch“ die von der Ständigen Impfkommission generell empfohlenen sechs Monate abwarten. „Wir schicken niemanden weg – wer mit Astra geimpft ist, kann kommen, Fristen gelten da nicht“, versprach Jörg Spors, der als Leiter „Koordinierende Covid-Impfeinheit der Stadt“ auch die mobilen Impfangebote organisiert und betreut. Bei Biontech oder Kreuzimpfungen gelte aber die strikte Fristwahrung.
Die Stadt macht im November 43 dezentrale Impfangebote, ergänzte OB Kufen. „Ich sehe aber auch die niedergelassenen Hausärzte in der Pflicht.“ Sollten die sich überlastet fühlen, müsste die Kassenärztliche Vereinigung das anzeigen. Skeptisch äußerte sich der Oberbürgermeister über eine Impfpflicht. Derzeit plane die Stadt auch keine anderen Verschärfungen: „Wir bleiben im Chor der Städte“, sagte Kufen mit Blick auf den Städtetag in Erfurt, der zu Wochenbeginn startete.
Oberbürgermeister sieht keinen Grund, den Weihnachtsmarkt abzusagen
Bislang sehe er auch keinen Grund, den Essener Weihnachtsmarkt abzusagen. „Wenn wir deutlich über Inzidenz 200 kommen, müssen wir mit den Veranstaltern reden“, ergänzt er. Am ersten Weihnachtsmarkt-Tag habe es bei 1000 Kontrollen lediglich zehn Verstöße gegeben. Dittmer ergänzte, dass die Ansteckungsgefahr unter freiem Himmel in der Regel gering sei. Beide waren sich aber einig, dass die Kontrollen insgesamt, etwa in Restaurants, strenger gehandhabt werden müssten: „Nicht einfach nur das Handy hinhalten. Da sind die Veranstalter in der Pflicht.“
Und schließlich mahnte der Virologe die Essener und Essenerinnen auch bei Treffen zu Hause vorsichtig zu sein: „Bei Delta sind die Aerosole noch gravierender für Infektionen.“ Er wundere sich daher auch, dass das Land die Maskenpflicht in den Schulen abgeschafft habe. In vielen Klassenzimmern werde trotzdem Maske getragen, glaubt der OB und rät auch den Bürgern zur besonderer Vorsicht: Wer sich zu privaten Weihnachtsfeiern treffe, sollte geimpft oder genesen und zusätzlich getestet sein.