Essen/Düsseldorf. 2022 sollen Pflegekräfte in NRW erstmals ihre eigenen Selbstverwaltung wählen. Doch an der Kammer gibt es immer mehr Kritik der Beschäftigten.
Unter Pflegekräften in Nordrhein-Westfalen verfestigt sich der Protest gegen eine sogenannte Pflegekammer. Dem Petitionsausschuss des Landtags liegen nach Angaben eines Sprechers inzwischen rund 7000 Schreiben von Betroffenen vor, die sich gegen die von ihnen als Zwang empfundene Mitgliedschaft in der Kammer richtet. Fachpolitiker der Opposition berichten zudem von täglichen Anrufen und Mails verärgerter Pflegekräfte.
„Die Wut bei den Leute ist groß“, sagte SPD-Landtagsabgeordneter und Gesundheitspolitiker Josef Neumann. „Die Beschäftigten ärgert es, dass sie in eine Institution gezwängt werden sollen und dafür auch noch Beiträge zu zahlen haben. Wenn der NRW-Gesundheitsminister das durchzieht, wird die Lage eskalieren.“
Kritik an Pflichtmitgliedschaft und Beitragszahlungen
Der NRW-Landtag hatte vor rund einem Jahr mehrheitlich die dann größte Pflegekammer Deutschlands auf den Weg gebracht. Das Gremium der Selbstverwaltung soll ab März 2022 erstmals für die rund 220.000 Pflegefachkräfte im Land sprechen und staatliche Aufgaben wie beispielsweise eine Berufsordnung übernehmen.
Pflegekräfte sind traditionell kaum gewerkschaftlich organisiert. Befürworter der Kammer sehen in der Institution einen Weg zu mehr Mitsprache, um Pflege zu verbessern. Gegner bezweifeln, dass die Kammer diese Möglichkeit rein rechtlich überhaupt hat. Für Kritik sorgt, dass Pflegefachkräfte zur Mitgliedschaft verpflichtetet sind und Beiträge anfallen.
SPD fordert Moratorium, Pflegekräfte eine Vollbefragung
Eine kleine Gruppe von Pflegekräfte hat am Mittwoch ihrem Ärger vor dem NRW-Landtag Luft gemacht. Mit einem Banner „Die Kammer verschärft den Pflegenotstand“ warnten sie, dass Fachkräfte aus Ärger über die Kammer dem Beruf verloren gehen würden. „Der Pflege reicht es“, sagte Anja Kuczera aus dem Organisations-Team. „Pflege wird seit Jahren gegängelt, jetzt droht wieder ein Zwang, der zu keinen greifbaren Verbesserungen führen wird.“
Der Sozialdemokrat Neumann sagte, die Kammer habe die Pflege gespalten. Er forderte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zum Moratorium auf. Nötig sei, alle Pflegekräfte zur Frage der Selbstverwaltung zu befragen.
Sandra Postel, die derzeit die NRW-Kammer aufbaut, unterstrich am Mittwoch nach Gesprächen mit Demonstranten: „Wir haben das gemeinsame Ziel, die Rahmenbedingungen in der Pflege zu verbessern. Beim Weg dahin sind wir unterschiedlicher Meinung.“ Postel verschloss sich einer Vollbefragung nicht. Sie sagte, dabei müssten dann aber Alternativen zur Kammer erarbeitet werden. „Kammer ja oder nein, das greift zu kurz.“