Düsseldorf. Arbeitgebern gehen die Pläne zur Impf-Auskunft nicht weit genug, Beschäftigte sind verunsichert Ein Überblick über die Argumente

Es ist die Gretchenfrage der Pandemie: „Wie hältst du’s mit dem Impfen?“ Die Regierungskoalition im Bund hat ein Auskunftsrecht für Arbeitgeber beschlossen: Beschäftigte in Kitas, Schulen und Pflegeheimen müssen demnach künftig Auskunft über eine Corona-Impfung oder eine überstandene Covid-Erkrankung geben. Den einen geht dies zu weit, anderen nicht weit genug.

Warum will der Bund das Auskunftsrecht?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat den Vorstoß gemacht, nachdem der Arbeitgeberverband BDA die Regierung dazu gedrängt hatte. Spahn erinnerte daran, dass Beschäftigte in Kliniken längst darüber Auskunft geben müssten, ob sie gegen Infektionskrankheiten geimpft seien. Diese Möglichkeit soll nun zunächst nur auf Pflege, Kita und Schule ausgedehnt werden und auch nur während der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gelten. Eine weiter gefasste Auskunftspflicht, etwa um auch das Arbeiten im Großraumbüro zu ermöglichen, soll es nicht geben. Begründet wird das Vorhaben von Union und SPD damit, dass in den betroffenen Einrichtungen besonders vulnerable Personengruppen geschützt werden müssten.

Arbeitgeber könnten durch die Impfstatus-Informationen die Arbeit so organisieren, „dass ein sachgerechter Einsatz des Personals möglich ist und gegebenenfalls entsprechende Hygienemaßnahmen treffen“. Laut Bundesgesundheitsministerium drohen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Und die Impfung bleibe freiwillig.

Kennen Arbeitgeber in sensiblen Bereichen nicht längst den Impfstatus ihrer Beschäftigten?

Betriebe im Gesundheitswesen dürfen Beschäftigte zur Impfung bereits befragen, um zu entscheiden, ob und wie Mitarbeitende eingesetzt werden. Das geht aus einem Schreiben des Kommunalen Arbeitgeberverbands hervor. Auch in Pflegeeinrichtungen ist der Impfstatus oft bekannt, weil für Ungeimpfte die Testpflicht gilt. In Schulen und Kitas kennen die Kollegen häufig den Impfstatus – nachfragen konnten Arbeitgeber bislang nur anonymisiert. Transparent wird der Impfstatus etwa des Kita-Personals aber durch die 3G-Regel, darauf verweisen Kommunen. In Oberhausen wurde durch die 3G-Einführung bekannt, dass einzelne Kita-Beschäftigte noch nicht geimpft sind und deshalb weiter der Testpflicht unterliegen.

Was folgt aus der Impfabfrage?

Heinz-Josef Kessmann, Vorsitzender des Arbeitsausschusses Kindertagesstätten bei der Freien Wohlfahrtspflege NRW, erwartet Folgen im Kita-Alltag. Der Druck auf Ungeimpfte werde steigen, Arbeitgeber könnten Betroffene gezielter ansprechen als bisher. „Je nach Träger kann es auch individuelle Lösungen geben, dass etwa ungeimpfte Ergänzungskräfte nicht mehr im direkten Kontakt zu Kindern arbeiten.“ Er begrüßt den Vorstoß der großen Koalition, verweist aber auch auf eine hohe Impfquote in den Einrichtungen von im Schnitt 80 bis 90 Prozent.

Hoffen Eltern nun auf sichere Kitas und Schulen?

„Nein“, sagt Anke Staar von der Landeselternkonferenz, dem Dachverband der Schulpflegschaften in NRW. „Die Impf-Abfrage macht Schulen nicht sicherer, weil die Impfbereitschaft unter Lehrkräften hoch ist.“ Nötig seien andere Maßnahmen, um an Schulen das Infektionsrisiko zu reduzieren - wie etwa Luftfilteranlagen. Daniela Heimann vom Landeselternbeirat der Kindertagesstätten kennt Fälle ungeimpfter Kita-Kräfte. „Mein Eindruck ist, dass weder Eltern noch Kollegen mit denjenigen anders umgehen.“ Es sei wichtig, dass Arbeitgeber den Impfstatus der Kita-Kräfte kennen.

Was sagen Lehrkräfte?

„Rund 90 Prozent der Beschäftigten in Kita und Schule sind geimpft“, meint Ayla Çelik, Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in NRW. Sie nennt die Debatte zur Abfrage des Impfstatus eine „Scheindebatte“. Statt Schnellschüssen brauche es konsequenten Infektionsschutz. „Anstatt über den Impfstatus von Beschäftigten zu reden, brauchen wir endlich Luftfilter in den Klassen und Kitas, tragfähige Quarantänemaßnahmen und engmaschige Testungen.“

Stefan Behlau, Landeschef des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), hat ähnliche Bedenken: „Es stellt sich die Frage, was die Politik mit der Auskunftspflicht erreichen will. Das muss zuerst geklärt werden.“ Angesichts des Personalmangels sei es problematisch, Lehrer nach einer Abfrage des Impfstatus‘ womöglich ins Homeoffice zu schicken.

Der Deutsche Lehrerverband lehnt eine Impfabfrage als zu tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte ab: „Das Ziel eines hohen Gesundheitsschutzes im Schulbereich lässt sich auch auf anderem Wege erreichen, beispielsweise durch die 3G-Regel“, sagte Verbandspräsident Heinz Peter-Meidinger dieser Redaktion. „Nach der 3G-Regel bleibt es den Betroffenen überlassen, ob sie einen Impf- oder Genesungsnachweis vorlegen oder eine tägliche Testung machen. Diese 3G-Regel sollte für Schüler und Lehrkräfte gleichermaßen gelten.

Stimmen Patientenschützer den Plänen zu?

„Es ist gut, dass der Gesetzgeber für eine 2G-Auskunftspflicht bei sensiblen Berufen sorgen will“, meint Eugen Brysch, Chef der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Kranke, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wollten sicher sein, dass der Immunstatus von Medizinern und Pflegern bekannt sei. „Das ist ein wichtiger Baustein, um durch die vierte Welle zu kommen."

Wie reagieren Arbeitgeber?

Ihnen geht die Regelung nicht weit genug, da für die meisten Betriebe nach wie vor keine Auskunftspflicht geplant ist. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) findet, der Plan der Koalition sei nur ein „erster wichtiger Schritt“. Weitere seien erforderlich.