Essen. Drei Wochen nach der verheerenden Flut ist ein großer Teil der Soforthilfen von Bund und Land bereits an Betroffene und Städte ausgezahlt worden.

Der Ärger war groß: Als NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in dieser Woche in den vom Hochwasser massiv betroffenen kleinen Ort Swisttal gereist ist, schlug ihm viel Frust der Flutopfer entgegen. Auch drei Wochen nach dem verheerenden Starkregen beklagten Betroffene, alleingelassen worden zu sein und noch immer auf ausreichende Finanzhilfen warten zu müssen.

Welche Hilfen sind bislang von Bund und Land geflossen?

Nach der Flut haben Bund und Land 400 Millionen Euro an Soforthilfen für Privatpersonen, Unternehmen und die betroffenen Städte zugesagt. Überwiesen hat das Land bislang 217 Millionen Euro (Stand 3. August). Der Großteil war laut Staatskanzlei für Privatpersonen bestimmt: Die Städte haben über 140 Millionen Euro zur Bewilligung von Bürgeranträgen erhalten. Einzelzahlungen liegen bei bis zu 3500 Euro. Voraussetzung ist, dass die Schadenssumme, die eine Versicherung nicht übernimmt, 5000 Euro übersteigt.

Welche Hilfen gab es für Unternehmen?

Unternehmen, Freiberufler oder landwirtschaftliche Betriebe erhalten pauschal 5000 Euro – bis Mittwoch hat NRW laut Wirtschaftsministerium rund 12,5 Millionen Euro bereitgestellt. „Damit haben wir den Kommunen die Mittel für alle gemeldeten Anträge bereitgestellt“, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).

Wer wartet noch auf Gelder?

Die Zahl der Anträge, die in NRW noch nicht bewilligt worden sind, sind nicht landesweit erfasst. Im Kleinen zeigt sich aber, wie schnell Hilfen ausgezahlt worden sind: In Swisttal haben 1600 Antragstellende über 3,4 Millionen Euro an Soforthilfen erhalten. Noch 200 Betroffene warten aufs Geld – das sind nach Angaben der Gemeinde vor allem Gewerbetreibende. Damit Gelder gerade zu Anfang schnell fließen, ist der Rhein-Sieg-Kreis noch vor Zusagen von Land und Bund mit rund 1,4 Millionen Euro in Vorkasse getreten. Anträge würden in aller Kürze bearbeitet und lediglich auf Plausibilität, Wohnsitz und Meldeadresse sowie mögliche Doppelanträge hin geprüft, heißt es.

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In Erftstadt mit dem besonders betroffenen Stadtteil Blessem sind bislang knapp 2000 Anträge eingegangen und rund 4,4 Millionen Euro ausgezahlt worden. Nur einige wenige Anträge seien derzeit offen, so eine Sprecherin. Betroffene können noch bis zum 31. August bei ihrer Gemeinde Hilfe beantragen.

Welche Hilfen sind an die Städte geflossen?

Insgesamt 65 Millionen Euro hat NRW bereits den betroffenen Kommunen zur akuten Bewältigung ihrer Kosten bereitgestellt. Einige Landkreise haben die jeweiligen Summen aufgestockt, so dass etwa in Erftstadt zwölf Millionen Euro für die schnelle Hilfe bereitstehen. Ausreichen werden solche Summen nicht: Im kleinen Swisttal geht man von einer hohen zweistelligen Millionensumme aus, um die öffentlichen Infrastruktur wieder herzustellen. Eine komplette Grundschule ist verloren gegangen, Brücken, Plätze und Kindergärten sind beschädigt, das Rathaus nur zum Teil zu nutzen. „80 Prozent unserer Fläche sind betroffen“, sagte ein Stadtsprecher.

Welche Hilfen folgen?

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Die Soforthilfen sind als Akutprogramm für eine erste finanzielle Überbrückung gedacht gewesen. Um langfristig Schäden beseitigen zu können, will der Bund kommende Woche über einen Wiederaufbaufonds entscheiden, aus dem größere Unterstützungssummen zu erwarten sind.

Der Leipziger Ökonom Reimund Schwarze hat auf Grundlage von Luftaufnahmen für die Flutgebiete einen Schaden von rund zehn Milliarden Euro ausgerechnet. „Der Schaden liegt über dem der beiden Hochwasser-Ereignisse von 2002 und 2013“, sagt Schwarze. Infrastrukturschäden seien mit mindestens vier Milliarden Euro zu beziffern, die gleiche Schadensumme für Wohngebäude und mindestens zwei Milliarden Euro für Gewerbe zu kalkulieren. Wann Betroffene mit Geldern aus einem Wiederaufbaufonds rechnen können, ist noch nicht abzusehen. Entscheidend ist dabei auch, welche Summen die Versicherungen Betroffenen auszahlen: Laut ersten Schätzungen liegt der versicherte Schaden bei vier bis fünf Milliarden Euro.

Gibt es weitere Sofort-Unterstützung?

In den betroffenen Gebieten wird von einer weiterhin hohen Hilfs- und Spendenbereitschaft. Auch die FUNKE Mediengruppe, zu der diese Zeitung gehört, sammelt Geldspenden, um von der Flut betroffenen Menschen Unterstützung zu bieten. Kritik hatte es unter anderem vom NRW-Gaststättenverband Dehoga an der fehlenden Koordination der Hilfeleistungen. Erste Kommunen reagieren. Erftstadt arbeitet gerade an einem Konzept, wie vor Ort eingegangene Spenden verteilt werden solle. Allein beim Rhein-Erft-Kreis sind mehr als 1,9 Millionen Euro an Spenden eingegangen.

Welche Hilfen erhalten Betroffene noch?

Neben der akuten und geplanten Hilfe haben Bund und Land eine Reihe von kleinen Unterstützungsmaßnahmen angestoßen. So soll die Insolvenzantragspflicht für Firmen bis Ende Oktober aussetzen, die infolge des Hochwassers in finanzielle Not geraten sind. So soll verhindert werden, dass sie pleitegehen. Die Arbeitsagentur verweist zudem darauf, dass Betriebe Kurzarbeit anzeigen können. Und Banken bieten zinsfreie Hochwasser-Sonderkredite an.