An Rhein und Ruhr. Nach der Flutkatastrophe übt der Dehoga Kritik am Krisenmanagement in NRW. Hilfsangebote seien unzureichend an Betroffene kommuniziert worden.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Nordrhein übt nach der Hochwasser-Katastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz scharfe Kritik am Krisenmanagement des NRW-Innenministeriums und der Kommunen. Es fehle eine „generalstabsmäßige Organisation“, um die verschiedenen Aufgaben vor Ort sowie die zahlreichen Hilfsangebote von gemeinnützigen Vereinen und Privatpersonen zu koordinieren. „Da wird überhaupt nichts von zentraler Stelle organisiert. Zentrale Ansprechpartner sind nicht da“, sagt Geschäftsführer Christoph Becker.

Der Dehoga Nordrhein hatte unmittelbar nach dem Unwetter Unterkünfte für Betroffene organisiert, die wegen der Überschwemmungen nicht in ihre Wohnungen zurückkehren konnten. „Wir haben in der Spitze bis zu 1.500 Zimmer zur Verfügung gestellt. Rund 70 bis 80 Hotels haben ihre Hilfe angeboten“, so Becker. Ein Großteil der Zimmer sei aber gar nicht erst in Anspruch genommen worden. Bislang habe der Hotel- und Gaststättenverband über seine eigens für die Flutkatastrophe eingerichtete Telefon-Hotline, bei der sich Hilfesuchende melden und ein kostenloses Zimmer zuteilen lassen können, lediglich etwa 100 Familien vermittelt. Dabei gebe es noch viel mehr Betroffene.

Dehoga Nordrhein: „Hilfsangebote werden nicht von zentraler Stelle gelenkt“

Das Problem: „Unsere Hotline spricht sich in den überfluteten Regionen nur schwer rum“, sagt Becker. Der Dehoga habe die Telefonnummer ans Innenministerium und die Kommunen und Kreise weitergeleitet mit der Bitte, die Bürger auf die kostenlose Übernachtungsmöglichkeit aufmerksam zu machen. Das sei, so der Eindruck des Geschäftsführers, aber nicht oder nur in Einzelfällen geschehen. „Ich will nicht alle Kommunen und Landräte in NRW über einen Kamm scheren. Ich sehe nur, dass unsere Hilfsangebote nicht von zentraler Stelle gelenkt oder in Anspruch genommen werden.“ Er hätte erwartet, dass die Politik im Internet oder mit ausgedruckten Flyern stärker für das Angebot werbe.

Zudem seien die Kommunen und Kreise bei dem Transport der Betroffenen in die Hotels größtenteils überfordert gewesen. „Wir haben festgestellt, dass die Mitarbeiter vor Ort teilweise gar nicht wussten, was zu tun ist“, so Becker. Der Dehoga habe deshalb in Kooperation mit dem Nahverkehr Rheinland (NVR) und der Deutschen Bahn einen kostenlosen Taxi-Service eingerichtet. „Es gibt Menschen, die haben alles verloren – ihr Auto, ihr Geld, ihre Scheckkarte. Die kommen ohne fremde Hilfe gar nicht bis ins Hotel“, so der Geschäftsführer.

NRW-Innenministerium: Vermittlung erfolgte „mit einiger Verzögerung“

Das NRW-Innenministerium teilt auf NRZ-Anfrage mit, dass es „eine überwältigende Anzahl an Hilfsangeboten einzelner Bürger, von TV-Sendern, Vereinen, Verbänden, Unternehmen und privaten Initiativen“ gegeben habe. Diese würden vom Krisenstab der Landesregierung gesammelt, aufbereitet und mehrmals täglich an die Bezirksregierungen weitergeleitet. „Das großzügige Angebot des Dehoga hat das Innenministerium mit Dankbarkeit aufgenommen. Ausgerechnet hier erfolgte die Vermittlung bedauerlicherweise erst mit einiger Verzögerung.“ Minister Reul habe in einem persönlichen Gespräch mit dem Dehoga-Geschäftsführer Becker sein Bedauern über diese Verzögerung zum Ausdruck gebracht.

>>> Wohnungssuche: Viele Betroffene kommen bei Bekannten unter

Im Rhein-Sieg-Kreis wurden zum Zeitpunkt der Evakuierung etwa 2.200 Personen betreut. Die Notunterkünfte seien nach Kreisangaben mittlerweile aufgelöst worden. „Viele Betroffene sind bei Verwandten oder Freunden untergekommen“, so Kreissprecherin Daniela Blumenthaler. „Etwa 40 Menschen können bis zum Ende der Herbstferien in einem leerstehenden Wohnheim für Schüler wohnen.“ Aktuell seien noch rund 70 Personen auf der Suche nach einer Wohnung. Der Kreis habe ein Online-Formular eingerichtet: „Die dort eingehenden Wohnungsangebote werden täglich den betroffenen Kommunen und dem Sozialamt des Kreises zur Vermittlung zugesandt.“

Auch aus der Notunterkunft im Ville Gymnasium in Erftstadt seien bis zum 26. Juli alle Bürgerinnen und Bürger vermittelt worden. „Weitere 60 Anfragende für eine neue Bleibe haben sich bis heute gemeldet. Ihnen wurden Wohnungen angeboten“, so Stadtsprecherin Jennifer Weber. „Es liegt uns keine Information vor, ob diese angenommen wurden.“ In Erftstadt seien nach der Hochwasser-Katastrophe acht Wohnhäuser irreparabel zerstört. Im Rhein-Sieg-Kreis wurden in der Gemeinde Swisttal für 13 Gebäude Betretungsverbote ausgesprochen. Aktuell seien aber erst 65 Gebäude auf mögliche Einsturzgefahren untersucht worden.

In Rheinbach waren unmittelbar nach der Flutkatastrophe bis zu 1000 Personen in einer Notunterkunft untergebracht, als die Ortschaften Oberdrees und Niederdrees evakuiert wurden. „Für Menschen, die wohnungslos werden, hält die Stadt Notschlafstellen bereit“, so Sprecher Matthias Müller. „Für ein längerfristiges Wohnen müssen dann andere Möglichkeiten durch die betroffenen selbst organisiert werden.“ Da die Stadt über keinen eigenen Wohnraum verfüge, unterstütze sie insbesondere bei der Vermittlung von Angeboten. Nach aktuellem Stand müssten mindestens vier Wohnhäuser in Rheinbach abgerissen und neu aufgebaut werden.