Essen. Der Regionalverband Ruhr legt ein Faktenbuch zu Umwelt- und Klimadaten des Ruhrgebiets vor. Der Bericht zeigt Licht und Schatten auf.

Die jüngste Hochwasserkatastrophe hat auch weite Teile des Ruhrgebiets in Mitleidenschaft gezogen. Doch im größten deutschen Ballungsraum wachsen die Sorgen vor möglichen Folgen von Klimawandel und Extremwettern schon länger. Schwerindustrie, Siedlungsdichte und Verkehrsaufkommen bilden im Revier einen idealen Nährboden für hohe Umweltbelastungen.

Der Regionalverband Ruhr, als oberste Planungsbehörde der Region für den Naturschutz und die Sicherung von Freiflächen verantwortlich, hat jetzt erstmals zentrale Umwelt- und Klimadaten des Ruhrgebiets in einem 60 Seiten starken Buch vorgelegt. Auch wenn die Fakten vor der großen Flut zusammengetragen wurden: Der Bericht kommt zur rechten Zeit. Denn die Klimabilanz des Ruhrgebiets zeigt Licht und Schatten. Ein Überblick.

Die grüne Infrastruktur

„Grüne Infrastruktur“ lautet das neue Schlagwort der RVR-Verantwortlichen. Der Verband will das Ruhrgebiet zur grünsten Industrieregion der Welt machen. Die Voraussetzungen dafür sind so schlecht nicht. Im Gegensatz zu anderen Ballungsräumen und Großstädten wird das Ruhrgebiet von vielen Grünzügen durchzogen, die noch der RVR-Vorgänger Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk in den 1920er Jahren der ausgreifenden Montanindustrie abgetrotzt hatte und die heute noch sichtbar sind.

Der oft zitierte Eindruck einer überraschend grünen Industrieregion täuscht also nicht: 61 Prozent der Gesamtfläche bestehen aus Wäldern, Feldern, Parks und Wasserflächen. Nimmt man private Gärten und Wiesen dazu, sind sogar 74 Prozent des Reviers grün. Knapp ein Fünftel des Ruhrgebiets ist zudem bewaldet. Acht Prozent der Ruhrgebietsfläche sind als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Trotz doppelt so hoher Bevölkerungsdichte liegt diese Quote auf NRW-Niveau.

Die Luftqualität

Nachholbedarf hat das Revier indes bei der Luftqualität, obwohl die „blaue Luft über der Ruhr“ längst ein geflügeltes Wort ist. Dennoch: Die Treibhausgasemissionen liegen mit 16,3 Tonnen CO2 je Einwohner immer noch weit über dem Bundesschnitt von 9,1 Tonnen. Hauptgrund ist laut RVR der hohe Kohleverbrauch der örtlichen Schwerindustrie, die für knapp 60 Prozent der Emissionen verantwortlich ist.

Auch bei den erneuerbaren Energien kommt das Ruhrgebiet nur langsam voran. Wegen des hohen Energiebedarfs der Industrie erreicht das Revier nur einen Ökostromanteil von rund sieben Prozent am gesamten Stromverbrauch. Deutschlandweit liegt der Anteil bei rund 45 Prozent. „Gerade bei den erneuerbaren Energien gibt es im Ruhrgebiet noch viel Luft nach oben“, sagte RVR-Umweltdezernentin Nina Frense dieser Redaktion. Beispiel: Würde man das Potenzial aller geeigneten Dächer komplett nutzen, könnte der Solarstromertrag 21-mal höher ausfallen als zurzeit. Auch auf die Windkraft könne das Revier setzen. Den Ausbau zum Beispiel auf ehemaligen Halden verhinderten aber die in NRW derzeit geltenden strengen Abstandsregeln für Windkraftanlagen, so Frense.

Der Temperaturanstieg

Wie der Klimawandel im Revier wirkt, zeigen Zahlen der örtlichen Wetterdienste. Laut Daten der Wetterstation Essen-Bredeney ist die Durchschnittstemperatur im Revier in den vergangenen 70 Jahren um fast zwei Grad gestiegen. Die jährliche Zahl der Stunden mit über 20 Grad hat sich im selben Zeitraum verdoppelt, die Zahl der Froststunden nahezu halbiert. Klimaprognosen sagen einen weiteren Temperaturanstieg bis 2050 voraus.

Der Flächenfraß

Ein nach wie vor großes Problem ist die zunehmende Flächenversiegelung. Die Siedlungsfläche im Ruhrgebiet wächst Jahr für Jahr um etwa 150 Hektar, vor allem auf Kosten der Landwirtschaft. Trotz des Rückbaus vieler Industrieflächen in den vergangenen Jahrzehnten nehme die Versiegelung unterm Strich zu, so Umweltdezernentin Frense. Sie warnte jedoch davor, Ökologie gegen Ökonomie auszuspielen. Die Ansiedlung neuer Unternehmen müssen unbedingt auf alten, vorgenutzten Industrieflächen erfolgen, auch wenn dies erheblich aufwendiger sei, als auf der grünen Wiese neue Gewerbeflächen auszuweisen.

Das RVR-Faktenbuch „Mensch.Natur.Raum“ entstand in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt Research Institut und kann auf der Homepage des RVR (rvr.ruhr) heruntergeladen werden.