Essen. Hochschul-Rektoren fordern vom Land, sofort eine Impfaktion für die 750.000 Studierenden zu starten. Sonst drohe ein weiteres Online-Semester.

Die Hochschulen in NRW schlagen Alarm. Wenn nicht in den nächsten Wochen eine große Impfaktion unter Studierenden und Hochschulmitarbeitern gestartet werde, müsse auch im kommenden Wintersemester auf die Präsenzlehre verzichtet werden. Sie fordern von der Politik eine sofortige Impfkampagne, sonst drohe das vierte Online-Semester in Folge. Dies sei die Voraussetzung dafür, dass ab Herbst überhaupt Präsenzveranstaltungen an den Hochschulen stattfinde könnten, mahnen die Rektoren der Universitäten und Fachhochschulen in NRW.

Die Hochschulen beklagen, dass Studierende und Hochschulen in der Pandemie im Unterschied zu Schulen und Kitas weitgehend übersehen würden. Die Hochschulen fordern, „dass alle Mitarbeitende sowie Studierende bis Anfang, spätestens bis Mitte August flächendeckend ein verbindliches Impfangebot erhalten haben müssen“, schreiben die beiden Vorsitzenden der Landesrektorenkonferenzen Lambert T. Koch (Uni Wuppertal) und Marcus Baumann (FH Aachen) in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Impfkampagne müsste im August starten

Der Termin ist nicht willkürlich gewählt. Denn wenn das Semester Anfang Oktober 2021 beginnt und bis dahin der volle Impfschutz greifen soll, müssten die rund 750.000 Studierenden in NRW sowie sämtliche Hochschulmitarbeitende ihre erste Impfung spätestens in der ersten Augusthälfte erhalten. Das Land müsse daher jetzt entscheiden, wie viele Studierende pro Tag geimpft werden können. Begänne man beispielsweise Anfang Juli, was nach Ansicht der Hochschulen jetzt schon organisatorisch kaum mehr möglich sei, „müssten unter der Annahme, dass aktuell noch bis zu 60 Prozent der Gruppe gar nicht geimpft sind, bis August in den verbleibenden vier bis fünf Wochen an jedem Werktag mehr als 15.000 Studierende geimpft werden“, rechnen die Rektoren vor.

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Sollte das nicht gelingen, müsse es bei den bisherigen Hygiene- und Abstandsregeln in den Hörsälen bleiben. Das würde bedeuten, dass rein rechnerisch nur 20 Prozent der Studierenden zurück in die Hochschulen kommen könnten. Dies sei aber den jungen Menschen, die nun schon drei komplette Semester von zu Hause aus studieren müssen, nicht mehr zuzumuten. „Es gäbe dann zum Beispiel Master-Studierende, die einen kompletten Studiengang quasi im Fernstudium absolviert hätten“, sagt Lambert T. Koch dieser Redaktion.

Landesregierung setzt auf Eigeninitiative der Studierenden

Auch mit Blick auf die vielen tausend Erstsemester warnen die Professoren vor den Folgen eines weiteren Online-Semesters. Koch betont: „Die hohe Durchimpfung von rund 80 Prozent darf nicht nur im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung als Ziel gesehen werden, sondern muss auch für einzelne Gruppen wie etwa die aktuelle Abiturienten-Generation gelten.“

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Die Landesregierung geht jedoch davon aus, dass „spätestens mit dem Beginn des Wintersemesters Präsenzveranstaltungen wieder zur Regel werden können“. Sie setzt beim Impfen vor allem auf die Eigeninitiative der Studierenden. Seit 26. Juni sei die Impfpriorisierung in den NRW-Impfzentren aufgehoben. „Alle impfwilligen Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren, also auch Studierende, können nun einen Impftermin vereinbaren“, teilt das NRW-Wissenschaftsministerium auf Anfrage mit.

Ministerium verweist auf Impfzentren

Nach Aussage von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann könnten demnach alle Impfwilligen bis Ende Juli mindestens einmal gegen das Corona-Virus geimpft werden. Bis Ende September 2021 könnten dann auch die Zweitimpfungen abgeschlossen sein. „Die Weichen für ein flächendeckendes Impfangebot für alle Studierenden bis zum Wintersemester sind somit gestellt“, so das Ministerium. Wissenschaftsministerin Isabell Pfeiffer-Poensgen habe die Hochschulen aufgefordert, die Studierenden auf das bestehende offene Angebot der Impfzentren hinzuweisen.

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Die Arbeitsgemeinschaft der Studierendenwerke NRW teilt jedoch die Kritik der Rektoren. Sie appellieren an die Landesregierung, nicht nur den Blick auf Schülerinnen und Schüler zu richten. „Auch die Studierenden brauchen Planungssicherheit für ihren weiteren Bildungsweg nach den Sommerferien“, heißt es in einer Stellungnahme.

Rektoren befürchten viertes Online-Semester

„Jetzt muss das Land endlich eine wirksame Impfkampagne für die vielen Zehntausend ungeimpften Studierenden in NRW organisieren“, forderte Sprecher Jörg Schmitz. Mit dem einfachen Verweis darauf, dass sich Studierende selbst um einen Impftermin bemühen können, „macht es sich die Landesregierung allzu einfach“.

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Offenbar sind die Rektoren aber skeptisch, ob die Politik ihren Forderungen nachkommen werde. Für diesen Fall erwarten sie von der Landesregierung „eine klare Rückendeckung dafür“, dass sie zum Schutz ihrer Mitarbeitenden und Studierenden die Praxis der Online-Lehre „leider auch im Wintersemester fortsetzen müssten“.