Essen. 60 Punkte stehen heute auf der Tagesordnung des Ruhrparlaments. Versammlungsleiter Frank Dudda verspricht richtungsweisende Beschlüsse.

Der Start hätte misslicher kaum sein können: Mitten auf dem Gipfel der Corona-Krise musste das neue Ruhrparlament seine Arbeit aufnehmen. Lockdown und Pandemiefolgen zwangen die frisch gekürten Revier-Parlamentarier in die Abgeschiedenheit von Homeoffice und Bildschirmsitzungen. Die öffentliche Aufmerksamkeit für das im vergangenen Herbst erstmals seit seinem Bestehen direkt von den Ruhrgebietsbürgern gewählte Gremium tendierte wenig überraschend gegen null.

Mehr Gewicht in der Region

Mit seiner zweiten offiziellen Sitzung seit der Konstituierung im Dezember will die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr sich am heutigen Freitag nun vernehmbar zurückmelden. „Wir wollen unsere Verantwortung als direkt gewähltes Parlament untermauern und verknüpfen den Neustart der Verbandsversammlung mit dem Anspruch, in wichtigen Sachfragen voran zu kommen. Das Parlament weiß, dass es jetzt liefern muss“, sagte Frank Dudda dieser Redaktion.

Der Herner Oberbürgermeister war im Dezember zum neuen Vorsitzenden der Verbandsversammlung gewählt worden. Auch das ein Signal: Schon länger stand kein Rathauschef einer Ruhrgebietsgroßstadt mehr an der Spitze des Parlaments. Mit der Wahl des SPD-Politikers verknüpft sich im RVR die Hoffnung, dem Ruhrparlament zusätzlich zum Prädikat der Direktwahl mehr Gewicht in der Region verleihen zu können.

Über 60 Tagesordnungspunkte

Über 60 Tagesordnungspunkte hat sich das Ruhrparlament heute für seine Sitzung in der Essener Grugahalle vorgenommen. Ein Mammutprogramm. Und Frank Dudda legt Wert darauf, dass es auch inhaltlich um Beschlüsse von Gewicht geht. „Wir wollen grünste Industrieregion, Innovationsschmiede Ruhr und Hotspot der Kreativen werden“, nennt Dudda die Zielsetzung. Zu allen Punkten werde es richtungsweisende Beschlüsse geben, verspricht Dudda und weiß dabei eine satte Koalitionsmehrheit aus SPD und CDU im Rücken. Das Ruhrgebiet müsse weltweit als „Chancen-Region“ erkennbar werden und bei Zukunftsthemen weiterkommen.

Regulierungsstelle für grünen Wasserstoff

Als konkrete Ziele, wo Region und Regionalverband punkten wollen, nannte Dudda etwa die Gründung einer regionalen Regulierungsstelle für grünen Wasserstoff. Solch eine Koordinierungsstelle dürfe „nicht zu klein“ gedacht werden und müsse mit den lokalen Initiativen zum Thema zusammenarbeiten. Er warnte davor, dass sich das Revier in der Wasserstoff-Strategie nicht auseinanderdividieren lassen dürfe. Dudda verwies auf Pläne des Regierungsbezirks Münster, der eine eigene Wasserstoffstrategie anstrebe und die zum Verwaltungsbezirk gehörenden Ruhrgebietsstädte Bottrop, Gelsenkirchen und den Kreis Recklinghausen dafür abwerben wolle. Dudda: „Das darf nicht geschehen.“

Stärken-Schwächen-Analyse

Als zweites wichtiges Projekt will die Groko im Ruhrparlament ein Innovationsmonitoring fürs Ruhrgebiet durchsetzen. Das Essener RWI Leibniz-Institut soll beauftragt werden, den Innovationsfortschritt im Ruhrgebiet in Form einer Stärken-Schwächen-Analyse zentral zu begutachten. Zudem soll der RVR zentral für alle Städte einen Straßenzustandsbericht durch regelmäßige Befahrung erstellen.

Kooperationsstandorte: Spagat zwischen regionalen und lokalen Interessen

Auf den Weg bringen soll das Parlament auch die geplanten 24 Großflächen für Gewerbeansiedlung und Wohnungsbau. Diese so genannten Kooperationsstandorte gelten als Schlüssel für die Neuansiedlung größerer Industrie- und Gewerbebetriebe. Widerstände dagegen gibt es in einigen Kommune, bei Bürgerinitiativen und bei den RVR-Fraktionen der Grünen und der Linkspartei. SPD und CDU wollen den Kritiker mit einem gemeinsamen Ergänzungsantrag entgegenkommen, der laut Dudda den Spagat zwischen regionalen und lokalen Interessen berücksichtigen soll.

"Welterbe-Bewerbung aufrechterhalten"

Dudda macht sich außerdem „persönlich“ dafür stark, dass das Ruhrgebiet die Bewerbung um den UNESCO-Welterbe-Titel für die Industriekultur trotz jüngster Rückschläge durch eine wenig schmeichelhafte Jury-Empfehlung des NRW-Kommunalministeriums aufrechterhält. „Die Bewerbung jetzt abzubrechen, halte ich nicht für metropolengerecht“, sagte der Verbandsvorsitzende.

Mehr Geld soll der RVR für die Umsetzung aller Pläne übrigens nicht bekommen. Dudda: „Ein Umlagenerhöhung ist in dieser Periode vollkommen undenkbar, weil wir ja auch in den Kommunen erheblich mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen haben.“ Heißt: Der RVR muss wohl an anderer Stelle sparen.