Düsseldorf. Kanzlerkandidatur mit Rückfahrkarte? Bislang vermeidet der CDU-Chef ein klares Bekenntnis zu seiner politischen Zukunft im Bund.

Plötzlich ist der überwunden geglaubte Schmerz in der NRW-CDU wieder präsent. Seit Tagen wird intern über die berühmte „Röttgen-Falle“ diskutiert. Bei der Landtagswahl 2012 hatte der damalige CDU-Spitzenkandidat und Bundesumweltminister Norbert Röttgen das schlechteste Ergebnis der Partei in der Landesgeschichte eingefahren, weil er nur als Ministerpräsident nach Düsseldorf wechseln wollte, im Misserfolgsfall jedoch den angenehmeren Posten in Berlin bevorzugte. Eine solche Vollkasko-Mentalität ließen ihm die Wähler nicht durchgehen.

Läuft NRW-Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet nun geradewegs in dieselbe Falle? Am Montag antwortete er auf die klare Frage der „Süddeutschen Zeitung“, ob er auch nach einer Niederlage bei der Bundestagswahl im September „Nordrhein-Westfalen verlassen und nach Berlin gehen“ werde, ziemlich umständlich: „Wir beschäftigen uns jetzt erst einmal mit dem Wahlsieg, und ich kandidiere für das Amt des Bundeskanzlers. Alle anderen Fragen werden vor der Wahl in Klarheit beantwortet.“ Schon zuvor in der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Laschet?“ hatte er an dem Punkt ziemlich rumgeeiert.

Laschet trägt die volle Verantwortung für den Bundestagswahlkampf

Laschet wird bei der Listenaufstellung zur Bundestagswahl im Frühsommer wohl als Nummer eins in Nordrhein-Westfalen für den Bundestag kandidieren. Sollte er es nicht ins Kanzleramt schaffen, erscheint es schwer vorstellbar, dass er nahtlos in die Düsseldorfer Staatskanzlei zurückkehren und ein halbes Jahr später bei der Landtagswahl 2022 zur Wiederwahl antreten könnte. Anders als die gescheiterten Kanzlerkandidaten Johannes Rau (SPD) oder Edmund Stoiber (2002) müsste der CDU-Bundesvorsitzende nach dem Machtkampf mit CSU-Chef Markus Söder und weiten Teilen seiner eigenen Partei wohl die volle Verantwortung für die Niederlage übernehmen. Kurz vor der nächsten NRW- Landtagswahl, angesichts miserabler Zustimmungswerte für die schwarz-gelbe Landesregierung keineswegs ein Selbstläufer, wäre das eine schwere Hypothek.

Vize-Kanzler und SPD-Konkurrent Olaf Scholz hat Laschets Problem längst gewittert. In der „Bild am Sonntag“ forderte er bissig: „Laschet sollte klar sagen, ob er sich traut, ohne sicheren Rückfahrschein in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Es geht um das wichtigste Amt im Land. Lauwarm geht da nicht.“ Auch Söder schickte in der „Süddeutschen Zeitung“ schöne Grüße nach Düsseldorf: „Generell gehört ein CDU-Bundesvorsitzender nach Berlin.“

Die NRW-CDU braucht schnell einen neuen Landesvorsitzenden

Scheut Laschet das persönliche Risiko? Angesichts der starken Umfragen für Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock muss er fürchten, nach nur vier Jahren als Ministerpräsident demnächst auf den harten Oppositionsbänken des Bundestags zu landen. Bei einem klaren Bekenntnis zu Berlin könnte überdies eine Debatte entbrennen, warum er überhaupt noch den Bundestagswahlkampf bis September aus dem Ministerpräsidenten-Amt heraus führen wolle. Es ist ja nicht so, dass ein Regierungschef im bevölkerungsreichsten Bundesland in Pandemie-Zeiten unter Beschäftigungsmangel litte.

In der NRW-CDU wächst längst die Unruhe. Voraussichtlich im Juni muss zunächst ein Nachfolger Laschets im Landesvorsitz der Partei gewählt werden. Spätestens im Oktober, wenn sich der Bundestag konstituiert, müsste dann ein neuer Ministerpräsident her. Die NRW-Verfassung erlaubt es nicht, dass der Regierungschef gleichzeitig Mitglied eines anderen Parlaments ist. Laschet hätte wohl gern seinen Vertrauten, Innenminister Herbert Reul, als Übergangsvorsitzenden in der NRW-CDU, weil dann seine eigene Rückkehr im Herbst nicht völlig ausgeschlossen wäre. Der 68-jährige Reul hat kein Landtagsmandat und könnte in der laufenden Legislaturperiode selbst gar nicht Ministerpräsident werden.

Ein wiederkehrendes Gedankenspiel, dass Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp von der FDP bis zur Klärung der Personallage in der NRW-CDU übergangsweise das wichtigste Regierungsamt kommissarisch mitübernehmen könnte, wurde vergangene Woche von Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) im „Westfälischen Anzeiger“ ausdrücklich nicht zurückgewiesen. In der Landtagsfraktion heißt es dazu jedoch, man könne „den Laden zusperren“, wenn man sich personell derart blank präsentiere und den Amtsbonus auf diese Weise verschenke. Solche Gedankenspiele seien der untaugliche Versuch, Verkehrsminister Hendrik Wüst (45) zu verhindern, der als einer der wenigen ernsthaften Aspiranten auf die Staatskanzlei über das notwenige Landtagsmandat verfügt. Laschet selbst, wird gemahnt, müsse jetzt schnell die Debatte ordnen.

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