Düsseldorf. Umfragen mies, Corona-Krise kritisch: Der CDU-Chef orientiert sich in einer schwierigen Phase seiner NRW-Koalition nach Berlin.

Die turnusmäßige Kabinettssitzung der Landesregierung musste am Dienstag irgendwie zwischendurch abgehandelt werden. Die Digital-Formate der Corona-Pandemie machen es ja möglich. CDU-Chef Armin Laschet, im Hauptberuf Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, war in Berlin nach Tagen des parteiinternen Machtkampfes als frisch gekürter Kanzlerkandidatur der Union stark gefordert.

So wird man das in den kommenden Monaten noch häufiger erleben. Laschet will den Bundestagswahlkampf bis Ende September aus dem Ministerpräsidenten-Amt heraus führen. Das hat er frühzeitig signalisiert und folgt damit einer politischen Logik. Laschet braucht die Regierungsbühne, um Macht ausüben oder etwa im Bundestag sprechen zu können. Außerdem wäre es schwer zu vermitteln, wenn er nach nicht einmal vier Jahren in der Düsseldorfer Staatskanzlei mitten in der Corona-Pandemie zurückzutreten würde.

Die Opposition stichelt bereits gegen den "Teilzeit-Ministerpräsidenten"

Herausfordernd wird die nächste Zeit so in jedem Fall. Laschet muss die zerstrittene Union einen, ein Bundestagswahlprogramm erarbeiten lassen und in allen Bundesländern Präsenz zeigen. Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt oder die umstrittene Bundestagskandidatur Hans-Georg Maaßens in Südthüringen – das sind jetzt seine Themen. Zugleich fordert zuhause Corona eigentlich Tag und Nacht Laschets Krisenmanagement. SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty stichelt bereits gegen den „Teilzeit-Ministerpräsidenten“ und kritisiert: „Die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen leidet unter seinem Nichthandeln in dieser Hochphase der Pandemie.“

Selbst Wohlmeinende in Laschets Koalition registrieren schon länger, „dass auch Armins Tag nur 24 Stunden hat“. Im Abnutzungskampf mit CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur ging in Düsseldorf manches schief. Laschets unausgegorener Vorschlag eines „Brücken-Lockdown“ überraschte die eigenen Landtagsfraktionen. Das jüngste Hin und Her um Schulöffnungen, manche verrutschte Interview-Äußerung oder die kurzfristige Absage der kommunalen Modellprojekte mit kontrollierten Lockerungen von Corona-Maßnahmen – all das wird allenthalben einer akuten Überlastung des engsten Zirkels um den Ministerpräsidenten zugeschrieben.

Die Nachfolgefrage in NRW ist weiter unbeantwortet

Laschet weiß, dass er nicht den Eindruck vermitteln darf, persönliche Karrierepläne in Berlin seien ihm wichtiger als die Regierungsarbeit für die Menschen zwischen Höxter und Heinsberg. In seinem ersten Statement als Kanzlerkandidat betonte er deshalb: „Jetzt kommt es darauf an, die Pandemie zu bekämpfen.“

Unklar ist bislang, wie sich Laschet seine Nachfolgeregelung in Düsseldorf vorstellt. Formal ist er sogar noch Vorsitzender der NRW-CDU. Erst bei einem Landesparteitag im Frühsommer soll ein Nachfolger gewählt werden. Bislang waren dafür die beliebten CDU-Urgesteine Herbert Reul und Karl-Josef Laumann im Gespräch, um den Übergang zu moderieren. Doch als Nachfolger im Ministerpräsidenten-Amt käme in der laufenden Legislaturperiode praktisch nur Verkehrsminister Hendrik Wüst (45) in Frage, der über das vorgeschriebene Landtagsmandat verfügt. Müsste man ihn nicht schon im Sommer mit dem Landesvorsitz stärken, um dann im September einen überzeugenden Übergang in der Staatskanzlei hinzubekommen? Die Diskussion läuft längst hinter den Kulissen.

Dass Laschet als gescheiterter Kanzlerkandidat nahtlos in NRW wieder die Geschäfte aufnehmen und im Mai 2022 in die Landtagswahl ziehen könnte, wird allenthalben ausgeschlossen. Der CDU-Chef wird für den Bundestag kandidieren und seine politische Zukunft in Berlin suchen müssen – im Kanzleramt oder eben auf den Oppositionsbänken. Nach der Zerreißprobe in der K-Frage gibt es wenig Neigung, auf NRW-Ebene in die nächste Hängepartie zu laufen.

Eine starke Aufstellung ist dringend notwendig. Die schwarz-gelbe Landesregierung ist nach ordentlichem Start in den vergangenen anderthalb Jahren ziemlich aus dem Tritt gekommen. Trotz leichter Friktionen zwischen CDU und FDP im Pandemie-Management steht zwar die knappe Regierungsmehrheit verlässlich. Der jüngste „NRW-Trend“ des WDR zeigte jedoch einen regelrechten Absturz im Ansehen der Bevölkerung. Die Grünen, die schon bei Europa- und Kommunalwahlen in NRW stark abschnitten, liegen nur noch zwei Prozentpunkte hinter der CDU und könnten mit einer zugkräftigen Spitzenkandidatur womöglich sogar Kurs auf die Düsseldorfer Staatskanzlei nehmen. Laschets Erbe in NRW jedenfalls scheint in Gefahr.