Düsseldorf. Armin Laschet hat im Ringen um die Kanzlerkandiatur Leidensfähigkeit bewiesen. Ist er lernfähig, um seine Schwächen in den Griff zu bekommen?
Armin Laschet ist eigentlich kein Zocker. Beim Fußball-Toto in seinem Aachener Tabak-Geschäft setzt der Fan des FC Bayern München seit Jahren nur auf Unentschieden. Das gebe die besten Quoten, sagt er aus Erfahrung. Als Zeichen von Zögerlichkeit oder Unentschlossenheit wollte der CDU-Vorsitzende sein Tipp-Verhalten nie gedeutet wissen.
Im Krimi um die Kanzlerkandidatur mit Markus Söder hat Laschet in den vergangenen Tagen das bewiesen, was ihm die wenigsten zugetraut hätten: Härte, Nervenstärke, Durchhaltevermögen. Zugleich stellte sich spätestens am Montagabend in einer dramatischen Nachtsitzung die Frage, wann Standhaftigkeit in Beratungsresistenz umschlägt.
Armin Laschet: Ein Kanzlerkandidat trotz größter Bedenken
Der 60-Jährige ist ein zersauster Sieger. Ein Kanzlerkandidat trotz größter Bedenken in den eigenen Reihen. 31 Mitglieder des Bundesvorstands sprachen sich um halb eins in der Früh für ihn aus, neun für Söder, sechs enthielten sich. Mehrere Parteipromis hatten sich zuvor in einer wüsten Debatte gegen den neuen Chef positioniert. Ob Basis und Bundestagsfraktion ihn nun tragen werden, ist keineswegs ausgemacht.
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Aber so macht Laschet eigentlich schon seit drei Jahrzehnten eine Karriere gegen viele Wahrscheinlichkeiten. Er gilt eigentlich als zu freundlich, zu wenig kantig, zu rheinisch plaudernd, zu unorganisiert. Doch über viele Umwege kommt er ans Ziel. Oft war Laschet der kleinste gemeinsame Nenner.
Armin Laschet ist kein Friedrich Merz
Derjenige, der stehen blieb, wenn sich andere unmöglich gemacht hatten oder blockierten. Der Nette, auf den man sich irgendwie verständigen konnte. Er wird meist nicht gewählt für das, was er ist, sondern für das, was er nicht ist. Kein Friedrich Merz. Keine Hannelore Kraft. Kein Norbert Röttgen. Und nun eben: Kein Markus Söder.
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Schon Ende der 80er-Jahre rückte Ratsneuling Laschet bloß in den Aachener CDU-Kreisvorstand auf, weil der verkrusteten Partei damals in der schwarzen Bischofstadt die aufkommenden Grünen im Nacken saßen und man einen Jungen suche, der aber bitte nicht alles kurz und klein reformieren sollte. Es war der Beginn einer jahrzehntelangen Serie, an deren Ende Laschet am Ende irgendwie immer „übrig blieb“, wie er es selbst einmal formulierte.
1994 wurde er überraschend Bundestagskandidat, weil der Aachener Wahlkreis-Konkurrent vielen zu wirtschaftsnah und gestrig erschien. 1999 kam er ins Europaparlament, weil sich die Konkurrenz im Aachener Umland bei der Listennominierung nicht einig war. 2005 stieg Laschet zu Deutschlands erstem Integrationsminister auf, weil NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sein Kabinett streng nach Regionalproporz zusammenstellte und für ein bunt gemischtes Reste-Ressort noch einen Vertreter aus Aachen fehlte.
Armin Laschet: Ein Mann der relativen Siegen
Als Mann der relativen Siege bahnte er sich in Düsseldorf den Weg nach oben. 2012 wurde Laschet Vorsitzender der großen NRW-CDU, weil Norbert Röttgen seinerzeit als „Muttis Klügster“ den Landesverband beispiellos vor die Wand gefahren hatte. 2014 fiel ihm die Macht als Oppositionsführer zu, weil die Kanzlerin den beliebteren Konkurrenten Karl-Josef Laumann als „Patientenbeauftragter“ nach Berlin weglobte.
2017 reichte das zweitschlechteste CDU-Landtagswahlergebnis der NRW-Historie, um Ministerpräsident zu werden - weil die rot-grüne Landesregierung von Hannelore Kraft abgewirtschaftet hatte. Und im Januar wählte die CDU Deutschlands Laschet schließlich nicht zuletzt deshalb zu ihrem neuen Bundesvorsitzenden, weil die Angst vor dem Unruheherd Merz größer war.
"Türken-Armin" oder "Laschi"
Im Fußball zeichnet den guten Stürmer aus, für Abstauber zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Laschet verfügt über diese Fähigkeit, Glück aufzufangen. Er hat sich nie davon beirren lassen, dass er parteiintern als allzu liberaler „Türken-Armin“ oder als „Laschi“ verspottet wurde. Laschet macht einfach immer weiter. Er ist gesegnet mit diesem rheinischen Selbstbewusstsein, dass sich die Dinge am Ende zum Guten wenden, wenn man bloß die Nerven behält: „Et hät noch emmer jot jejange.“
Laschet kann viel aushalten, weil er ein intaktes privates Umfeld und einen sicheren Vorrat an politischen Lebensthemen pflegt. Fast sein gesamtes Leben verbringt er in Aachen-Burtscheid. Mit Frau Susanne, einer lebenslustigen Buchhändlerin, bewohnt er bis heute ein Reihenhaus ganz in der Nähe seines Elternhauses. Sie haben sich im Kirchenchor kennengelernt, den Susannes Vaters leitete. Dort sang auch jener Jugendfreund mit, der Laschet 1979 mühevoll die CDU-Mitgliedschaft aufschwatzte.
Der CDU-Parteichef Laschet stammt aus einem aufstiegswilligen Elternhaus
Der heutige Parteichef stammt aus einem einfachen, aber aufstiegswilligen Elternhaus. Vater Heinz, der vom Kohlekumpel zum Grundschullehrer umschulte, und Mutter Marcella, eine in der Kirchengemeinde engagierte Hausfrau, waren CDU-Stammwähler, hatten aber mit aktiver Politik nichts am Hut. Laschet selbst hat über die Gemeindearbeit zum politischen Engagement gefunden. Dort richtete er seinen Wertekompass aus, der ihn bis heute leitet.
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Der rheinische Katholik Laschet gehört zu den wenigen Spitzenkräften der CDU, die das „C“ im Parteinamen hochhalten. Christliches Menschenbild, gesellschaftliche Liberalisierung, Europa – das ist für ihn nicht verhandelbar. Der Politiker Laschet musste sich nie häuten. „Der Armin ist echt“, sagt sein Vertrauter und Innenminister Herbert Reul.
Laschet hat in einer Laufbahn häufig verloren und nahm manchen Umweg zum Ziel. Getragen wird er von der Familie und echten Freunden außerhalb der Politik: Seinen drei erwachsenen Kindern, seinen drei Brüdern, seinen Vertrauten aus Burtscheid. Sein wichtigster Mentor in der Politik war der verstorbene frühere CDU-Generalsekretär Peter Hintze. Die Lücke ist im System Laschet bis heute nicht geschlossen.
Armin Laschet gilt als schludriger Handwerker
Laschet gewinnt in der persönlichen Begegnung. Wer ihn kennenlernt, ist oft überrascht, wie humorvoll, belesen, aufmerksam und vielseitig interessiert er sein kann. Im öffentlichen Auftritt kommt er dagegen meist fahrig und gereizt rüber. Laschet hat bis heute nicht akzeptiert, dass in einer schnelllebigen Medienwelt mit den Sozialen Netzwerken als Beschleunigern jedes Wort und jede Geste bedacht werden muss. Kompetenzvermutung bei den Bürgern entsteht vor allem aus Bildern und Symbolen. Doch er lehnt „Inszenierung“ ab, obwohl Authentizität in der Politik kein Wert an sich ist.
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Zudem gilt Laschet als schludriger politischer Handwerker. Ein rheinischer Bauchpolitiker mit vielen Ideen, ein konservativer Sponti, der immerzu „auf Sicht fährt“. Laschet will zusammenführen, wenn Führung gefragt ist. Er stellt Fragen, wenn Ansagen erwartet werden. Die miserablen Umfragewerte sind Spiegelbild seiner häufiger verunglückten Auftritte. Ob Corona-Krisenmanagement oder K-Frage – er bekommt keine Linie rein.
Laschets Image wäre wohl nicht so ramponiert, wenn er ein Umfeld aufgebaut hätte, das seine Stärken zum Strahlen bringen und die Schwächen abfedern würde. Doch anders als Helmut Kohl, der systematisch Verschwiegenheitszirkel und Kompetenzringe um sich legte, wirkt bei Laschet vieles handgestrickt.
Aus seinem unmittelbaren Umfeld wird nur Staatskanzleichef Nathanael Liminiski Bundesliga-Format attestiert. Doch der hochbegabte Mitdreißiger wirkte zuletzt mit Pandemie-Management in NRW und dem unionsinternen Söder-Guerillakampf ziemlich am Limit. Ob der schale Sieg im Kampf um die Kanzlerkandidatur zu einer Neuerfindung des Armin Laschet führt?