Der CDU-Chef hat nach Chaostagen in der Union die Führungsgremien in der K-Frage hinter sich gezwungen. Zuhause muss ein Neuanfang her.
So angeschlagen wie der Aachener Armin Laschet ist nicht einmal Martin Schulz, sein rheinischer SPD-Nachbar aus Würselen, in das Projekt Kanzlerkandidatur gestartet. Bei Schulz gab es wenigstens mal einen „Zug“ der Begeisterung, der irgendwann entgleiste. Laschets Lage ist dagegen von Beginn an so ungemütlich wie der Hinterhof vom Hauptbahnhof. Gewiss, der NRW-Ministerpräsident hat 14 Monate lang eine quälende Corona-Vorsitzendenwahl ertragen. Er erklärte seine betoniert schlechten persönlichen Umfragewerte tapfer zur „Momentaufnahme“. Er brachte die Funktionäre gegen die Merz-Sehnsucht der Basis in Stellung. Schließlich hielt er sogar noch die strategische und kommunikative Überlegenheit des „Franken-Machiavelli“ Söder aus. So viel Leidensfähigkeit bringen nicht viele auf. Doch der Preis ist hoch: der Autoritätsverlust des neuen Vorsitzenden ist galoppierend.
Kann Laschet die Chaostage der Union überwinden?
Nun ist Laschet immer ein Meister relativer Siege gewesen. Er kam irgendwie ans Ziel, weil er als Mann des Kompromisses anschlussfähig zu vielen Seiten war und nicht polarisierte. Gelingt es ihm also, den Makel der Chaostage in der Union abzustreifen und dann im Herbst, wenn Pandemie und Baerbock-Faszination etwas abflauen, dank langfristiger Partei-Bindungen doch noch irgendwie ins Kanzleramt zu kommen? Es wäre die Schlusspointe einer wechselvollen Karriere.
Dafür müssten sich Laschet und seine NRW-Landesregierung jedoch endlich ehrlich machen. Das ramponierte Image des CDU-Vorsitzenden ist ja kein Zufall, sondern Ausdruck des fehlenden Vertrauens in seine Führungsfähigkeiten. Das liegt zum einen daran, dass es Laschet einfach nicht schafft, Stärken wie sein festes Wertefundament, seine Teamspieler-Qualitäten oder seine Zugewandtheit professionell zu vermitteln. Eine stringente Regierungskommunikation gibt es bis heute nicht. Zum anderen waren in der Corona-Pandemie seine handwerklichen Schwächen in erschreckender Nahaufnahme zu bestaunen: Ein ziemlich wirr zwischen Lockerungen und Lockdown oszillierender Kurs hat vielen Bürgern Angst gemacht. Dieses spontane „auf Sicht fahren“ stieß in der Pandemie erkennbar an Grenzen.
Für Laschet gibt es keinen Weg mehr zurück nach Düsseldorf
Laschets Kanzlerkandidatur zwingt der selbst ernannten „NRW-Koalition“ nun einen Neustart auf. Der ist auch dringend notwendig, denn die Bürger-Zufriedenheit mit Schwarz-Gelb bewegt sich aktuell auf Abwahl-Niveau. Laschet hat sich für eine Zukunft in Berlin entschlossen. Dass er als Wahlverlierer im September mit einer Vollkasko-Versicherung nach Düsseldorf zurückkehren könnte, mag man sich nach dem Debakel seiner Nominierung kaum vorstellen. Die NRW-CDU muss vielmehr ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl endlich ihre personelle und inhaltliche Ausrichtung klären. Ein neuer Landesvorsitzender muss her und der Wechsel in der Staatskanzlei spätestens im Herbst reibungslos vollzogen werden, wenn ein Amtsbonus noch helfen soll.
Vor allem aber muss sich die Landesspitze nach Wochen der Berliner Selbstbeschäftigung endlich wieder aufs „Kerngeschäft“ konzentrieren. Das wäre dringender denn je: die dramatische Lage auf den Intensivstationen, die chaotischen Zustände in den Schulen, die wirtschaftlichen Verheerungen im Mittelstand. Und vieles mehr, das wichtiger wäre als Laschets persönliche Karrierepläne.