Düsseldorf. CDU-Chef Laschet ist ein integrer Politiker. Er vergrößert aber mit kommunikativen und handwerklichen Fehlern die eigenen Probleme.

Der belesene Katholik Armin Laschet kann sämtliche Päpste bis ins tiefe Mittelalter rückwärts aufsagen. Dass er aber einmal einen „Gang nach Canossa“ würde antreten müssen, ahnte der CDU-Chef bis zum Montagnachmittag nicht.

Im Machtkampf mit CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur hatte er sich die Rückendeckung der CDU-Gremien gesichert und sah gar keinen Anlass, anderntags noch einmal in der Bundestagsfraktion der Union um Unterstützung zu bitten. Es wurde eine der dramatischen Fehleinschätzungen des Politikers Laschet, der sich immer wieder mit handwerklichen und kommunikativen Schwächen selbst in die Bredouille bringt. Lesen Sie auch: Armin Laschet: Darum ist die Familie so wichtig für ihn

Team Laschet erkennbar unvorbereitet

Dienstagmorgens eilte Laschet doch noch in die Sitzung, um dem längst angemeldeten Konkurrenten Söder nicht allein das Feld zu überlassen. Dessen Truppen standen, während das Team Laschet erkennbar unvorbereitet stundenlang Kritik und Ablehnung aus den Reihen der Abgeordneten ertragen musste.

Niemand hatte Unterstützung orches­triert, keiner verbat sich diesen Anschlag auf die Autorität des neuen CDU-Vorsitzenden. So etwas wäre einem Helmut Kohl, dem Mann mit Elefantengedächtnis und dickem Telefonbuch, nie passiert.

Ringen um die Kanzlerkandidatur: CDU-Chef Armin Laschet (l.) und der CSU-Vorsitzende Markus Söder.
Ringen um die Kanzlerkandidatur: CDU-Chef Armin Laschet (l.) und der CSU-Vorsitzende Markus Söder. © Getty Images | Pool

Menschlich sympathisch – strategisch ein Problem

„Armin Laschet ist ein Zuhörer, ein Verbinder. Er ist nicht für den Grabenkrieg geeignet“, hat sein Innenminister und langjähriger Freund Herbert Reul einmal gesagt. Was menschlich sympathisch klingt, erweist sich im Kampf um Mehrheiten und Zustimmung inzwischen allzu oft als strategisches Problem.

Laschet tut sich schwer, Debattenlagen vorherzusehen. Er verkündet etwa einen „Brücken-Lockdown“, ohne Vertraute in Kenntnis zu setzen oder vorab Unterstützung zu organisieren. Er schaut sich die Kanzlerin bei „Anne Will“ wie Millionen Deutsche im Fernsehen an, während Söder sofort den Premium-Interviewplatz in den nachfolgenden „Tagesthemen“ reserviert. Auch interessant: Format von Schmidt? Wie Laschet mit seiner Größe kokettiert

Rheinischer Bauchmensch mit vielseitigen Interessen

„Politik ist Organisation“, lautete die Kernthese des SPD-Urgesteins Franz Müntefering. Laschet war jedoch nie ein Mann für Klarsichthüllen und Wochenpläne. Er ist rheinischer Bauchmensch mit vielseitigen Interessen.

Während Söder Umfragen befeuert und Verbündete zusammenrechnet, gibt Laschet der „FAZ“ ein Interview über die Pariser Kathedrale Notre-Dame als „Juwel der Gotik“. Wer ihn persönlich kennenlernt, ist positiv überrascht von der zugewandten Art. Weitere Informationen: Söder und Laschet im offenen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur

Laschet lässt sich auch nach 30 Jahren Politik noch im besten Sinne beeindrucken. Allerdings hat der „Spiegel“-Journalist Markus Feldenkirchen die treffende Beobachtung gemacht, dass der jeweils letzte Gesprächspartner stets den größten Eindruck hinterlasse. Das Ergebnis: Sprunghaftigkeit.

Machtkampf in der Union um die K-Frage spitzt sich abermals zu

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    Rhetorische Unschärfen in zu schrillem Sound

    Laschet ist stolz darauf, „kein Mann der perfekten Inszenierung“ zu sein. Authentizität heißt bei ihm aber auch: Die Krawatte oder die Corona-Maske sitzen schon mal schief, nicht selten entgleisen ihm die Gesichtszüge.

    Obwohl Laschet mal beim Radio gearbeitet hat, leistet er sich häufig rhetorische Unschärfen in zu schrillem Sound. Der Kommunikationsberater Hendrik Wieduwilt attestiert ihm „die Tonlage von überforderten Eltern mit ihren Kindern in der Quengelzone beim Rewe“. Breites Vertrauen in Führungskraft wächst aber nur über Gesten, Botschaften und Symbole.

    Zerrbild vom „Leichtmatrosen“

    Laschet verschafft seinem bösartigen Zerrbild vom „Leichtmatrosen“ ungewollt immer wieder Plausibilität. Zumal er nie ein professionelles Umfeld aufgebaut hat, das seine Schwächen abfedert und unbestreitbare Stärken wie seine Menschlichkeit und Wertgebundenheit betont. Mehr zum Thema: Söder oder Laschet? Die Union muss sich entscheiden

    Nur seinem Staatskanzlei-Chef und „Mastermind“ Nathanael Liminski, bei dem inzwischen viel zu viel zusammenläuft, wird „Bundesliga-Format“ attestiert. Laschet ist keine gut geölte Machtmaschine wie Söder, der einen straff geführten Profi-Stab ab morgens um sechs per SMS delegiert.

    Es rächt sich nun, dass Laschet die professionelle Selbstdarstellungs- und Beratungskunst seines Gewerbes hartnäckig meidet. Mit seinen inzwischen 60 Jahren will er sich nicht mehr ändern: „Ich bin, wie ich bin.“