Dortmund. Die Landeswahlversammlung der FDP sollte ein Zeichen setzen: Dass trotz Pandemie Präsenz-Veranstaltungen möglich seien.
Am Tag, an dem die Wocheninzidenz in NRW wieder dreistellig wurde, veranstaltete die Landes-FDP in Dortmund ein Treffen mit Hunderten Delegierten. In Präsenz wählten die Liberalen am Sonntag ihre Landesliste für die Bundestagswahl. Ein gewagtes Experiment, gesichert allerdings mit Schnelltests, Schleusen und Maskenpflicht.
Der Ordner lässt nicht mit sich reden: „Keine Gruppenbildung, kein Quatschen, gar nichts“, befiehlt er drei Delegierten, die plaudernd und nahe beieinander in der Halle stehen. Diese mal mehr, mal weniger höfliche Weisung wird am Sonntag in den Westfalenhallen immer wieder erneuert, denn der Mensch, auch der liberale, neigt zur Geselligkeit.
Mit Barcode durch die Flure
NRW-FPD-Chef Joachim Stamp nennt das Treffen eine „Versammlung unter besonderen Bedingungen“ und meint: „Demokratie muss stattfinden“, auch in der Pandemie. Dafür, dass das geht, hat die Partei ein aufwändiges Sicherheitskonzept auf die Beine gestellt: Jeder, der rein möchte, muss einen Schnelltest machen und dann, freigetestet, mit einem Barcode auf dem Handy diverse Schleusen durchlaufen.
FFP2-Masken sind Pflicht, die Körpertemperatur der Gäste wird gemessen, und die Ordner kämpfen um Abstand. Raum ist genug da. In Halle 3 hätten locker 1000 Menschen Platz. Knapp 500 sind es inklusive Helfer. Wohl die erste Parteiveranstaltung in NRW dieser Größe, in der sich Delegierte praktisch auf ihren Plätzen festkleben müssen.
FDP-Credo: "Nicht zuerst wieder an Freiheitseinschränkungen denken"
„Wie schön, Sie und Euch mal wieder von Angesicht zu Angesicht zu sehen“, ruft Bundesparteichef Christian Lindner, der wieder für Platz 1 auf der Bundestagsliste kandidiert und anschließend mit 96,9 Prozent der Stimmen ausgestattet wird. Die Liberalen wollen an diesem Wochenende im Ruhrgebiet zeigen, dass sogar jetzt, in der dritten Corona-Welle, „mit intelligenter Logistik demokratisches Leben, aber auch gesellschaftliches Leben für alle“ möglich sein könnte, so Lindner.
Am Tag vor der nächsten Bund-Länder-Runde, die die Corona-Regeln wieder verschärfen dürfte, versuchte die FDP, andere Signale auszusenden: „Die Lage ist kritisch. Wir sehen die Risiken. Aber wir sollten nicht zuerst wieder über Freiheitseinschränkungen diskutieren. Ich warne vor einem pauschalen, fortgesetzten Lockdown“, sagt Lindner. Stattdessen solle das Land auf eine gute Schnelltest-Strategie setzen, beim Impfen „Tempo machen“ und Haus-, Fach-, Betriebsärzte sowie Apotheker zügig in die Impfkampagne einbinden.
USA als Vorbild beim Weg aus der Krise
Joachim Stamp, der Landesparteichef und Vize-Ministerpräsident, riet von „einfachen Antworten“ bei der Pandemiebekämpfung ab. Es gehe inzwischen „um die nackte Existenz von Menschen und ihren Familien.“ Die Liberalen, eigentlich ein verlässlicher Partner der CDU in NRW, hatten in den vergangenen Monaten wiederholt Lockerungen auch für NRW eingefordert, sich aber stets zähneknirschend den Beschlüssen von Bund und Ländern gefügt.
Bei der Pandemiebekämpfung und beim wirtschaftlichen Neustart drohe Deutschland international den Anschluss zu verlieren, fürchtet Lindner. Die USA befänden sich schon im „Startblock für den Sprint“, in Deutschland werde noch immer darüber diskutiert, ob man er Wirtschaft „zusätzliche Mühlsteine um den Hals binden kann“. Der Parteichef erinnerte wie NRW-FDP-Generalsekretär Johannes Vogel, an die Erfolgsgeschichte der Biontec-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin und ihren bemerkenswerten „Aufstieg durch Bildung“.
Kein Besucher Corona-positiv
Christian Lindner, Wahlkreis Rheinisch-Bergischer Kreis, führt die Landesliste der FDP für die Bundestagswahl an. Auf den Plätzen zwei bis fünf sind erneut: Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Düsseldorf, 87,1 Prozent der Stimmen), Alexander Graf Lambsdorff (Bonn, 90,5 Prozent), Marco Buschmann (Gelsenkirchen, 84,9 Prozent) und Johannes Vogel (Olpe/Märkischer Kreis, 83,3 Prozent). Nach der Bundestagswahl 2017 konnte die NRW-FDP 20 Abgeordnete in den Bundestag schicken.
Die Wahlergebnisse waren wenig überraschend, und bei den Schnelltests blieben der FDP Überraschungen erspart: Kein Besucher war Corona-positiv. Nicht selbstverständlich an dem Tag, an dem die Inzidenz in NRW wieder dreistellig wurde.