Düsseldorf. Die Infektionszahlen sinken, die Inzidenz 50 rückt näher: Laschets Koalitionspartner formuliert nun konkrete Öffnungsszenarien.

Angesichts sinkender Corona-Infektionszahlen in Nordrhein-Westfalen wird innerhalb der schwarz-gelben Regierungskoalition von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) immer lauter darüber nachgedacht, wann und wie der gegenwärtige Lockdown enden könnte.

Am Sonntag lag die Inzidenz (Infektionen pro 100.000 Einwohner/Woche) landesweit bei 85. Münster (24,1) und der Kreis Coesfeld (38,5) haben die magische Schwelle von 50, die als Zielmarke aller verschärften Corona-Maßnahmen ausgegeben worden war, bereits unterschritten. Dort müssten die Gesundheitsämter also Infektionswege bereits wieder nachverfolgen können. Mülheim und Paderborn sowie die Kreise Borken, Steinfurt, Rhein-Sieg, Rhein-Erft und Euskirchen nähern sich dem Wert stark an. Einziger NRW-„Hotspot“ mit einer Inzidenz über 200 blieb Hagen.

Winken bei einer Inzidenz von 50 wirklich Lockerungen?

Der aktuelle Lockdown mit Schließung von Schulen, Geschäften und Freizeiteinrichtungen ist nur befristet bis 14. Februar verlängert worden. Und dann? Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat in der „Welt am Sonntag“ eine abermalige Verlängerung der Maßnahmen selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die Inzidenz 50 flächendeckend erreicht werde. Er verwies auf ansteckendere neue Varianten des Corona-Virus, deren Verbreitung in Deutschland verhindert werden müsse.

Auch Laschet, der in der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 für sein Pochen auf Grundrechte bei sinkenden Infektionszahlen als „Lockerer“ scharf kritisiert und in Umfragen abgestraft worden war, äußert sich bislang zurückhaltend. „Vorschnelle Öffnungen, die das Erreichte gefährden könnten, wird es nicht geben“, sagte er vergangene Woche im Landtag.

FDP hat konkrete Öffnungsszenarien entworfen

Bei seinem Koalitionspartner FDP ist man inzwischen bemüht, Bürgern und Unternehmen zumindest einmal eine Perspektive aufzuzeigen. Landtagsfraktionschef Christof Rasche ließ am Wochenende mit einem Positionspapier („Verantwortungsvoll öffnen, maximale Transparenz“) aufhorchen. Darin entwickelt er Öffnungsszenarien ab dem 14. Februar. „Wir benötigen die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“, fordert Rasche. Alle Öffnungen blieben natürlich verbunden mit klaren Hygienekonzepten und abhängig vom Infektionsgeschehen.

In „Phase 1“ schlägt Rasche ab 15. Februar die Öffnung der Grundschulen mit Wechselunterricht vor. Ab 1. März soll dort wieder Normalunterricht beginnen und an weiterführenden Schulen zunächst Wechselunterricht. Darüber hinaus solle man bei Friseuren, in Fitnessstudios, Kultureinrichtungen, Restaurants und im Sportbereich wieder „kontrollierte Kontakte“ zulassen. Ab 15. März könne dann wieder der Einzelhandel öffnen.

Umfrage: Mehrheit der Bürger trägt Corona-Maßnahmen bislang mit

Angesichts einer wachsenden Lockdown-Müdigkeit glaubt Rasche, dass Begegnungen in Öffentlichkeit, Handel und Institutionen alsbald wieder einen kontrollierbaren Rahmen bekommen müssten. „Menschen lassen sich nicht isolieren, Kontakte finden statt“, lautet die ernüchternde Bilanz in dem Positionspapier. Rasche fürchtet, dass die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung stark leidet, wenn der Lockdown mit Verweis auf Virus-Mutationen pauschal über den 14. Februar hinaus verlängert würde. Als Horrorszenario gelten gewaltsame Proteste wie bei den Nachbarn in den Niederlanden, wo sich junge Leute in Straßenschlachten gegen Ausgangssperren wehren.

Die klare Mehrheit der NRW-Bürger trägt die Corona-Maßnahmen bislang jedoch weiter mit. Dem neuen „NRW-Trend“ des WDR zufolge bewerten 53 Prozent der Befragten die Maßnahmen als angemessen, für 18 Prozent gehen sie zu weit. 27 Prozent würden sich sogar ein noch konsequenteres Vorgehen wünschen.

Bislang sind Rasches Öffnungsideen noch nicht von der FDP-Landtagsfraktion beschlossen worden. Bei den Liberalen in NRW scheint jedoch der Druck eher zu wachsen, in der Regierungskoalition wieder „sichtbarer“ zu werden. Zuletzt hatte die FDP einigermaßen klaglos die abrupte Abkehr vom Präsenzunterricht in den Schulen, die monatelang verspäteten Wirtschaftshilfen und das Impf-Chaos mitgetragen.

Laschet, der am Mittwoch erstmals als neuer CDU-Chef am Koalitionsausschuss in Berlin teilnimmt, will sich bislang nicht auf eine klare Exit-Strategie mit festen Inzidenzwerten einlassen. Einen Langzeitplan aus dem Lockdown könne wegen der Unsicherheiten über das mutierte Virus und weitere Impfstoff-Lieferungen niemand bieten, sagte er jüngst im Landtag.