Essen. In NRW sind über 4000 Heimbewohner mit Corona infiziert. Praktiker aus der Region fordern Hilfe für einen besseren Schutz der Senioren.

Angesichts von Corona-Ausbrüchen in Altenheimen fordern Betreiber aus dem Ruhrgebiet einen Strategiewechsel des Landes. Statt eines strengen Lockdowns für die Gesellschaft brauche es mehr Mittel und Unterstützung für Pflegeheime, um gefährdete Gruppen vor Ort zu schützen, sagen Mitglieder der Ruhrgebietskonferenz Pflege.

„Wenn wir das Virus einmal in einer Einrichtung haben, verbreitet es sich sehr schnell“, mahnt Silke Gerling, Sprecherin der Initiative und Geschäftsbereichsleiterin im Diakoniewerk Essen. Ziel müsse sein, das Virus aus den Einrichtungen zu halten.

Forderung: Ansprechpartner und Tester vor jedem Heim

Konkret fordern die über 70 Unternehmen der regionalen Arbeitgeberinitiative Unterstützung im Umgang mit Besuchern. Jeder Besucher müsse vor jedem Besuch angesprochen, über Hygieneregeln aufgeklärt und auf eine Infektion getestet werden, so der Appell. Gerade eine tägliche Testung sei mit eigenem Personal aber nicht zu stemmen, sagt Roland Weigel, einer der Sprecher der Pflege-Konferenz.

"Es muss im Interesse des Landes sein, dass für die Heime mehr Unterstützung organisiert wird, damit vor jeder stationären Einrichtung jemand steht, der Besucher empfängt, aufklärt und testet", so Weigel. „Je mehr wir testen, umso weniger positive Fälle gehen uns durch die Lappen."

Über 4000 akute Infektionen in NRW-Pflegeheimen und knapp 3800 Todesfälle

Hilfe sei etwa über die Bundeswehr oder die Hilfsorganisationen zu erwarten. Letztere waren nach Anstoß des Landes schon während der Feiertage im Testeinsatz. Dies müsse aber zentral verfügt und vor Ort in den Kommunen gemeinsam organisiert werden, so Weigel.

Derzeit dürfen Heimbetreiber Besuchern, die einen Corona-Schnelltest ablehnen, zwar den Zugang verwehren. Tests im Tagesrhythmus sind aber nicht vorgeschrieben. FFP2-Masken sind für Besucher obligatorisch.

NRW zählt derzeit 4.125 Infektionen unter den 170.000 Pflegeheimbewohnern, vor einem Monat waren es 4.375. Die Zahl der Todesfälle im Zusammengang mit Corona ist massiv angestiegen - von 1.897 Mitte Dezember auf aktuell 3.771 seit Beginn der Pandemie. Erst am Donnerstag ist ein Corona-Ausbruch in einem Pflegeheim in Oberhausen mit über 50 Infektionen bekannt geworden. Die Heimleitung führte dies auf den regen, vom Land erlaubten Besuchsverkehr an den Feiertagen zurück. Betreiber hatten wiederholt an Angehörige appelliert, jeden Besuch genau abzuwägen.

Pflege-Praktiker vor Ort: Vorsicht und Rücksichtnahme der Besucher haben abgenommen

Das Verhalten der Angehörigen habe sich geändert habe, beobachten die Praktiker. Seien Mahnungen zur Vorsicht und Rücksichtnahme im Frühjahr noch angenommen worden, würden nun andere Erfahrungen gemacht, sagt Ulrike Arentz, Leiterin der Diakoniestationen im Kreis Recklinghausen. Das sei gerade an den Feiertagen zu sehen gewesen: „Die Leute haben uns trotz der Appelle in der Adventszeit und gerade über Weihnachten die Bude eingerannt."

Kommt es in einem Altenheim zum Corona-Ausbruch, dürfen Besuche gestoppt werden. Ein generelles Besuchsverbot lehnen Heimbetreiber in der Ruhrgebietskonferenz indes ab.

Heime als dezentrale Impfzentren

Bislang haben rund 80 Prozent der Altenheimbewohner ihre erste Coronaschutzimpfung erhalten. Bei der Impfung Hochbetagter, die zu Hause leben und noch mobil sind, sieht die Pflege-Konferenz ebenfalls Nachbesserungsbedarf.

Statt diese bei einer Virusinfektion besonders gefährdeten Menschen wie geplant zum zentralen Impfzentren einer Stadt zu rufen, sollten quartiersnahe Lösungen gefunden und ambulante Pflegedienste eingebunden werden, fordern die Praktiker.

Sie schlagen vor, die Pflegeheimen als dezentrale Impfstandorte zu nutzen, zu denen mobile Hochbetagte kommen könnten. Die Logistik stehe, Erfahrungen seien gesammelt, die Zusammenarbeit mit mobilen Impfteams sei eingespielt. Ambulante Dienste könnten zu Impfende zudem schneller über ihre Kundendateien erreichen und auch bei späteren Impfungen bettlägeriger Menschen zu Hause helfen.

Hoffnung: Hürden abbauen, Wege kürzer halten, Ängste nehmen

Auf solchen Wegen, so die Hoffnung, könnten praktische Hürden und Ängste abgebaut werden. Silke Gerling vom Diakonische Werk berichtet von einer älteren Frau, die auf den Rollator und eine stets nahegelegene Toilette angewiesen ist. "Sie ist in großer Sorge gewesen, wie sie den Weg zum zentralen Impfzentrum schaffen soll."

Städte, denen diese Idee bislang vorgetragen wurde, hätten indes abgewinkt.