Düsseldorf. Sechs Stunden Kernbetreuung, Schichtbetrieb im Tages- oder Wochenwechsel: Eltern von Gesamtschülern sind sich sicher: Das funktioniert.
Kurz vor dem „Schulgipfel“ von SPD und Grünen hat am Dienstag die Landeselternschaft der integrierten Schulen in NRW (LeiS) ein eigenes „Konzept für Schule unter Corona-Bedingungen“ vorgestellt. Die Eltern halten Schichtmodelle für den Unterricht vielerorts für zwingend erforderlich, um Klassen in Corona-Hotspots verkleinern zu können.
Der Verband fordert die NRW-Landesregierung außerdem auf, zu respektieren, dass Schulen eigene Konzepte für den Infektionsschutz in die Tat umsetzen. LEiS NRW versteht sich vor allem als Stimme der Elternschaften von Gesamt-, Sekundar- und Gemeinschaftsschulen, glaubt aber, dass sein Konzept gut auf andere Schulformen übertragbar wäre.
Ralf Radke: "Nicht-Einigung von Bund und Ländern ist für viele Eltern unerträglich"
Dass sich am Montag Bund und Länder noch nicht auf konkrete Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens an Schulen einigen konnten , ist aus der Sicht des LeiS-Vorsitzenden Ralf Radke „für viele Eltern unerträglich“. Der Verband kritisiert scharf, dass die Länder monatelang nicht einmal den Versuch unternommen hätten, die Voraussetzungen für das Teilen von Klassen zu schaffen. Zum Beispiel mit der Einstellung von Studierenden für die Schülerbetreuung, mit der Suche nach zusätzlichen Räumen und der möglichst flächendeckenden digitalen Ausstattung.
Ist Schule in der Pandemie in diesem Herbst dennoch sicher zu organisieren? Die Eltern glauben, dass das geht. Hier wichtige Eckpunkte ihres Konzepts:
Schichtmodelle und neue Lern-Orte in den Schulen
- Eltern sollen in einer Kernzeit durch Schule und begleitende Betreuungsangebote bei
jüngeren Kinder 6 Stunden ihrer Berufstätigkeit nachgehen können.
- Alle Schulkinder gehen regelmäßig zur Schule und behalten einen Lern- und Arbeitsrhythmus.
- Die Klassengrößen werden aber halbiert und Abstandsregeln eingehalten. Ältere Schüler könnten eher im Distanzunterricht lernen als jüngere Kinder.
- Schülern, die aus unterschiedlichen Gründen nicht zu Hause lernen können, werden von
der Schule Arbeits-/Studienplätze mit erforderlichen Abstandsregeln zur Verfügung gestellt. Die Räume dafür seien in der Regel schon vorhanden, zum Beispiel Aulen, Mensen, Schulbibliotheken oder Sporthallen.
- Drei Schichtmodelle für den Unterricht schlägt der Verband vor: Eine "A-B--Woche" (ein Teil der Lerngruppe lernt in der Schule, ein Teil daheim, nach einer Woche Wechsel), "A-B-Tage" (Wechsel von Tag zu Tag) und "A-B-Schulen" (Wechsel zwischen Unterrichts vormittags und nachmittags).
- Distanzlernen funktiere gegebenenfalls auch ohne Laptop oder Tablet.
Einschätzungen der Landesregierung, solche Modelle seien unmöglich, weil Räume und Lehrer fehlten, kontert Sava Stomporowski aus dem LEiS-Vorstand so: "Es ist der Job des Schulministeriums zu sagen, was möglich ist und nicht, was aus seiner Sicht unmöglich ist." Die Entwicklung der Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen zeige, dass Teile der Politik der Gesellschaft monatelang eine "große Lüge" aufgetischt hätten, indem die Ansteckungsgefahren in Schulen und Kitas runtergeredet worden seien, so Stomporowski.
Erhard Schoppengerd, Leiter einer Duisburger Gesamtschule, forderte die Landesregierung auf, den Schulen individuelle Konzepte für einen sicheren Schulbetrieb zu gestatten, ohne ihnen dabei Hindernisse in den Weg zu stellen. Der Verband LEiS kritisiert den harschen Umgang der Landesregierung mit dem so genannten "Solinger Modell" zur Aufteilung in Distanz- und Präsenzunterricht.
LEiS-Vorsitzender Ralf Radke und seine Vorstandskollegin Stephanie Helder-Notzon setzen Hoffnungen in den virtuellen Schulgipfel, zu dem SPD und Grüne für Dienstag eingeladen haben: "Wir erwarten, dass es dort einen Schulterschluss gibt für einen sicheren Schulbetrieb."
Vize-Ministerpräsident Stamp hält Klassenteilungen für "naiv"
Der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Joachim Stamp hatte sich zuvor vehement gegen Klassenteilungen zur Pandemie-Bekämpfung ausgesprochen. "Es ist doch eine naive Vorstellung zu glauben, ich kann mal einfach eine Klasse teilen", sagte der FDP-Familienminister im ZDF-"heute-journal" am Montagabend. Die Landesregierung stehe in engem Austausch mit Kinderärzten und -psychologen. Von ihnen komme der dringende Rat, am Präsenzunterricht festzuhalten.
«Sie können nicht einfach sagen, wir machen jetzt mal halbe Klassen. Sie brauchen dann im Grunde genommen fast das Doppelte an Lehrerinnen und Lehrern, die wir nicht haben», argumentierte Stamp zudem. ZDF-Moderator Claus Kleber widersprach: Nötig seien vor allem die digitalen Voraussetzungen - und führte das vielbeachtete, aber von der NRW-Regierung untersagte "Solinger Modell" an. (mit dpa)