Düsseldorf. Städtetag klagt, dass die Landesregierung in der Umsetzung der Grundsteuerreform nicht vorankommt. Landtags-SPD: “Die Zeit läuft ab.“

Ein Jahr nach der Grundsteuer-Reform von Bundestag und Bundesrat hat der NRW-Städtetag die weiterhin fehlende Umsetzung durch die Landesregierung beklagt. „Die Städte tappen immer noch im Dunkeln, welches Steuermodell und welchen konkreten Weg das Land bei der Umsetzung der Grundsteuerreform gehen will“, kritisierte Städtetags-Geschäftsführer Helmut Dedy gegenüber unserer Redaktion. Die Kommunen wüssten bis heute nicht, ob das Bundesgesetz zur Grundsteuer oder eine davon abweichende landesgesetzliche Neuregelung gelten werde.

Verzögerungstaktik der Landesregierung

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Auch die SPD-Opposition im Landtag erhöht in der Grundsteuer-Frage den Druck auf die Landesregierung. „Während alle anderen großen Flächenländer entweder erklärt haben, das Bundesmodell bei der Grundsteuer anzuwenden oder inzwischen eigene Vorschläge vorgelegt habe, prüft die Landesregierung noch“, sagte Vize-Fraktionschef Michael Hübner dieser Zeitung. Die Verzögerungstaktik der Landesregierung schade Mietern, Eigentümern und insbesondere den Städten und Gemeinden, die ab 2025 die neue Grundsteuer erheben müssten. Hübner: „Egal bei welchem Modell muss vor Ort für Akzeptanz gesorgt werden. Hierfür läuft langsam die Zeit ab.“

Gezahlt wird die Grundsteuer von allen

Auf Druck des Bundesverfassungsgerichts müssen bis Ende 2024 die veralteten Bewertungsgrundlagen von Millionen Grundstücken angepasst werden. Gezahlt wird die Grundsteuer von allen Hausbesitzern ebenso wie von Mietern, die sie über die Nebenkosten in Rechnung gestellt bekommen. Bürger in NRW zahlen im bundesweiten Vergleich die im Schnitt mit Abstand höchste Grundsteuer. Nur in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen fällt die Abgabe auf Wohnflächen noch höher aus. Für die NRW-Kommunen ist sie mit einem Aufkommen von rund 3,8 Milliarden Euro pro Jahr indes eine der wichtigsten Einnahmequellen.

Umstrittenes Bundesmodell

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Bund und Länder hatten sich Ende 2019 auf ein neues Modell verständigt, das zur besseren Bewertung der Grundstücke nach Gebäudetyp, -alter und Wohnfläche differenziert und eine stadtweite Durchschnittsmiete berücksichtigt. Die neue Grundsteuer-Bemessungsgrundlage ist jedoch nicht unumstritten, da der tatsächliche Lagewert innerhalb einer Stadt künftig nicht angemessen in die Bewertung einfließe. So könnte in Kommunen mit örtlich sehr unterschiedlicher Nachfrage einige Grundstücke zu hoch und andere zu niedrig bewertet werden. Eine Modellrechnung der Hamburger Stadtbehörde hatte Ende 2019 ergeben, dass die Reform nach dem Bundesmodell vor allem bei älteren Gebäuden und Einfamilienhäusern zu spürbaren Mehrbelastungen für Hausbesitzer und Mieter führen könne.

Öffnungsklausel

Anders als NRW haben die meisten anderen Länder längst entschieden oder zumindest erkennen lassen, ob sie von der Bundesregelung abweichen wollen. Wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine aktuelle Anfrage der SPD hervorgeht, wollen Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Hamburg die Öffnungsklausel nutzen und eigene Grundsteuer-Modelle einführen. Niedersachsen strebt ein Lagemodell an. Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen votieren für die Bundesregelung. Noch offen ist die Entscheidung demnach nur noch in NRW, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.

Finanzminister widerspricht dem Eindruck der Untätigkeit

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„Wir befürchten, dass bisher in der Finanzverwaltung des Landes noch sehr wenig passiert ist“, sagte Dedy. Die Kommunen würden in NRW unzureichend eingebunden. Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) widersprach dem Eindruck der Untätigkeit: „Ob - und falls ja - in welcher Form in Nordrhein-Westfalen von der Länderöffnungsklausel Gebrauch gemacht und von den Bundesregelungen zur Grundsteuer abgewichen werden soll, wird derzeit sorgfältig geprüft“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion. Unabhängig von der Entscheidung, welches Modell umgesetzt werde, habe die Finanzverwaltung bereits begonnen, zusätzliches Personal für die Grundsteuerreform einzustellen.

300 neue Mitarbeiter

Nach Information dieser Zeitung stellte das Land zu diesem Zweck in diesem und im vergangenen Jahr jeweils 100 Mitarbeiter neu ein, 2021 sind weitere 100 Neueinstellungen geplant. „Selbst wenn die Landesregierung inzwischen Personal eingestellt hat, so hat sie keinen Fahrplan, in welche Richtung dieses Arbeiten soll“, betonte SPD-Mann Hübner.

Bund der Steuerzahler kritisiert "Bürokratiemonster"

Der Bund der Steuerzahler NRW hat die Grundsteuer-Erhebung nach dem Bundesmodell unterdessen erneut scharf kritisiert. Das so genannte Ertragswert-Verfahren sei extrem verwaltungsaufwendig und führe automatisch zu regelmäßigen Steuererhöhungen. „Dieses Bürokratiemonster belastet die Verwaltungen und die Bürger“, kritisierte NRW-BdSt-Chef Rik Steinheuer.

Lesen Sie hier den Kommentar zum Thema von Michael Kohlstadt.