Essen. . In der Debatte um die Reform der Grundsteuer gerät die NRW-Landesregierung unter Druck. Nicht nur die Grünen fordern Klarheit für die Bürger.
Nach der Grundsatzentscheidung des Bundeskabinetts zur umstrittenen Grundsteuerreform steigt der Druck auf die NRW-Landesregierung, endlich Klarheit für Mieter, Hausbesitzer und die Städte in NRW zu schaffen.
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„Ich empfinde es als befremdlich, dass sich die Landesregierung beim Thema Grundsteuer komplett heraushält. Die Bürger und Kommunen haben einen Anspruch darauf zu erfahren, wie sich die Grundsteuer weiterentwickelt“, sagte der Co-Vorsitzende der NRW-Grünen, Felix Banaszak, der WAZ. Gerade die Städte und Gemeinden in NRW seien „sehr stark“ auf die Einnahmen aus der Grundsteuer angewiesen – insbesondere im Ruhrgebiet und im bergischen Land. Ein Wegfall der Grundsteuer-Einnahmen hätte katastrophale Folgen für Städte und Gemeinden. Banaszak: „Ausgerechnet aber der NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper schweigt sich aus.“
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Auch der Steuerzahlerbund NRW (BdSt) dringt auf eine schnelle Lösung. Ganz im Gegensatz zu den NRW-Grünen hält der Verband aber nichts vom Mietwert-Modell des Bundesfinanzministers. „Das Land muss dringend die Öffnungsklausel bei der Reform der Grundsteuer nutzen und eine eigene und unbürokratische Regelung beschließen“, sagte BdSt-Vorstandsmitglied Rik Steinheuer. Nötig sei eine einfache und rechtssichere Erhebung der Grundsteuer, die außerdem stabile Wohnkosten für Mieter und Eigentümer garantiere. Mehrbelastungen für die Bürger müssten verhindert werden. NRW sei schon heute das Land mit den bundesweit höchsten kommunalen Hebesätzen.
Öffnungsklausel für die Bundesländer
Nach dem Modell von Bundesfinanzminister Olaf Scholz soll für die künftige Berechnung der Grundsteuer neben dem Boden- auch der durchschnittliche Mietwert einer Immobilie ermittelt werden. Das lehnt der BdSt als „bürokratisches Monstrum“ ab und plädiert für ein einfaches Flächenmodell. Das Scholz-Modell werde die Wohnkosten in Deutschland weiter in die Höhe treiben, falls die Länder nicht gegensteuerten, sagte Steinheuer. Auf Druck Bayerns sieht der in der vergangenen Woche erzielte Bund-Länder-Kompromiss allerdings ausdrücklich eine Öffnungsklausel für die Bundesländer vor. Die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf hat sich aber bislang noch nicht geäußert, zu welchem Modell sie tendiert.
NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) scheut seit Monaten eine klare Aussage darüber, nach welchem Modell die Kommunalabgabe in NRW künftig berechnet werden soll. Ziel bleibe es, die Grundsteuer rechtssicher, administrierbar, fair und aufkommensneutral auszugestalten, teilte Lienenkämper lediglich auf Anfrage der WAZ als Reaktion auf die Bund-Länder-Einigung mit. Abzuwarten bleibe aber das Gesetzgebungsverfahren in Bundestag und Bundesrat, so Lienenkämper.
FDP gegen Scholz-Modell
Deutlicher wird der liberale Koalitionspartner. „Das Scholz-Modell ist unnötig bürokratisch und damit zugleich teuer wie klageanfällig“, sagte FDP-Vizefraktionschef Ralf Witzel der WAZ. „Wenn unser Land frei sein sollte, alternativ ein eigenes Modell zu entwickeln, findet die NRW-Koalition sicherlich eine bessere Lösung für Kommunen und Steuerzahler.“
Noch weitaus unübersichtlicher als in NRW ist die Gefechtslage in Sachen Grundsteuer freilich in Berlin. Um die Grundsteuerreform mitsamt der vom bayrischen Ministerpräsidenten Söder (CSU) durchgesetzten Öffnungsklausel für die Länder durch Bundestag und -rat zu bekommen, ist die GroKo aus Union und SPD zwingend auf die Stimmen von FDP und Grünen angewiesen. Beobachter gehen daher davon aus, dass die Öffnungsklausel am Ende wieder gekippt werden könnte.
Unklar ist auch, ob sich die Städte nach der Reform an die von Bundesfinanzminister Scholz eingeforderte Anpassung der Hebesätze halten oder den Umbau der Grundsteuer nutzen, die Einnahmen aus der Kommunalabgabe zu erhöhen. Der Eigentümerverband Haus & Grund hat mehr als 1600 Bürgermeister in Kommunen mit über 10.000 Einwohnern angeschrieben und gefragt, ob sie den Hebesatz der Grundsteuer nach einer Reform so anpassen werden, dass das Grundsteueraufkommen innerhalb der Gemeinde in etwa gleich bleibt.
Verunsicherte Kommunen
Aus nur 22 Prozent der bislang vorliegenden 619 Antworten gehe hervor, dass die Kommunen eine solche Anpassung vornehmen und damit die Aufkommensneutralität sichern wollten, teilte der Verband am Donnerstag mit. 63 Prozent wüssten hingegen nicht, wie sie im Falle einer Reform reagieren würden. „Das ist ein deutlicher Beleg für die Verunsicherung der Kommunen“, sagte Verbandspräsident Kai Warneck.
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Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom April 2018 muss das Gesetzesverfahren für die Reform bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein. Andernfalls dürfen die Städte ab Januar 2020 keine Grundsteuer mehr erheben. Mit einem durchschnittlichen Anteil von rund 15 Prozent an den Etats gehört die Grundsteuer zu den wichtigsten kommunalen Einnahmequellen.