Düsseldorf. NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) warnt vor einem Scheitern der Gartenausstellung und ermahnt die Städte zur Zusammenarbeit.

NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) warnt im Interview mit dieser Redaktion vor einem möglichen Scheitern der Internationalen Gartenausstellung (IGA 2027) im Ruhrgebiet. Das prestigeträchtige Projekt soll die Region ähnlich inspirieren wie einst die Kulturhauptstadt im Jahr 2010. Aber laut Scharrenbach droht ein „IGA-Flop“, weil die Städte sich ihrer Meinung nach nicht genügend darum kümmern. „Es wird knapp“, sagte die Ministerin dieser Redaktion. Seit Längerem gebe es keine Anträge für IGA-Projekte mehr. Nur Dortmund treibe seine Initiativen für diese Ausstellung engagiert voran.

„Jetzt wird es eng. Die Umsetzung von Projektideen braucht lange Zeit, in gut sechs Jahren geht es aber schon los. Es gibt zwar eine IGA-Gründungsgesellschaft, aber am Ende des Tages müssen auch Anträge eingehen“, sagte Scharrenbach. Eine erfolgreiche Gartenausstellung wäre sehr wichtig für die Region Ruhrgebiet. Es reiche aber nicht, „eine Idee ins Schaufenster zu stellen.“

Eine IGA gibt es in Deutschland nur alle zehn Jahre. 2017 war Berlin Schauplatz dieser Leistungsschau des Garten- und Landschaftsbaus.

„Das Ruhrgebiet könnte eine Metropole sein“

Im Interview kritisiert die Ministerin außerdem das Kirchturmdenken im Revier. Das Ruhrgebiet rede viel über sich als Metropole, mache aber zu wenig, um eine zu sein, findet Scharrenbach. 

Frau Scharrenbach, erstmals konnten die Bürger die RVR-Verbandsversammlung, das „Ruhrparlament“, direkt wählen. Welche Erwartungen knüpfen Sie daran?

Scharrenbach: Ich hoffe, dass diese Direktwahl den RVR aus seiner Schwäche führt. Die Regionalplanung war bisher desaströs. Das muss schnell korrigiert werden. Ohne soliden Regionalplan hat das Ruhrgebiet keine Zukunft.

Das Ruhrparlament ist vielen Bürgern noch unbekannt. Kann es dennoch etwas bewegen?

Scharrenbach: Wenn die direkt gewählte Verbandsversammlung jetzt klare Prioritäten setzt, dann ja. Es heißt ja immer, das Ruhrgebiet sei eine Metropolregion wie Berlin, München oder Paris. Wenn man das sagt, dann muss man das auch ausfüllen. Das Revier könnte eine Metropole sein. Aber es traut sich nicht, seine Stärken herauszustellen. Wir haben zum Beispiel hier die dichteste Hochschulregion Europas und renommierte Forschungsinstitute. Eines der Highlights ist das Internationale Zentrum für Geothermie in Bochum. Aber das kennt kaum einer. Wenn das Fraunhofer-Institut Geothermie ins Rheinische Revier geht, spricht jeder darüber. Über die Geothermie-Expertise im Ruhrgebiet leider nicht.

Image-Kampagnen für das Revier gab es reichlich...

Scharrenbach: Das Ruhrgebiet braucht keine Kampagnen, sondern Zusammenarbeit. So sollten sich die Hochschulen noch enger zusammenschließen. Gutes Beispiel für Kooperation ist im Rahmen der Ruhrkonferenz die „Ruhr-Academy“ mit Standorten in Dortmund, Duisburg, Essen und Bochum. Hier wird gezeigt, wie moderne Stadtentwicklung geht, und alle Beteiligten beschäftigen sich mit Mobilität. Warum stellen sich das Ruhrparlament und der RVR nicht selbst der Herausforderung, die U- und S-Bahn-Verbindungen zwischen den Städten besser zu machen, damit man problemlos von Oberhausen bis Dortmund fahren kann? Viel ist derzeit von Seilbahnen die Rede. Aber wenn, müsste es ein Seilbahnkonzept für das Ruhrgebiet gehen und keines, das an Stadtgrenzen aufhört.

Die Städte wollen offenbar dem RVR keine Aufgaben übertragen.

Scharrenbach: Der Verband kann doch selbst aktiv werden und Zusammenarbeit fordern. Wenn man nie anfängt, kommt man nie zum Ziel. Warum gibt es keine Forschungsprojekte zusammen mit dem Geothermie-Zentrum, um den Untergrund im Ruhrgebiet erkunden zu lassen? In München wurde ein Vorzeige-Wohnviertel über Geothermie erschlossen. Aber auch das begann mit der systematischen Erkundung des Untergrunds. Wir sehen zum Beispiel bei dem Förderprojekt des Bundes „Smart City“ vier Einzelbewerbungen von Revierstädten. Warum haben die nicht eine Bewerbung eingereicht? Jeder versucht für sich, das Rad neu zu erfinden.

Brauchen wir eine große Revier-Universität?

Scharrenbach: Zumindest ein gemeinsames Dach für die Universitäten. Biete ich Studierenden eine Plattform mit allen Infos über das Studieren im Revier, oder verlange ich von Studierenden aus aller Welt, dass sie sich bei jeder einzelnen Uni oder Fachhochschule informieren müssen? Wir brauchen keine Zusammenlegung von Unis, ein einheitlicher Auftritt würde schon helfen.

Sollten sich einzelne Städte enger zusammenschließen?

Scharrenbach: 53 Städte und Gemeinden unter einen Hut zu bekommen, ist schwer. Wir könnten aber mit kleineren Zusammenschlüssen --„Regiopolen“ – in der Metropole anfangen. Zwei Städte und ein Landkreis, zum Beispiel, die sich eng abstimmen. Potenzial zur Zusammenarbeit gibt es bei Mobilität, Energie, Bildung und Ausbildung, bei modernen Wohnquartieren. Fördermittel sind da. Man muss das nur wollen.

Wie stehen die Vorbereitungen auf die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027?

Scharrenbach: Es wird knapp, und das bereitet mir große Sorgen. Wir haben im Städtebau-Förderjahr 2020 keinen Antrag für IGA-Projekte gesehen. Die Frist für das Förderjahr 2021 ist gerade abgelaufen: Wieder kein angemeldetes IGA-Projekt. Jetzt wird es eng. Die Umsetzung von Projektideen braucht lange Zeit, in gut sechs Jahren geht es aber schon los mit der IGA. Es gibt zwar eine IGA-Gründungsgesellschaft, aber am Ende des Tages müssen auch Anträge eingehen.

Sind bei der IGA alle im Zeitverzug?

​Scharrenbach: Nein. Smart Rhino in Dortmund ist ein gutes Beispiel. Mit den Akteuren dort sind wir im Dauerkontakt. Die Stiftung Industriedenkmalgeschichte ist mit der Kokerei Hansa auf einem guten Weg. Dortmund ist relativ weit bei den Vorbereitungen. Aus anderen Städten höre ich leider nicht viel.

Droht ein IGA-Flop?

Scharrenbach: Wenn es so weiter geht, ja. Ich hoffe sehr auf einen Erfolg. Er wäre wichtig für das Ruhrgebiet. Aber es reicht nicht, eine Idee ins Schaufenster zu stellen.


Das Ruhrgebiet ist ganz aus der Mieterschutzverordnung rausgefallen, Mieterschützer laufen Sturm dagegen. Warum erhöhen Sie den Druck auf Mieter?

Scharrenbach: Das mache ich nicht. Es geht immer um die Frage, ob in einer Region der Wohnungsmarkt angespannt ist oder nicht. Im Ruhrgebiet ist das nicht der Fall, In Hagen gibt es sogar ein Wohnungs-Überangebot. Außerdem gilt überall in Deutschland ein bundesgesetzlicher Grundschutz: Drei Jahre Kündigungsschutz, Erhöhung von Bestandsmieten um höchstens 15 Prozent in drei Jahren.

Im Ruhrgebiet gibt es aber Quartiere mit angespanntem Wohnungsmarkt, vor allem südlich des „Sozialäquators“ A 40.

Scharrenbach:​ Dennoch muss immer die ganze Kommune betrachtet werden, nicht einzelne Quartiere. Bereiche in Kommunen mit sozialem Gefälle sind Ergebnis einer jahrzehntelangen kommunalpolitischen Fehlsteuerung. Die Kommunen könnten sehr wohl mietpreisgebundenen Wohnungsbau in „besseren“ Quartieren betreiben. Sie fürchten aber die Reaktion in der Stadtgesellschaft, wenn Menschen mit kleinem Einkommen zu Menschen mit mittleren und hohen Einkommen ziehen.

Zur Person: Einflussreiche CDU-Politikerin

Ina Scharrenbach (44 Jahre, CDU-Bezirk Ruhr) wohnt in Kamen und ist seit 2017 NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung. Sie führt die Frauen-Union in NRW und brachte 2016 als Obfrau im Untersuchungsausschuss die rot-grüne Vorgängerregierung bei der Aufklärung der Kölner Silvesternacht in schwere Bedrängnis. Viele trauen ihr weitere Sprünge auf der Karriereleiter zu.