Münster. Erneut haben die NRW-Landesregierung und die Regierungsfraktionen von CDU und FDP eine juristische Niederlage einstecken müssen.
Die schwarz-gelbe Landesregierung hat erneut vor dem NRW-Verfassungsgericht eine Niederlage einstecken müssen. Die Richter stellten am Dienstag fest, dass die Rechte der Abgeordneten von SPD und Grünen im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur „Hacker-Affäre“ von der Mehrheit aus CDU und FDP zu Unrecht eingeschränkt worden waren.
Die Vertreter von SPD und Grünen hatten im U-Ausschuss Informationen über Verbindungsdaten der Diensttelefone von NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) beantragt. Die Vertreter der Regierungsfraktionen hatten dies abgelehnt, unter anderem mit der Begründung, die Herausgabe der Daten verstoße gegen das Fernmeldegeheimnis. Die Ablehnung geschah teilweise zu Unrecht, wie die Verfassungsrichter feststellten.
Recht auf Herausgabe von Beweisen aus der "dienstlichen Sphäre" des Ministers
Grundsätzlich dürfe eine Minderheit im U-Ausschuss die Herausgabe von Beweismitteln fordern, die sich im „Herrschaftsbereich des Adressaten“ befinden, erklärte Verfassungsgerichtspräsidentin Ricarda Brandts. Zumal es sich um Informationen aus der „dienstlichen Sphäre“ des Ministers und nicht aus der Privatsphäre handele. Einen Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis erkennt das Gericht nicht. Minister Biesenbach hatte sein Privathandy auch für dienstliche Gespräche genutzt. Zu Recht abgelehnt habe die Ausschussmehrheit dagegen die Forderung von SPD und Grünen, die Regierung möge Verbindungsdaten, die ihr nicht mehr vorlagen, bei den Providern abfragen.
Verdacht: Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaft
SPD und Grüne vermuten, Peter Biesenbach könnte am 29. März 2018 mit Anrufen einen Oberstaatsanwalt unter Druck gesetzt haben, der die „Hacker-Affäre“ aufklären sollte und an diesem Tag auf dem Hof der Familie der damaligen NRW-Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU) ermittelte. Der Minister bestreitet, seine Position als Regierungsmitglied ausgenutzt und Einfluss auf die Ermittlungen genommen zu haben, um seine Kabinettskollegin Schulze Föcking zu schützen. Er habe zwar den Staatsanwalt am 29. März angerufen, aber nicht gewusst, dass dieser an diesem Tag im Haus der Ministerin war.
Ende März 2018 galt es bereits als sicher, dass es keinen Hackerangriff auf das Heim-Netzwerk der Ministerin gab. Die angebliche „Attacke“ stellte sich als Bedienfehler eines Familienmitgliedes heraus. Dennoch wurde noch wochenlang weiter ermittelt.
Peter Biesenbach sagte nach dem Urteil auf Nachfrage dieser Redaktion: „Ich war stets bereit, alle mir zur Verfügung stehenden Verbindungsdaten dem Untersuchungsausschuss zugängig zu machen. Dies habe ich auch vor Wochen in einem Erörterungstermin vor dem Verfassungsgerichtshof mitgeteilt." Er erwarte nun ein entsprechendes Anforderungsschreiben des U-Ausschusses.
Opposition feiert das Urteil
Die Opposition feierte das Urteil. „Die heutige Entscheidung ist mittlerweile die dritte Niederlage dieser Landesregierung vor dem Verfassungsgericht. Der Verfassungsgerichtshof hat damit CDU und FDP eine erneute Lektion im Parlamentsrecht erteilt. Es ist peinlich, dass CDU und FDP sich in ihrem offensichtlich rechtswidrigen Verhalten nur noch durch das höchste Gericht in NRW stoppen lassen“, sagte SPD-Fraktionsvize Christian Dahm. Die Regierungsfraktionen könnten den Justizminister nun „nicht mehr mit unlauteren Mitteln in Schutz nehmen“ und müssten aufhören, „die Aufklärungsarbeit des Ausschusses zu behindern.“
Norwich Rüße (Grüne) sieht das Minderheitsrecht in Untersuchungsausschüssen nun gestärkt. „Die unrechtmäßige Ablehnung der Anträge spiegelt das destruktive Verhalten der Regierungsfraktionen im U-Ausschuss wider“, so Rüße.
Die Opposition forderte Biesenbach auf, sein Versprechen, die Telefondaten herauszugeben, schnell in die Tat umzusetzen.
Lehne (CDU): Kein Grund für Triumphgeheul
Olaf Lehne, Sprecher der CDU im U-Ausschuss "Hacker-Affäre", sagte das "Triumphgeheul" von SPD und Grünen sei fehl am Platze. „Nur formal ging es bei der Klage vor dem Verfassungsgerichtshof um die Handydaten des Justizministers. Peter Biesenbach hat sie dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Vorfeld längst in Aussicht gestellt.
Dass SPD und Grüne überhaupt geklagt und dann ihre Klage aufrechterhalten haben, zeigt, dass es ihnen nie um Aufklärungsarbeit im Landtag ging", so Lehne. Das Gericht habe SPD und Grünen jetzt erklärt, wie sie ihren Antrag im Landtag rechtlich sauber hätten formulieren müssen und für welchen Zeitraum der Handyverbindungsdaten. Lehne: "Wir haben der Opposition im Ausschuss und in Obleute-Runden dazu im Vorfeld mehrfach die Gelegenheit gegeben. Einem korrekten Antrag hätten wir zugestimmt, ein Gericht hätte man hierzu nie bemühen müssen.“