Düsseldorf. Eine Schnupfennase reicht für einen Ausschluss von der Kita-Betreuung. Kinderärzte kritisieren das. Sie fürchten einen “Kollaps der Eltern“.

Kinderärzte und betroffene Eltern kritisieren die strikten Regeln, wonach Kinder bereits mit einer Schnupfennase nicht in die Kita dürfen. Das sei völlig praxisfremd. Edwin Ackermann vom Verband der Kinder- und Jugendärzte NRW befürchtet, die jetzige Regelung werde im Herbst „zu einem Kollaps der Eltern und unsäglichen Praxisorganisationsproblemen führen“. Kinder würden völlig sinnlos laufend aus der Betreuung heraus genommen. Ähnlich äußerte sich die SPD.

Das NRW-Familienministerium hat in einer Handreichung klar gestellt: „Kinder dürfen generell nicht betreut werden, wenn sie Krankheitssymptome aufweisen. Die Art und Ausprägung der Krankheitssymptome sind dabei unerheblich.“ Dies führe aber laut Ackermann zu „teilweise grotesken Veranlassungen für Kita-Verbote“ – zum Beispiel Mückenstiche, laufende Nasen bei bekannter Gräserpollenallergie oder Husten bei bekanntem und gut eingestelltem Asthma.

Attest ist nun nicht mehr nötig

Nach Druck von Eltern und Medizinern hatte Familienminister Joachim Stamp (FDP) Ende Juni eine Vorgabe kassiert, kranke Kinder nur mit ärztlichem Attest wieder in die Kita zu lassen. Nun reicht es, wenn die Eltern versichern, dass die Kinder seit 48 Stunden symptomfrei sind.

Besonders belastend sei die Situation für Alleinerziehende, kritisierte Nicola Stroop, Vorstand beim Landesverband allein erziehender Mütter und Väter. Wieder einmal greife die Politik einseitig in die Betreuungsinfrastruktur ein, ohne Ausgleich für erwerbstätige Eltern zu schaffen, kritisierte Stroop.

Es gibt aber auch Expertenstimmen, die die Regeln für vernünftig halten. „Kranke Kinder gehören nicht in die Kita! Die Coronakrise zeigt, wie wichtig dieser Grundsatz ist“, sagte Barbara Nolte vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW dieser Redaktion. Der VBE beklage seit Jahren, dass sich Unsitten eingeschlichen hätten und zum Beispiel Kinder mit Schnupfnasen oder Magen-Darm-Beschwerden einfach in die Kitas geschickt würden.

"Schnupfen und Fieber sind gerade jetzt keine Lappalien"

Es gehe um das Wohl aller, sagte Nolte: „Kinder, Erzieherinnen und Erzieher und deren Familien. Husten, Schnupfen und Fieber sind gerade jetzt keine Lappalien.“ Es stimme schon, was die Kinderärzte sagen: Manche Kinder haben immer eine Rotznase. Manche haben Allergien. Aber das wissen die Erzieherinnen und Erzieher in der Regel", erklärt Nolte.

Grünen-Landtagsfraktionsvize Josefine Paul kritisierte das Familienministerium: „Es belastet mit seinen undifferenzierten Vorgaben einmal mehr einseitig Familien und Kinder. Wir brauchen Kriterien, die einen angepassten und gleichzeitig am Infektionsschutz orientierten Umgang mit erkrankten Kindern ermöglichen. Darüber hinaus muss das Land endlich eine Teststrategie entwickeln, um nicht zuletzt die Sicherheit des pädagogischen Personals zu gewährleisten.“

Ministerium: Abweichungen von der Regel sind möglich

Die SPD-Opposition forderte Minister Stamp auf, sich im Bund für eine Ausweitung der Kinderkrankentage stark zu machen. Der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dennis Maelzer, forderte zudem eine vorbeugende Corona-Teststrategie. „Woche für Woche bleiben in NRW 100 000 Test-Kapazitäten ungenutzt." Dabei könnte die Sicherheit des Kita-Personals mit Tests erhöht werden. (mk/dpa)

Das Familienministerium plant vorerst keine Neuregelungen. Die Empfehlungen zum Umgang mit kranken Kitakindern gelten zunächst bis Ende August. Die Umsetzung der Empfehlungen obliege den Trägern und Leitern der Kitas sowie Kindertagespflegestellen. Abweichungen von den Empfehlungen seien möglich, teilte das Ministerium.

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(mit dpa)