Essen. Bisher melden die Kommunen des Ruhrgebiets rund zwei Dutzend Infektionen mit dem Corona-Virus in Kitas. Fachkräfte haben dafür zwei Erklärungen.

Jüngst im Stuhlkreis wusste es eine Dreijährige sehr genau: Wie man sich die Hände zu waschen hat, das wollte das Kind zeigen. Jeder Finger werde einzeln abgewischt, sagte sie und zeigte pantomimisch, wie die Seife verteilt werden müsse. Sie habe erst geschmunzelt, erinnert sich die Erzieherin des Kindes, dann gelobt. „Das Mädchen wollte zeigen, dass es diese Kompetenz, über die so viel gesprochen wird, jetzt verinnerlicht hatte.“ Und doch ist diese Szene auch Ausdruck unserer Zeit: Wenn sich ein Kind so sehr mit Hände waschen beschäftigt, sind wir in der Corona-Pandemie.

Trotz Virus ist Anfang Juni die Kinderbetreuung in NRW wieder eingeschränkt an den Start gegangen. Seitdem herrschen in Kitas und bei Tagespflegekräften strikte Hygieneregeln: Die Eltern müssen ihre Kinder vielfach am Eingang abgeben, schon die Kleinsten waschen sich beim Reinkommen die Hände, ihre Schnuller stecken in Plastikboxen. Detaillierte Hygienepläne sollen sicherstellen, dass in einem naturgemäß so engen Bezugsumfeld keine Infektionsherde entstehen.

Städte benennen 25 bestätigte Infektionen in den Revier-Kitas

Bisher scheint das tatsächlich verhindert worden zu sein. Wie eine Umfrage dieser Redaktion unter allen Städten und Kreisen des Ruhrgebiets zeigt, sind seit der Wiederaufnahme der Kinderbetreuung am 8. Juni nur rund zwei Dutzend Corona-Infektionen in Kitas und bei Tagesmüttern bestätigt worden. Auf 25 benannte Fällen haben die Städte reagieren müssen. Sie haben meist Kontaktpersonen in Quarantäne geschickt und Kita-Gruppen vorübergehend geschlossen, um Infektionsketten zu verhindern, es wurden Tests gemacht oder auch Kitas komplett zugemacht. Mindestens 370 Kinder und ihre Eltern sowie die jeweiligen Betreuungskräfte waren von Maßnahmen wie diesen betroffen. Weil die Rolle von Kindern bei der Ausbreitung des Corona-Virus nicht abschließend geklärt ist, waren vielerorts höhere Zahlen vermutet worden.

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Direkt erfolgte Ansteckungen wurden bei der Redaktionsumfrage kaum gemeldet, in Witten etwa ist eine Erzieherin und dann ein Kind positiv getestet worden. Häufiger mussten die Städte auf einzelne Infektionen reagieren: In Hamm hatte das Kind einer Familie, die für den Fleischkonzern Tönnies arbeitet, das Virus, eine Bochumer Kita wurde geschlossen, weil zwei Geschwisterkinder erkrankt waren. In Essen wird aktuell geprüft, ob eine Mutter das Virus in eine Kita gebracht haben könnte.

Duisburg und Oberhausen haben Erzieher testen lassen

Um Infektionen früh zu erkennen, haben einige Städte ihre Erzieher vorab testen lassen. In Duisburg ist so aufgefallen, dass eine Mitarbeiterin infiziert war – ein Kind erkrankte, die ganze Kita wurde geschlossen. In Oberhausen werden nach den Angestellten in städtischen Kitas nun auch Beschäftigte freier Träger getestet – eine Wiederholung ist vorgesehen. Bisher waren alle Ergebnisse negativ.

Dass es zu so wenigen Infektionen gekommen ist, führen Fachkräfte vor Ort auf zwei Faktoren zurück: Hygiene und Zeit. „Die Kitas sind sehr gut mit ihren Hygienekonzepten umgegangen“, lobt etwa Barbara Nolte vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) NRW. „Sie haben sehr gute individuelle Konzepte erarbeitet und sie haben dank der Stundenreduzierung auch mehr Zeit, die umzusetzen.“

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Das NRW-Familienministerium hatte den Betreuungsrahmen um zehn Wochenstunden gekürzt. Damit sollte der Situation Rechnung getragen werden, dass längst nicht alle Erzieher den Einrichtungen zur Verfügung stehen. „Ich kenne schon jetzt Kitas, da fehlen 140 Arbeitsstunden in der Woche, weil Mitarbeiter Mitglieder der Risikogruppe sind“, sagt Nolte. „Unter solchen Umständen ist ein Regelbetrieb nicht zu leisten.“ In den Einrichtungen sei die Aufmerksamkeit für das Virus weiterhin sehr hoch, das Zusammenspiel mit Eltern gut.

Kita-Leitung muss schnell auf Infektionen reagieren

Wie schnell eine Kita auf Infektionen reagieren muss, zeigt sich etwa in Dortmund. Yvonne Ellerbrock, stellvertretende Leiterin einer städtischen Kita in der Nordstadt, erhielt am 25. Juni den Anruf vom Gesundheitsamt, dass sich ein Angehöriger eines betreuten Kindes mit SARS-CoV-2 infiziert hatte. Sofort setzte sich das Kita-Team ans Telefon, sprach mit Eltern und schloss die Gruppe unmittelbar. Nur Stunden später kam ein zweiter Anruf, ein neuer Verdachtsfall in einer anderen Gruppe.

Ellerbrock unterstreicht, wie schwierig die vergangenen Tage für die Kita waren. Obwohl Eltern wie Kinder immer wieder für das Thema sensibilisiert worden seien, war der dann eingetroffene Fall „für viele Familien ein großer Schock“. Es galt viel zu beraten, wie mit dieser Situation umgegangen werden soll. Ein Erfolg: Die Infektionen hätten sich im Haus aktuell nicht verbreitet.