Düsseldorf. In der Krise gingen die Straftaten deutlich zurück. Aber viele Bürger in NRW schlagen über die Stränge und missachten die Coronaregeln.

Weniger Einbrüche, weniger Langfinger auf den Straßen, weniger Raubüberfälle: Die Coronakrise schlägt auch auf die Kriminalität in NRW durch. Die Zahl der Strafanzeigen ging zum Beispiel zwischen Anfang März und Ende Juni nach derzeitigen Erkenntnissen um 23 Prozent zurück. „Der Rückgang gilt für fast alle Arten von Delikten“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag bei seiner Zwischenbilanz zur Kriminalitätsentwicklung während der Pandemie.

Der Grund für den erfreulichen Trend ist laut Reul schnell beschrieben: „Wenn das öffentliche Leben zurückgefahren wird, passiert auch weniger.“Die Statistik ist allerdings mit Vorsicht zu betrachten. So sei nicht klar, ob der statistisch festgestellte Rückgang bei der häuslichen Gewalt der Wirklichkeit entspreche. Viele dieser Gewalttaten in privaten Wohnungen würden wohl gar nicht erst bekannt, vermutet der Minister.

Die Pandemie verunsichert die Menschen in NRW zutiefst. Aber die Krise mit ihren vielen Einschränkungen für das öffentliche Leben scheint auch dafür zu sorgen, dass sich die Bürger sicherer vor Verbrechen fühlen können. Die Zahl der Straftaten sinkt. Die Lage ruft allerdings auch Betrüger auf den Plan, die aus der Krise Profit schlagen wollen.

Deutliches Minus bei den Straftaten

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Die Zahl der angezeigten Delikte sank laut NRW-Innenministerium zwischen Anfang März und Mitte Juni um rund 108.000 auf etwa 366.000. Ein Minus von 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Besonders erfreulich ist der Trend bei den Wohnungseinbrüchen. 5290 Fälle wurden zwischen März und Juni gezählt, im Vorjahr waren es 7561, also etwa 30 Prozent mehr. Die Zahl der Taschendiebstähle sank sogar um 39 Prozent auf 6511, die der Raubüberfälle immerhin um 26 Prozent. Das sind allerdings nur vorläufige Werte, die einen Trend beschreiben, so Innenminister Herbert Reul (CDU).

Rückgang auch bei häuslicher Gewalt?

Anders als zunächst befürchtet, scheint die Aggressivität in privaten Haushalten nicht zugenommen zu haben. Im Gegenteil: Die der Polizei bekannt gewordenen Zahlen beschreiben einen Rückgang um 21 Prozent. Experten gingen davon aus, dass der coronabedingt lange Aufenthalt von Menschen auf engem Raum in der eigenen Wohnung zu mehr Gewalttaten führen würde. Statistisch ist das nicht zu erkennen. „Ich möchte da aber sehr vorsichtig sein“, sagte Herbert Reul, beim Thema häusliche Gewalt seien noch zu viele Fragen offen. Möglicherweise passten Nachbarn besser auf oder Opfer hätten Angst, Gewalttaten anzuzeigen.

Betrüger auf Beutezug

Manche Betrüger versuchen, über Corona zum Krisengewinnler zu werden. Gerade zu Beginn der Krise hätten Trickdiebstähle zugenommen, so der Minister. Gauner hätten sich als Mitarbeiter von Gesundheitsämtern ausgegeben oder wollten angebliche Coronatests verkaufen. Reul spricht vom „Enkeltrick im weißen Kittel“. Inzwischen sei die Bevölkerung aber misstrauischer gegenüber solchen Geschäftemachern.

Die Corona-Soforthilfe des Landes NRW für Selbstständige und kleine Unternehmer wurde allerdings von vielen Tätern als Einladung zum Betrug verstanden. Der Schaden durch falsche Anträge liege bei rund fünf Millionen Euro – bei einem Soforthilfe-Gesamtvolumen von 4,5 Milliarden Euro. Es geht hier um Anträge auf Hilfe von Menschen, die keinen Anspruch auf Hilfe hatten sowie um mehrfach gestellte Anträge.

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Die Behörden registrierten bisher rund 1300 Anzeigen zu gefälschten Internetseiten für Soforthilfe, mit denen Betrüger persönliche Daten abgegriffen haben, um Geld auf ihre Konten fließen zu lassen. Sieben Adressen zu „Fake-Webseiten“ seien inzwischen „sicher ermittelt“ und dann beschlagnahmt oder geblockt worden, so die Regierung.

Verstöße gegen die Coronaregeln

Die „allermeisten“ Bürger hätten sich vorbildlich verhalten und die Corona-Maßnahmen eingehalten, sagte Reul. Allerdings kam es vor allem um Ostern und an den vergangenen Wochenenden zu vielen Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung. Zwischen März und Juni fielen der Polizei 50.587 Personen, darunter 36.837 Erwachsene, auf, die zum Beispiel Abstands- oder Mundschutzregeln missachteten. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Verstößen, mit denen städtische Ordnungsdienste zu tun hatten.

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Szenen wie in Stuttgart mit Ausschreitungen und Plünderungen befürchtet der Innenminister in NRW nicht. Aber auch hierzulande gab es wiederholt Zusammenkünfte von zum Teil Hunderten Jugendlichen, die sich über soziale Netzwerke verabredet hatten.

Lob für die Fußballfans

In Bielefeld missachteten Tausende Arminia-Fans bei der Aufstiegsfeier die Abstandsregeln. Dennoch ist der Innenminister insgesamt „positiv angetan“ vom Verhalten der Fans während der „Geisterspiele“ in der Bundesliga. Gesundheitsschutz und Fußballbegeisterung ließen sich offenbar miteinander verbinden.

Demos von Extremisten

Mehr als 850 Demos und große Versammlungen wurden zwischen März und Juni gezählt. Im Mai seien viele „Selbstdarsteller, Verschwörungsideologen und Extremisten“ unter den Demonstranten gewesen, so Reul. Meist richtete sich der Protest gegen die Corona-Schutzverordnung

Reul ist offen für Videoüberwachung

Der Innenminister steht grundsätzlich einem Vorstoß von SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty für mehr Videoüberwachung gegen Menschenansammlungen positiv gegenüber. Er habe ein „offenes Ohr“ für Video-Technik, darüber könne man gerne reden. Reul bezweifelt aber, dass mit Videokameras viele Versammlungen verhindert werden könnten. „Bei der Beherrschung solcher Ansammlungen kann ich mir das aber vorstellen“. Beim Erkennen von Menschenansammlungen habe sich der Einsatz von Drohnen bewährt.