Essen/Düsseldorf. Eltern und Lehrer begrüßen die Ferienangebote für Schüler. Die Initiative des Landes komme aber zu spät. Viele Kinder würden nicht mehr erreicht.

Wochenlang fiel die Schule aus, der Fernunterricht lief mancherorts mehr schlecht als recht. Und auch die Motivation der Schüler, sich zu Hause eigenständig den Stoff anzueignen, ließ im Laufe der Corona-Schließungen nach, beobachteten manche Lehrkräfte. Einige Schüler hätten sich beinahe komplett verabschiedet. Der Nachholbedarf ist also hoch. Daher haben Eltern, Lehrer und Bildungsexperten schon früh ein Bildungsangebot in den Sommerferien gefordert.

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Von Christopher Onkelbach, Matthias Korfmann

Mitte Juni kündigte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) schließlich ein 75-Millionen-Euro-Programm an, von dem vor allem sozial benachteiligte Schüler der Klassen 1 bis 8 profitieren sollen. Diese Kinder litten besonders unter den Folgen der Pandemie und dem Unterrichtsausfall in den vergangenen Wochen. Ihnen sollte in den Ferien möglichst der Besuch von Museen, Freizeitparks und Zoos ermöglicht werden. Schulträger und Träger der Ganztagsangebote (OGS) können die Förderung beantragen. Lehrer, Lehramtsanwärter, Sozialpädagogen, Studenten und Ehrenamtliche sollen die Schüler betreuen.

Kritik: Das Programm kommt viel zu spät

Städte, Wohlfahrtsverbände und Pädagogen begrüßen das Programm. Doch dass die Initiative erst kurz vor den Ferien kommt, sorgt für Kritik. Viele Kinder und Jugendliche könnten jetzt nicht mehr erreicht werden. „Das Programm kommt viel zu spät. Die Gelder können gar nicht alle abgerufen werden, das ist eine Überforderung für Träger und Kommunen“, sagte Maike Finnern, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dieser Redaktion. Schon jetzt seien die Probleme im Offenen Ganztag (OGS) groß, weil dort Personal fehle.

Der größte OGS-Träger an den Grundschulen in NRW begrüßt die 75-Millionen-Euro-Maßnahme der Landesregierung. „Die Initiative aus dem Schulministerium kommt sehr spät, ist aber grundsätzlich zu begrüßen“, sagt Frank Johannes Hensel, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW, nach eigenen Angaben Träger von rund 75 Prozent aller OGS-Angebote an Grundschulen.

Eltern suchten sich andere Angebote

Es ist dringend notwendig, etwas für die Kinder und die sehr geforderten Eltern zu tun“, so Hensel weiter. „Viele Jungen und Mädchen haben seit zwölf Wochen kaum oder keine Schule und damit auch weniger soziale Kontakte.“ Die Personalsuche bezeichnete er indes als „herausfordernd“. Mit Hilfe von Honorarkräften etwa aus Sportvereinen, Umweltverbänden oder Theaterbetrieben könne dies aber noch gelingen. „Manche Eltern werden sich aufgrund der Kurzfristigkeit des Programms allerdings andere Angebote gesucht haben“, so Hensel.

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Prof. Birgit Leyendecker, Leiterin der Arbeitsgruppe Familienforschung an der Ruhr-Uni Bochum, äußerte sich indes „fassungslos“ über die geringe finanzielle und personelle Ausstattung sowie über den knappen Zeitplan für die Ferienbetreuung. „Genau eine Woche vor dem letzten Schultag werden die Förderrichtlinien für die Ferienangebote veröffentlicht – für große Gruppen von Kindern mit vergleichsweise wenigen und schlecht bezahlten Betreuern“, kritisierte sie.

11,05 Euro für jedes Kind pro Tag

Wenn man die maximale Förderung für Personal- und Sachkosten von 3315 Euro für drei Wochen und eine Gruppengröße von 20 Kindern zugrunde lege, dann stünden maximal 11,05 Euro pro Tag und Kind zur Verfügung, rechnet sie vor. Dabei soll die Betreuung laut den Richtlinien möglichst anspruchsvoll sein und verschiedene Bildungs- und Erziehungsangebote enthalten sowie möglichst digitale Medien einbeziehen. Für die Betreuer sei nach ihrer Kenntnis ein Stundensatz von zwölf Euro vorgesehen. „Das ist keine besondere Wertschätzung von pädagogischer Arbeit“, so die Wissenschaftlerin.

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Der Grundschulverband NRW reagiert grundsätzlich positiv auf die Initiative von Schulministerin Gebauer (FDP), sieht aber ebenfalls Probleme, die Angebote kurzfristig umzusetzen. „In so kurzer Zeit die Eltern anzusprechen und zu informieren wird sehr schwierig“, sagte Verbands-Vorsitzende Christiane Mika.

Städte: Die 75 Millionen Euro werden dringend benötigt

„Die Städte in NRW finden es bedauerlich, dass das Land seine Förderrichtlinie für NRW-Sommerferienangebote erst eine Woche vor Beginn der Sommerferien veröffentlicht hat“, sagte Städtetag NRW-Geschäftsführer Helmut Dedy. Das Land riskiere damit den Erfolg seines Programms. „In einem so knappen Zeitraum wird es für viele Städte schwierig, darauf aufbauende Angebote zu konzipieren, diese anzubieten und durchzuführen. Gleichwohl sind die zugesagten Mittel in Höhe von 75 Millionen Euro gut und werden dringend benötigt.“

Der Städte- und Gemeindebund NRW hätte sich ebenfalls eine frühere Entscheidung des Ministeriums gewünscht. Es sei für die Träger „extrem anspruchsvoll, bis zu den Sommerferien eine Konzeption für ein Corona-gerechtes Ferienangebot aus dem Hut zu zaubern“, sagte ein Sprecher.

Die Grünen im Landtag sehen ihre Kritik an den sprunghaften Entscheidungen des Schulministeriums erneut bestätigt. Parteivorsitzender Felix Banaszak sagte: „Diese Friss-oder-stirb-Mentalität bei Ministerin Gebauer ist einfach unverantwortlich und frech.“

>>>> Förderung für Kinder

Laut NRW-Schulministerium sollen die Programme vor allem auf Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf ausgerichtet werden sowie auf Kinder, die den Anschluss zu verlieren drohen. Daneben werde es auch weiterhin Sommerferienprogramme wie das OGS-Angebot oder das Ferienintensiv-Training „FIT in Deutsch“ geben.