Düsseldorf. Der Jahresurlaub ist aufgebraucht, die Großeltern sollten sich nicht um die Kinder kümmern. Viele Eltern in NRW fragen nach Ferienbetreuung.

Die Schließung von Schulen und Kitas in der Coronakrise hat viele Familien belastet. Nun wird der Ruf nach guten Betreuungsangeboten für Kinder in den Sommerferien lauter. Weil viele Urlaubstage schon aufgebraucht seien und Großeltern weiter geschützt werden müssten, fordert zum Beispiel die Landeselternschaft der integrierten Schulen (LEiS NRW) ein Betreuungsangebot für alle Kinder bis zur 8. Klasse in den ganzen Sommerferien.

Gewerkschaften: Lehrer können in den Ferien keine Betreuung übernehmen

„Andernfalls haben viele Eltern keine Chance, ihre Arbeitszeiten nachzuholen“, sagte LEiS-Vorsitzender Ralf Radke. „Es fehlen Betreuungsangebote für die Ferien“, erklärt auch Anke Staar von der Landeselternkonferenz (LEK).

Maike Finnern, Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, äußerte Verständnis für den Wunsch der Eltern. „Gleichwohl können das die Schulen nicht verantwortungsvoll stemmen, weil Schulleitungen und Lehrkräfte nach wochenlangem Corona-Stress die Ferien nicht nur für den eigenen Urlaub brauchen, sondern auch für die Planungen für das neue Schuljahr, das ja auch nicht normal ablaufen wird“, sagte Finnern dieser Redaktion.

Ähnlich äußert sich Dieter Cohnen von der Landeselternschaft der Gymnasien. Neue Kinderbetreuungs-Angebote in den Sommerferien dürften nicht zu Lasten der Pädagogen gehen. „Wir sehen nicht, dass eine Ferienbetreuung durch Lehrer geschehen kann und soll“, findet Cohnen. Die Krise habe Lehrkräfte sehr gefordert, viele seien erschöpft und überlastet.

VBE-Idee: Projekt "Lernferien" auch im Sommer

Der NRW-Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Stefan Behlau, regte an, die Initiative „Lernferien NRW“, die bisher nur in den Oster- und Herbstferien Angebote macht, auf den Sommer auszudehen. SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty hatte vorgeschlagen, Lehramtsanwärter, Sozialarbeiter und angehende Erzieher dafür zu gewinnen, sich in den Ferien um Kinder im Schul- und Kita-Alter zu kümmern.

Úniversitäten im Ruhrgebiet machen Kindern Ferienangebote

Ein Vorbild für eine freiwillige Ferienbetreuung von Schülern könnte die Initiative von 20 Wissenschaftlern der drei Ruhrgebiets-Universitäten Dortmund, Duisburg-Essen und Bochum sein. Gemeinsam mit Studierenden zum Beispiel aus den Lehramtsfächern entwickeln sie ein speziell auf benachteiligte Kinder und Jugendliche zugeschnittenes Ferienangebot.

„Wir sehen es als unseren gesellschaftlichen Auftrag an, einen Beitrag zur Abmilderung der sehr besorgniserregenden Entwicklung durch die Corona-Pandemie zu leisten“, sagte die Initiatorin Prof. Birgit Leyendecker von der Ruhr-Uni Bochum. In den Sommer- und Herbstferien werde das Projekt erprobt, 2021 könne es ausgeweitet werden.​

Ministerium prüft Optionen für die Ferienbetreuung

Das NRW-Schulministerium, sagte auf Nachfrage dieser Redaktion, es prüfe intensiv, unter welchen Voraussetzungen Schülern mit besonderem Unterstützungsbedarf auch in den Sommerferien Bildungs- und Erziehungsangebote gemacht werden könnten. Insbesondere könnten für Grundschulen geplante OGS-Ferienangebote, möglicherweise unterstützt durch das Land NRW, stattfinden. "Hierfür plant das Schulministerium ein entsprechendes Zusatzangebot und wird darüber zeitnah informieren", so ein Sprecher des Ministeriums

Die eigentlich für die Osterferien geplanten Kurse im „FerienIntensivTraining – FIT in Deutsch“ für geflüchtete und neu zugewanderte Kinder und Jugendliche mussten wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt werden. In den Sommerferien würden geplante Kurse jedoch unter Berücksichtigung der Anforderungen an Hygiene und Infektionsschutz angeboten werden können, erklärte das Schulministerium.

Harter "offener Brief" der Gymnasialeltern an die Schulministerin

Die Landeselternschaft der Gymnasien in NRW ging zuletzt weniger hart ins Gericht mit dem Schulministerium als andere Elternverbände. Aber nun verschärfen auch die Gymnasialeltern den Ton in einem offenen Brief an die Schulministerin, der dieser Redaktion vorliegt.

Besondere Sorgen bereiten den Eltern die bislang fehlenden Pläne für das kommende Schuljahr. „Wo sind die Konzepte?“, fragt die Landeselternschaft in dem Brief. „Wir Eltern sind aufgebracht über das Fehlen zentraler Konzepte und Vorgaben auf Basis verschiedener Szenarien“, heißt es dort. Viele Fragen seien drei Wochen vor den Sommerferien noch nicht beantwortet, etwa wie der verpasste Schulstoff aufgeholt werden könne, wie die nötigen Räume bereitgestellt werden können und wie eine flächendeckende Ausstattung mit digitalen Endgeräten gewährleistet werde.

Verbände und Experten wollen mitreden, wenn es um Schule geht

„Wir fordern, dass endlich alle beteiligten Verbände und Fachleute bis hin zu IT-Experten in die Planungen einbezogen werden“, sagte Dieter Cohnen, der Sprecher des Elternverbands. Er wirft NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) vor, die Gesprächsangebote an sie nicht zu nutzen. „Uns rennt die Zeit davon.“ Die Informationspolitik des Ministeriums sei unterirdisch, wettert Cohnen.

Eine Öffnung der Schulen noch vor den Sommerferien ab 8. Juni lehnen die Gymnasialeltern ebenso wie andere Eltern-, Lehrer- und Direktorenverbände strikt ab. „Das ist unnötig und bringt nur neue Unruhe für Schulen, Lehrkräfte und Schüler“, so Cohnen. Die Landeselternschaft der Gymnasien schlägt stattdessen vor, über Samstagsunterricht nachzudenken sowie die Jahrgangsstufe 7 in die verlängerte Oberstufe (G9) einzubeziehen, um den Schülern ein Schuljahr mehr Zeit zu geben, sich den Stoff anzueignen.