Essen. Steigt die Corona-Gefahr durch Schul- und Kita-Öffnung? Mit tausenden Tests wollen Forscher in NRW herausfinden, wie ansteckend Kinder sind.
Die Frage, wie stark Kinder das Coronavirus weitertragen, hat zuletzt für heftigen Streit gesorgt. Während eine Studie von Forschern um den Berliner Virologen Christian Drosten zu dem Schluss kam, Kinder könnten ebenso ansteckend sein wie Erwachsene, äußerte sein Bonner Kollege Hendrik Streeck daran Zweifel. Er meinte, Kinder seien nicht „die großen Virenschleudern“.
Wenn Kitas und Schulen rasch den vollen Regelbetrieb aufnehmen sollen, muss die Frage der Verbreitung des Virus durch Kinder aber möglichst klar beantwortet werden. Daher wurden in Düsseldorf, Bochum und Bonn Studien mit tausenden Tests an Kindern und Erzieherinnen gestartet. So sollen neue Infektionsherde schneller gefunden und Infektionsketten vermieden werden.
40.000 Speichelproben von Kindern und Erzieherinnen
In den kommenden vier Wochen werden Mediziner des Uniklinikums Düsseldorf in der bislang größten bundesweiten Studie von 5000 Kindern und Erziehern rund 40.000 Speichelproben untersuchen. Sie geben zweimal wöchentlich eine Speichelprobe ab, die dann auf das Coronavirus getestet wird.
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Ein unangenehmer Rachenabstrich wird den Kindern mit dieser Methode erspart. Ziel ist es herauszufinden, ob Kinder das Virus in sich tragen, obwohl sie keine Krankheitssymptome haben, und ob sie das Virus an andere Kinder, Eltern oder Geschwister weitergeben. Ergebnisse sollen Ende Juli vorliegen.
Studie soll unklare Datenlage beenden
Zwar deutet die bisherige Studienlage darauf hin, dass Kinder weniger empfänglich für eine Infektion mit Sars-Cov-2 sind. Zugleich sind sie offenbar weniger ansteckend als Erwachsene und spielen laut Robert-Koch-Institut „im Übertragungsgeschehen möglicherweise eine geringere Rolle“. Sicher aber ist das nach jetzigem Stand der Forschung nicht.
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Ergebnisse niederländischer Studien zeigen, dass das Virus in erster Linie unter Erwachsenen oder von Erwachsenen an Kinder weitergegeben wird. Übertragungen zwischen Kindern oder von Kindern zu Erwachsenen seien hingegen seltener.
Der Leiter der Düsseldorfer Studie, der Virologe Prof. Jörg Timm, möchte Antworten auf die offenen Fragen liefern. „Ich glaube, es gibt gute Untersuchungen, die zeigen, dass Kinder das Virus vielleicht weniger weitergeben. Gleichzeitig gibt es aber auch Daten, die zeigen, dass die Virusmengen in den oberen Atemwegen erst einmal ähnlich sind.“ Das würde darauf hindeuten, dass Kinder das Virus ebenso weitergeben könnten wie Erwachsene. „Es wäre natürlich die Hoffnung, dass wir dazu ein paar neue Erkenntnisse bekommen“, so Timm.
Womöglich kann Kita-Regelbetrieb früher beginnen
Davon hängt für Eltern und Kinder viel ab. Sollte sich erweisen, dass Kinder ebenso ansteckend sind wie erwachsene Menschen, könnte es erforderlich werden, Kitas nur unter eingeschränkten Bedingungen zu betreiben oder gar zu schließen. Doch NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) ist angesichts jüngster Entwicklungen optimistisch: „Ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird, aber wir wollen das untersuchen, damit wir dann auch nachsteuern können.“
Sollte die Studie das erhoffte Ergebnis bringen, dann könnten laut Stamp die Kitas auch früher uneingeschränkt öffnen – womöglich schon ab 1. August. Derzeit gilt der eingeschränkte Regelbetrieb bis 31. August.
3000 Kinder und Jugendliche bei Bochumer Antikörper-Studie
Auch die Ruhr-Uni Bochum will mit einer Studie unter dem Titel „Corkid“ klären, wie ansteckend das Virus bei Kindern ist. 3000 Kinder im Alter von sechs Monaten bis 18 Jahre sollen auf Antikörper untersucht werden um zu klären, wie stark sich in Bochum, Herne und Umgebung die Infektionen mit dem Virus unter Kindern verbreitet haben. Dazu arbeiten die Wissenschaftler mit Kinderärzten zusammen und testen Kinder, die zur Vorsorgeuntersuchung (U-Untersuchung) in die Praxen kommen.
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"Wir werden Antikörper bestimmen und auf diese Weise testen, ob die Kinder und Jugendlichen die Infektion schon durchgemacht haben“, sagte Folke Brinkmann, Oberärztin an der Universitätskinderklinik Bochum. Auch hier erwarten die Mediziner Hinweise darauf, wie groß das Infektionsrisiko in Kitas und Schulen tatsächlich ist.
Hoffnung machen erste Ergebnisse einer kleineren Studie der Uniklinik Bonn. Knapp 150 Kita-Kinder und Erzieherinnen wurden bislang getestet – keine Person war infiziert.