Essen. Alle Schüler in NRW sollen vor den Sommerferien wieder die Schule besuchen. Lehrer- und Elternverbände kritisieren den Zeitplan. Alle Infos hier.

Nun also doch: Jede Schülerin und jeder Schüler in NRW soll vor den Sommerferien in die Schule zurückkehren. Das gab die Landesregierung am Mittwoch bekannt. Lehrer und Eltern kritisierten den Zeitplan der Landesregierung.

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte am Mittwoch betont, Bildung und Gesundheit seien beide ein „hohes Gut“. Die schrittweise Schulöffnung werde vorsichtig verlaufen. Man werde auch über die Grundschulen hinaus allen Schülern in Nordrhein-Westfalen vor den Sommerferien wieder sukzessive einen Schulbesuch ermöglichen.

Nach wochenlanger coronabedingter Zwangspause sollen ab 11. Mai auch Jahrgänge der weiterführenden Schulen zurückkehren, sagte Gebauer. Seit dem 23. April gibt es schon wieder Unterricht für diejenigen Schüler, die in diesem Jahr ihren Abschluss machen.

Nach der Corona-Pause – Fragen und Antworten zum Schulstart in NRW

In diesem Text bekommen Sie Antworten auf folgende Fragen (ein Klick auf die Frage bringt Sie zur entsprechenden Stelle im Artikel):

  • Was ist in den Grundschulen geplant?
  • Was ist mit Schülern auf weiterführenden Schulen?
  • Wie sieht eine Unterrichtsstunde ab der kommenden Woche aus?
  • Was geschieht mit den Sommerferien?
  • Kann es auch Unterricht an Samstagen geben?
  • Gibt es ausreichend Lehrerinnen und Lehrer?
  • Was sagen die Schulen dazu?
  • Was sagen die Eltern?
  • Wie reagieren Lehrerverbände?
  • Welche weitere Kritik gibt es an dem Vorgehen der Landesregierung?

Was ist in den Grundschulen geplant?

In den Grundschulen machten die Viertklässler am Donnerstag (7. Mai) den Anfang. Für die Klassen 1 bis 3 beginnt der Präsenzunterricht ab dem kommenden Montag. In allen Grundschulklassen ist ein rollierendes System vorgesehen. Den Schulen werde dabei Flexibilität eingeräumt, sagte Schulministerin Gebauer. Bis einschließlich Freitag sollen Eltern von der Schule informiert werden, so die Ministerin.

Das Vorgehen bei der Lockerung hat in der vergangenen Woche einiges an Irritation ausgelöst. Zunächst hatte eine E-Mail aus dem Schulministerium den Start für alle Grundschüler ab dem 11. Mai verkündet. Wenige Stunden später relativierte Ministerpräsident Armin Laschet, der Plan sei nur „eine Option“ gewesen. Die Lehrergewerkschaft GEW hatte dieses Hin und Her als „planlos“ und „inakzeptabel schlechtes Regierungshandeln“ kritisiert.

Was ist mit Schülern auf weiterführenden Schulen?

Gesamtschüler und Gymnasiasten, die nicht im nächsten Schuljahr Abitur machen, kommen erst Ende Mai in die Klassenzimmer in NRW zurück. Ab dem 26. Mai sollen die Jahrgangsstufen 5 bis 10 an den Gymnasien und die Klassen 5 bis 11 an den Gesamtschulen wieder Präsenzunterricht erhalten, teilte die Landesregierung am Mittwoch mit. Das werde in einem tageweise rollierenden System ablaufen.

An der Tafel in einem Klassenraum der Theißelmannschule in Duisburg sind die Verhaltensregeln für den Schulstart festgehalten.
An der Tafel in einem Klassenraum der Theißelmannschule in Duisburg sind die Verhaltensregeln für den Schulstart festgehalten. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Ende Mai werde die Hauptphase der aktuellen Abiturprüfungen vorbei sein. Bereits ab kommenden Montag sollen dagegen diejenigen Gesamt- und Gymnasialschüler wieder in die Klassenräume kommen, die 2021 ihr Abitur machen wollen.

An den Haupt-, Real- und Sekundarschulen kehren auch die Jahrgänge 5 bis 9 schon am kommenden Montag (11. Mai) in einem tageweise rollierenden System zurück. Außerdem sollen Montag auch alle Grundschüler in einem tageweisen Wechsel in die Klassenräume zurückkehren.

Wie sieht eine Unterrichtsstunde ab der kommenden Woche aus?

Einen regulären Schulbetrieb für die 2,5 Millionen Kinder und Jugendlichen in NRW wird es vor den Sommerferien nicht geben, stellten Ministerpräsident Laschet und Ministerin Gebauer klar. Es gelten strenge Hygienestandards und Maßnahmen des Infektionsschutzes wie das Abstandsgebot im Klassenraum. Gesundheit habe oberste Priorität, unterstrich die Schulministerin.

Die Lerngruppen müssten verkleinert, mindestens halbiert werden. Lehrer, die zu den Corona-Risikogruppen gehören, sollen keinen Unterricht in den Klassenzimmern erteilen, sagte Gebauer. Als Risikogruppe gelten vorerkrankte Menschen und Personen über 60 Jahre.

Was geschieht mit den Sommerferien?

Die Sommerferien beginnen am 29. Juni. Daran werde nicht gerüttelt, sagte Ministerin Gebauer. Es werde aber in den Ferien Angebote für Schüler geben, die durch das Lernen auf Distanz nicht erreicht werden konnten.

Ob es nach den Sommerferien mit dem jetzt beschlossenen Mix aus Präsenz- und Distanzunterricht weitergehe oder ob der Schulbetrieb wieder wie vor der Corona-Krise laufen könne, sei noch nicht klar.

Kann es auch Unterricht an Samstagen geben?

Nein, das hat das Schulministerium ausgeschlossen. Trotz der coronabedingten Schulschließungen müssen Schüler in NRW den Rest des Schuljahres weder samstags noch im Schichtbetrieb den verpassten Stoff nachholen.

Gibt es ausreichend Lehrerinnen und Lehrer?

Die Vorsitzende des Verbandes Lehrer NRW, der die Schulen der Sekundarstufe 1 vertritt, verwies auf drohende Personalengpässe: „Geteilte Klassen bedeuten doppelten Personalbedarf“, sagte Brigitte Balbach. „Wenn dann in einem tageweise rollierenden System ab 11. Mai die Jahrgänge 5 bis 9 hinzukommen, reichen weder Raum- noch Personalkapazitäten.“ Diese Rückmeldung erhalte der Verband von vielen Schulleitern.

Die Schulleitungsvereinigung (SLV) ist nach wie vor irritiert, welche Belastungen die Landesregierung den Schulen auferlegt. Das Schulpersonal unternehme alles, um diese organisatorische Herausforderung zu stemmen. Weil viele Lehrkräfte zur Risikogruppe gehören und daher nicht unterrichten dürfen, rechnet die SLV mit Personalengpässen. Verbands-Vorsitzender Harald Willert nennt ein Beispiel: „An einer zweizügigen Grundschule, die also acht Klassen hat, werden die Schüler normalerweise rechnerisch durch acht bis zehn volle Lehrerstellen unterrichtet. Gehen wir in dieser Krise davon aus, dass ein Drittel dieser Stellen ausfällt. Dann bleiben vielleicht nur sechs Stellen. Nun werden die Klassen aber geteilt. Das heißt, aus acht Gruppen werden 16. Wo ist das Personal, das diese Kinder betreuen kann?“, fragt Willert.

Was sagen die Schulen dazu?

„Die Grundschulen stehen jetzt vor enormen organisatorischen Herausforderungen“ sagt Christiane Mika, Vorsitzende des Grundschulverbands NRW und Leiterin der Libellen-Grundschule in Dortmund. Das rollierende System führe dazu, dass die Kinder nicht an festen Wochentagen in die Schule kommen. „Das ist für die Kinder und Eltern, vor allem wenn sie mehrere Kinder haben, schwer nachzuvollziehen.“

Lehrerin Andrea Hinz begrüßt die Schüler einer 4. Klasse der Averbruchschule in Dinslaken. Zwischen den Tischen muss ausreichend Platz sein.
Lehrerin Andrea Hinz begrüßt die Schüler einer 4. Klasse der Averbruchschule in Dinslaken. Zwischen den Tischen muss ausreichend Platz sein. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Zudem können die Schüler dadurch nicht immer in ihrem Klassenverband und von ihrem Klassenlehrer unterrichtet werden. „Das halten wir nicht für sinnvoll“, so Mika. Auch die Vorgabe, dass alle Kinder gleich viel Unterricht erhalten sollen, sei wegen fehlender Lehrkräfte nicht leicht umzusetzen.

Der Schulalltag werde durch die Corona-Vorgaben für die Lehrkräfte extrem herausfordernd. „Die Kinder müssen den ganzen Tag an ihrem Tisch bleiben, dürfen nur das eigene Schulmaterial verwenden und müssen Abstand halten“, erläutert Mika. Außerdem müsse gekennzeichnet werden, welches Kind wo gesessen hat, um mögliche Infektionsketten nachvollziehen zu können. All das müsse dokumentiert und beaufsichtigt werden.

Trotz der schwierigen Umstände ist die Schulleiterin froh, dass die Kinder wenigstens tageweise wieder in die Schule kommen. Mika: „Wir merken, ihr Redebedürfnis ist riesig.“

Was sagen die Eltern?

Die Landeselternschaft der integrierten Schulen (LeiS NRW) – dazu zählen Gesamt-, Sekundar- und Gemeinschaftsschulen – kritisiert weiter vehement die Prüfungen, zu denen die Abschlussjahrgänge verpflichtet werden. Die Benachteiligungen durch die unterschiedliche Prüfungsvorbereitung seien so schwerwiegend, dass „eine ordnungsgemäße Prüfungsdurchführung und ein Mindestmaß an Chancengerechtigkeit nicht gewährleistet ist“, sagte Verband-Vorsitzender Ralf Radke.

LeiS NRW rät daher allen Prüflingen, vor Beginn der Prüfung vorsorglich gegen die Prüfungsbedingungen schriftlich zu protestieren, um anschließend gegebenenfalls erfolgreich klagen zu können. Der Verband hat dazu ein Protest-Musterschreiben verfasst.

Die Eltern protestieren auch dagegen, dass ab Montag zunächst jene Jahrgänge an die Schulen zurückkehren, die im kommenden Schuljahr ihr Abitur machen. „Hier fokussiert sich die Landesregierung wieder vor allem auf die Abschlüsse, mit der Konsequenz, dass Gymnasien und Gesamtschulen die Türen erst am 26. Mai für andere Jahrgänge öffnen. Dabei haben diese Jahrgänge die gleichen Probleme in dieser Krise wie die Stufen 11 und 12“, sagte Radke.

Was die Versorgung mit Räumen und Lehrern angehe, gleiche die Schullandschaft in NRW einem „Flickenteppich“, sagte Dieter Cohnen von der Landeselternschaft der Gymnasien. Bis zu den Sommerferien bleibe „alles Stückwerk“. Spätestens zum nächsten Schuljahr müsse sich dies ändern.

Im Grunde sei das Schulangebot in den kommenden Wochen nur „Schule als Stippvisite mit Kaffee und Kuchen“, spottet die Landeselternschaft der Gymnasien. „Wer den Infektionsschutz für wichtig erachtet, wird die berechtigte Frage stellen, warum Schüler einmal pro Woche dem Infektionsrisiko ausgesetzt werden, ohne dass Unterrichtsstoff nachhaltig vermittelt werden kann?“, so die Eltern. Sie erwarten von den Verantwortlichen, „dass sie jetzt sofort beginnen, in Krisenstäben mit Praktikern für das neue Schuljahr Beschulungskonzepte zu erstellen, die diesen Namen verdienen.“ Ein besonderer Schwerpunkt müsse der Ausbau des digitalen Lernens sein.

Wie reagieren Lehrerverbände?

Die Vorgabe, dass ab Montag die Jahrgänge 5 bis 9 in der Sekundarstufe 1, also in Haupt-, Real-, Sekundar-, und Gesamtschulen wieder in die Klassen gerufen werden, hält die Vorsitzende der GEW in NRW für viel zu kurzfristig. „Es ist eine riesige Herausforderung, innerhalb von zwei Tagen einen Stundenplan bis zum Sommer aufzustellen und zu klären, wer wann in die Schule kommen kann“, sagte Maike Finnern, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dieser Redaktion. „Da hätten wir uns mehr Vorbereitungszeit gewünscht.“ Die Gymnasien hätten dagegen bis zum 26. Mai Zeit, die Schüler der Jahrgangsstufen, die 2021 noch nicht Abi machen, zu unterrichten.

Das Festhalten an den traditionellen Abiturprüfungen räche sich jetzt, kritisierte Finnern. „Weil die Schüler deshalb erst am 26. Mai kommen, sind es bis zu den Sommerferien nur noch gut vier Wochen. Das heißt: Im Schnitt etwa vier Schultage für jeden.“

Für die Grundschulen fehlten weiterhin detaillierte Vorgaben, so Finnern. So seien Fragen zum Mittagessen, zum Offenen Ganztag und zum Fächerkanon ungeklärt. „Die Grundschulen rotieren jetzt“, so Finnern. Klar sei, dass der Unterricht auch nach den Sommerferien nicht normal ablaufen könne. „Wir brauchen dringend eine verlässliche Planung für das kommende Schuljahr.“

„Der Mix aus Präsenz- und Distanzunterricht wird zur Herausforderung für alle Seiten, sagte der Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Stefan Behlau. Positiv sei zu bewerten, dass allen Schulen ein „schulortbezogener Freiraum“ gewährt werde, in dem sie je nach ihren Möglichkeiten den Unterricht organisieren können. Behlau: „Es ist auch sinnvoll, dass die Schulen entscheiden können, welche Fächer unterrichtet werden, da dies von den zur Verfügung stehenden Lehrkräften abhängt.“

Welche weitere Kritik gibt es an dem Vorgehen der Landesregierung?

Die SPD-Fraktion kritisierte, die Öffnung der Schulen sei bisher „chaotisch“ verlaufen. Gebauer sprach dagegen von einem reibungslosen Verlauf.

Vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster sind noch zwei Eilanträge von Viertklässlern anhängig. Beide Schülerinnen wollen an diesem Donnerstag nicht in die Klassenräume zurückkehren und hatten argumentiert, es liege gegenüber anderen Grundschuljahrgängen eine Ungleichbehandlung vor. Ein weiterer Schüler - ein Viertklässler aus Arnsberg - hatte seine Klage zurückgezogen. Ob die beiden Schülerinnen seinem Beispiel angesichts der nun geänderten Sachlage folgen, war zunächst offen. (mit dpa und mein)

So berichten unsere Lokalredaktionen über die Schulöffnung:

Bochum: Bochum: Grundschule wieder auf: ungewöhnliche Szenen auf Schulhof

Bottrop: Bottrop: Plakate erinnern Grundschüler an die Abstandsregel

Breckerfeld: Start an Grundschule Breckerfeld: „Enorme Herausforderung“

Duisburg: Corona in Duisburg: So war der erste Tag an der Grundschule

Essen: Essen: So war der Start an Grundschulen und auf Spielplätzen

Gelsenkirchen: Corona: Zaghafter Neustart der Grundschüler in Gelsenkirchen

Gladbeck: Gladbeck: Fröhlicher Grundschulstart nach Corona-Zwangspause

Hagen: Grundschulstart in Hagen: Nur acht Kinder auf dem Pausenhof

Herne Herne: Viertklässler erleben ungewohnten Schulstart

Menden: Corona: Wie Mendens Viertklässler neue Normalität erleben

Mülheim: Corona: So erlebte eine Mülheimer Grundschule den Schulstart

Oberhausen: Unterricht an Oberhausener Grundschulen mit Masken gestartet

Witten: Schulstart in Witten: Eher bedrückte Stimmung bei Viertklässlern