Essen/Bochum. Über 40 Corona-Projekte laufen inzwischen an den Universitätskliniken im Revier. Von den ersten können Patienten inzwischen bereits profitieren.

An den Universitätskliniken im Ruhrgebiet laufen mittlerweile über 40 Studien, die Erkenntnisse darüber geben sollen, wie das Coronavirus am besten bekämpft werden kann. „Ich habe noch nie gesehen, dass fachübergreifend ein solcher Enthusiasmus geherrscht hat“, sagt Diabetologe Prof. Michael Nauck, der eine neu gegründete Taskforce zur Covid-19-Forschung am Katholischen Klinikum Bochum mit leitet.

Dass die Pandemie die bereichsübergreifende Forschung beflügelt, habe auch mit der zusätzlichen Unterstützung durch zahlreiche Kleinspenden von Privatpersonen zu tun, heißt es aus Essen. Wie die Stiftung Universitätsmedizin mitteilte, sind mittlerweile über 350.000 Euro von rund 2000 privaten Spendern zusammengekommen. Allein sieben Projekte konnten damit bereits realisiert werden.

Reaktion des Immunsystems ist Schwerpunkt in Essen

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Insgesamt sind alleine in Essen bereits 35 Studien konzipiert worden. Dabei liegt der Schwerpunkt darauf, wie die körpereigene Abwehr auf das neuartige Coronavirus reagiert. „Man kann heutzutage einen Erreger relativ schnell charakterisieren. Viel spannender ist jedoch zu verstehen, was die Immunantwort des Patienten ist. Das wird auch der Schlüssel für eine mögliche Impfung sein“, sagt Prof. Jan Buer, Dekan der medizinischen Fakultät der Uni Duisburg-Essen.

Beispielsweise untersucht eine Essener Studie das Blut von bereits genesenen Covid-19-Patienten auf Antikörper gegen das Virus. Eine andere Studie verfolgt das Ziel, Erkenntnisse aus der Immuntherapie bei Krebs auf die Corona-Therapie zu übertragen. Ein weiteres Forschungsteam untersucht, ob auch körpereigene Proteine, die bereits bei der Behandlung anderer Erkrankungen erfolgreich eingesetzt werden, gegen das Coronavirus helfen können

Erste Studienergebnisse aus Essen wurden bereits publiziert

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Neben der Immunreaktion werden in Essen aber auch Fragen der menschlichen Psyche aufgeworfen – also etwa wie sich das andauernde Kontaktverbot auf die Menschen auswirkt. Außerdem wollen die Wissenschaftler in Erfahrung bringen, wie Medikamente zur Behandlung von Ebola und Hepatitis B helfen können – Projekte, bei denen Coronaviren unter hohen Sicherheitsstufen in Speziallaboren vermehrt werden müssen.

Weitere Ansätze sind die Fragen, ob bestimmte genetische Voraussetzungen den schweren Krankheitsverlauf bei Corona begünstigen oder inwieweit das Nervensystem vom Virus angegriffen wird. Angenommen wird zurzeit, dass Betroffene vermehrt unter Kopfschmerzen, Übelkeit, aber auch an Schlaganfällen leiden.

Erste veröffentliche Publikationen gibt es in der Virologie. Prof. Ulf Dittmer konnte gemeinsam mit langjährigen Forschungspartnern aus dem chinesischen Wuhan nachweisen, dass das Immunsystem im späteren Verlauf einer Corona-Infektion die eigene Lunge angreift, wodurch es zu schweren Lungenentzündungen kommen kann. Für die Corona-Therapie bedeutet das, dass die körpereigene Immunantwort bei manchen Krankheitsverläufen „gebändigt werden muss“, wie es Dittmer formuliert. „Wo die Lunge stark betroffen ist, könnte man das Immunsystem unterdrücken.“

Studien werden in der Krise viel schneller genehmigt

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Bei den meisten anderen Studien wird es aber noch Monate dauern bis Ergebnisse vorliegen, betont Dekan Jan Buer. Allerdings sei Tempo in die Genehmigung der Studien gekommen. Gleiches berichtet man aus Bochum. „Wir bekommen nun innerhalb von Tagen das Okay von der Ethikkommission“, so Michael Nauck vom Bochumer Klinikum.

In Bochum soll in einer Studie unter anderem herausgefunden werden, wie hoch die Corona-Infektionsrate tatsächlich ist. „Wir wissen aktuell gar nicht, wie viele unserer Notaufnahmepatienten und Mitarbeiter infiziert sind oder bereits Antikörper in sich tragen“, erläutert Nauck. „Deshalb wollen wir über ein halbes Jahr immer wieder stichprobenweise testen.“

Coronaviren können neun Tage auf Oberflächen überleben

Es geht aber nicht nur darum, Antikörper nachzuweisen, sondern auch zu testen, ob diese wirklich fähig sind, einen Immunstatus gegenüber Corona aufzubauen, ergänzt Virologe Prof. Eike Steinmann, der das gemeinsame Covid-19-Forschungsnetzwerk aus Wissenschaftlern der Ruhr-Universität (RUB) und des Klinikums leitet. Natürlich sei Bochum nicht der einzige Forschungsstandort, an dem die Frage der Immunität nach einmaliger Ansteckung erörtert wird. „Aber je mehr Daten wir aus verschiedensten Tests mit Antikörper haben, umso besser werden die Erkenntnisse“, so Steinmann.

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Pionierarbeit habe die Virologie der RUB dagegen auf einem anderen Feld geleistet. Bereits im Februar werteten die Wissenschaftler in Kooperation mit der Universitätsmedizin Greifswald 22 Studien über unterschiedliche Coronaviren und deren Lebensdauer auf Oberflächen aus. Die Auswertungen ergaben dabei unter anderem, dass sich die Viren bei Raumtemperatur bis zu neun Tage lang auf Oberflächen wie Kunststoff halten und infektiös bleiben können. Kalte und hohe Luftfeuchtigkeit könnten die Lebensdauer dabei steigern. Die wirksamsten Mittel dagegen: Desinfektionsmittel auf Basis von Ethanol, Wasserstoffperoxid oder Natriumhypochlorit. Und natürlich: Händewachsen.