Köln/Göttingen. Am Aktionstag gegen Tierversuche werden Forderungen nach Alternativen laut. Ausgerechnet in der Coronakrise? Jetzt erst recht, so Tierrechtler.
Das Ebola-Medikament Remdesivir wird derzeit als aussichtsreichster Wirkstoff gegen das neuartige Coronavirus gehandelt – unter anderem weil in einer neuen aktuellen US-Studie die Lungenschäden von Rhesusaffen durch das Medikament deutlich verringert werden konnten. Zum internationalen Tag zur Abschaffung der Tierversuche (24. April) machen sich Tierschützer für die Botschaft stark, dass derartige Fortschritte im Kampf gegen die Corona-Pandemie auch ohne Tierversuche möglich wären - Experimente mit Affen den Prozess gar verlangsamen könnten.
Auch interessant
„Selbst in dieser Krisensituation wird auf das archaische System Tierversuch gesetzt und werden massenhaft Fördergelder verschwendet, um diese nicht zielführende Forschung zu finanzieren“, kritisiert Tamara Zietek, Wissenschaftskoordinatorin bei „Ärzte gegen Tierversuche“. Tests mit Makaken, Mäusen und anderen Tieren würden keine Übertragbarkeit im Sinne einer zuverlässigen Vorhersagekraft für Menschen gewährleisten, so der Verein.
Menschliches Lungenmodell für die Corona-Forschung
Mit Tierversuchen verliere man deshalb gerade jetzt viel Zeit, da weltweit schnell nach einem Heilmittel für Covid-19-Erkrankte gesucht werde, ergänzt Julia Radzwill, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei „Ärzte gegen Tierversuche“. „Die Suche nach einer ‚passenden‘ Tierspezies nimmt eine Zeit in Anspruch, die man bei der rapiden Ausbreitung des Coronavirus überhaupt nicht hat – was Forscher, die nach altmodischen Methoden arbeiten, nun in Bedrängnis bringt“, so Radzwill gegenüber unserer Redaktion.
Drosten: Tierversuche „limitiert sinnvoll“
Mehr als 80 Prozent der gut zwei Millionen Versuchstiere, die in Deutschland 2018 verwendet wurden, waren Ratten oder Mäuse, wie aus Zahlen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hervorgeht. Bei der Entwicklung eines Mittels gegen das Coronavirus kommen nach Angaben der Initiative „Tierversuche versehen“ vor allem Mäuse zum Einsatz. Aber auch Studien an anderen Tierarten wie zum Beispiel Affen seien dafür unumgänglich.
Auch der Berliner Virologe Christian Drosten hält Versuche mit Makaken wie Rhesusaffen „in sehr, sehr limitierter Art und Weise“ für sinnvoll, weil das Immunsystem dieser Tiere dem des Menschen ähnlicher sei. Versuche mit Menschenaffen sind in Deutschland verboten.
Die Ärzte behaupten: Hätte man in der Vergangenheit mehr in sogenannte In-Vitro-Methoden investiert, bei denen Zellkulturen tierischer und menschlicher Herkunft gezüchtet und für Tests herangezogen werden können, seien nun bessere Testsysteme verfügbar, um wirksame Arzneimittel und Impfstoffe entwickeln zu können. Dreidimensionale menschliche Lungenmodelle seien etwa „ideal geeignet“, um Infektionsforschung zu betrieben, so der Verein. Beispielsweise wurde am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin jüngst ein menschliches Lungenmodell entwickelt, an dem auch Wirkstoffe gegen das Coronavirus untersucht werden können.
Schauspielerin Katrin Heß wirbt für Abschaffung von Tierversuchen
Tierversuche seien gerade in Zeiten der Pandemie nicht wegzudenken, heißt es dagegen von der Initiative „Tierversuche verstehen“, an der Forschungsorganisationen von den Helmholz- und Fraunhofer-Gesellschaften bis zur Leopoldina beteiligt sind „Der Medizin ist es gelungen, erfolgreiche Impfungen zum Beispiel gegen Kinderlähmung, Mumps oder eben die Grippe zu entwickeln. Bei Covid-19 ist aber noch erheblicher medizinischer und wissenschaftlicher Fortschritt nötig“, erklärte der Sprecher der Initiative, Stefan Treue. Dass man hierfür auf „verantwortungsbewusste Tierversuche“ zurückgreifen müsse sei „weltweiter Konsens in Forschung und Gesetzgebung.“ Komplexe Viruserkrankungen werde man nicht alleine mit Computermodellen oder einer Petrischale besiegen können.
Auch interessant
„Ärzte gegen Tierversuche“ wollen am heutigen internationalen Aktionstag vom Gegenteil überzeugen. Wegen des Coronavirus hat der Verein seine Aktivitäten allerdings komplett ins Internet verlagert. Unter anderem soll ein bereits jetzt verfügbarer Kurzfilm auf Youtube mit der aus „Alarm für Cobra 11“ und anderen TV-Serien bekannten Schauspielerin Katrin Heß zeigen, wie die Gesellschaft durch die Abschaffung von Tierversuchen profitieren könnte. mit dpa