Essen. Kosten für Schutzausrüstung, Stundung der Gewerbesteuer. Corona hat massive Folgen für städtische Haushalte. Mancherorts gibt es schon Zahlen.

Viele Bereiche leiden unter den Folgen der Corona-Krise. Hotels und Gaststätten sind geschlossen, Großveranstaltungen vorerst verschoben oder sogar ganz abgesagt. Auch den städtischen Haushalten in NRW drohen massive finanzielle Schäden. Während mancherorts noch nicht abzusehen ist, wie hoch sich die Verluste belaufen, haben einige Städte bereits erste Hochrechnungen angestellt.

In Mülheim rechnet Kämmerer Frank Mendack mit einer zusätzlichen Belastung des Haushalts von 60 bis 70 Millionen Euro. Allein bei der Gewerbesteuer müsse man mit Mindereinnahmen von aktuell 30 Millionen planen, sagt er. Schon vorliegende Anträge zur Stundung der Gewerbesteuer oder zur Reduzierung der Vorauszahlungen würden sich bereits auf die Acht-Millionen-Marke bewegen.

Corona kostet Herne im schlimmsten Fall 80 Millionen Euro

Anträge zur Steuerstundung liegen auch in Herne vor. Die Stadt habe für dieses Jahr mit Einnahmen von etwa 50 Millionen aus der Gewerbesteuer geplant, berichtet Kämmerer Hans Werner Klee. Für den Haushalt bedeutet das: „Im mittleren bis ungünstigsten Szenario wären Ergebnisverschlechterungen von 50 bis 80 Millionen Euro denkbar." Da zudem viele Menschen zurzeit in Kurzarbeit oder arbeitslos sind und daher weniger Einkommenssteuer bezahlen, gebe es auch hier einen Rückgang.

Dortmund rechnet mit Ausfällen durch Steuerstundungen in Höhe von sogar bis zu 180 Millionen Euro. Hinzu kommt der Wegfall von Einnahmen, etwa durch Veranstaltungen. Allein den städtischen Kulturbetrieben, dem Konzerthaus und dem Theater fehlten durch den seit März ausgesetzten Spielbetrieb bis zum Sommer Einnahmen in Höhe von rund vier Millionen Euro, teilte ein Stadtsprecher mit. Die Stadt werde alles daran setzen zu müssen, den Haushalt vernünftig zu bewirtschaften und bei den Ausgaben so zurückhaltend wie irgend möglich zu sein, hieß es.

Das Coronavirus könne Witten bis zu 50 Millionen kosten, gibt Kämmerer Matthias Kleinschmidt einen Einblick in erste Prognosen. Bei der Gewerbesteuer seien Verluste von zehn bis 15 Millionen möglich: „Das hängt sehr davon ab, wie lange der Shutdown dauert, wie dauerhaft Marktpotenziale wegfallen und damit auch die steuerzahlenden Unternehmen." Der Kämmerer hofft nun auf einen Rettungsschirm von Bund und Land für die Kommunen.

Hattinger Haushalt stürzt ins Bodenlose

Das erwartet auch Sonja Bongers, SPD-Fraktionsvorsitzende und Landtagsabgeordnete aus Oberhausen: „Wir brauchen jetzt ein Signal der Landesregierung, dass sie die Kommunen nicht im Stich lässt."

Kämmerer Apostolos Tsalastras legte den Stadtverordneten schon eine erste Einschätzung zu den finanziellen Auswirkungen vor. Demnach belaste die Pandemie den Haushalt für das Jahr 2020 mit mindestens 50 Millionen Euro. Aus diesem Grund erfolgen nur noch Zahlungen, zu denen die Stadt auch verpflichtet ist. Zu diesem Sparprogramm gehört auch freiwillig aufschiebbare Leistungen zurückzustellen. Darüber hinaus sollen bis zum 8. Mai alle Dezernenten in einem Bericht vorlegen, wie sie bereits genehmigte Ausgaben in diesem Jahr verringern können.

In Hattingen sieht die Situation nicht besser aus.  "Der städtische Haushalt 2020 wird ins Bodenlose stürzen. Das ist jetzt schon klar", sagt Kämmerer Frank Mielke.  Einer der Gründe: Die Stadtverwaltung werde in den kommenden Wochen viel Geld für die medizinische Versorgung wie Schutzmaßnahmen oder Desinfektionsmittel ausgeben. Mittel, von denen im Ende des vergangenen Jahres verabschiedeten Haushalts keiner ausgehen konnte.

Duisburg fehlen Einnahmen aus Veranstaltungen

Ähnlich argumentiert man in Bottrop, wo es ebenfalls "noch keine belastbaren Hochrechnungen gibt", wie es vonseiten der Stadt heißt. Es sei nicht klar, welche Steuerausfälle bei den Einnahmen zu verkraften sind und wie sich der Kauf von zusätzlicher Schutzkleidung oder der Einrichtungen von Betreuungszentren auswirken.

Die Stadt Duisburg kalkuliere mit ausbleibenden Erträgen in Bereichen wie beispielsweise Kindertagesstätten, aber auch von abgesagten Veranstaltungen in der Stadtbibliothek oder im Theater. Stadtsprecher Sebastian Hiedels teilte auf Nachfrage mit, dass aufgrund der äußerst dynamischen Lage derzeit noch keine konkrete Aussage über den Umfang der finanziellen Auswirkungen gemacht werden kann, da neben erwarteten Steuereinbrüchen auch Kosten für diverse Schutzmaßnahmen zu Buche schlagen.

Haushaltssperre light in Essen

In Gelsenkirchen fehlen ebenso Einnahmen aus Veranstaltungen, Vermietungen und Verpachtungen. Stadtsprecher Martin Schulmann sagt dazu: "Das Musiktheater und die Zoom-Erlebniswelt kosten jeden Tag Geld, ohne dass Einnahmen fließen." Auch wenn die genauen Auswirkungen aktuell nicht seriös zu prognostizieren seien, werde am Ende sicher ein hoher Millionenbetrag den Haushalt belasten, teilte er mit.

In Essen hingegen existieren Zahlen. "Die städtischen Gesellschaften prognostizieren aktuell Verschlechterungen in Höhe von 25,3 Millionen auf den städtischen Haushalt im Jahr 2020", so Stadtsprecherin Silke Lenz. Im Worstcase-Szenario werde in diesem Jahr eine Ergebnisverschlechterung von 42,1 Millionen prognostiziert.

Übrigens hat Kämmerer Gerhard Grabenkamp am Donnerstag vor Ostern zudem eine "Haushaltssperre light" erlassen, wie er sie selbst bezeichnete. Einsparungen gebe es bei freiwilligen Leistungen, zu denen die Stadt vertraglich nicht verpflichtet sei. Davon betroffen sind zum Beispiel städtische Geldzuschüsse für das Vereinswesen und Gruga oder im Sport- und Kulturbereich.

Bochum will trotz Corona weiter in Schulen investieren

Eine Haushaltsperre ist für die Bochumer Kämmerin Eva Hubbert kein Thema - im Gegenteil: "Die Investitionen beispielsweise in Schulen sollen weitergehen." Mitte Mai stehe die erste Steuerschätzung an. Dies sei eine erste Grundlage, um die Auswirkungen des Virus auf den Haushalt beurteilen zu können. "Momentan kann man das nicht belastbar voraussagen." 

Christoph Gerbersmann, Kämmerer in Hagen, könne noch keine seriösen Prognosen geben. Dennoch ist er sich sicher: "Die derzeit bereits eingehenden Reduzierungen von Vorauszahlungen bei der Gewerbesteuer, die anlaufenden direkten Kosten wie auch die zu erwartenden Steigerungen bei den Sozialleistungen werden in jedem Fall massive Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte haben." Er fordere deshalb eine direkte Unterstützung von Bund und Land für die Kommunen. Mit dieser Forderung steht er in diesen Tagen nicht alleine da.

>>> NRW-Grüne rechnen mit Milliardenverlusten in den Städten

  • Nach Berechnungen der NRW-Grünen können auf die Städte selbst bei moderater Entwicklung der Corona-Pandemie Verluste von 4,5 bis neun Milliarden Euro zukommen. Viele Kommunalpolitiker und Gemeindeverbände fordern nun, dass das Land die Kommunen aufgrund der zu erwartenden Steuerausfälle weiter entlastet.
  • Die drohende Finanzmisere der Revierkommunen hat auch die SPD-Bundestagsfraktion alarmiert. „Wir brauchen dringend einen Schutzschirm für unsere Kommunen“, sagten der Vorsitzende der NRW-Landesgruppe, Achim Post, und der Sprecher der Ruhr-SPD-Abgeordneten, Michael Groß, unserer Redaktion. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) dürfe sich jetzt nicht wegducken, sondern müsse schnelle und umfassende Hilfen für die Kommunen in NRW auf den Weg bringen, betonten die SPD-Politiker. Sie forderten zudem eine nachhaltige Regelung bei den kommunalen Altschulden. Im Ruhrgebiet bündelt sich bundesweit rund ein Drittel dieser städtischen Kassenkredite.