Düsseldorf. Epidemiegesetz, Schulstart, Soforthilfe: Nicht alles lief zuletzt glücklich für die Landesregierung. Aber Armin Laschet gehört zu den Gewinnern.

Knapp acht Wochen nach dem ersten bestätigten Corona-Fall in NRW genießt Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) laut Meinungsumfragen so viel Rückhalt in der Bevölkerung wie noch nie. Zugleich ruft das Krisenmanagement seiner Regierung heftige Kritik und Kopfschütteln hervor. Zeigen sich in der Corona-Zeit alle Stärken und Schwächen dieses Regierungschefs wie unter einem Brennglas? Ein Zwischenzeugnis.

Das sind die Tops

  • Sichtbarkeit: Laschet ist omnipräsent, geht keinem Mikrofon aus dem Weg. Die in der Politik als „Bosbach-Effekt“ bekannte Strategie zahlt sich aus: Wen man immer und überall sieht, nimmt man als Krisenmanager wahr, der sich kümmert.
  • Eigener Kopf: Während sein bayerischer Amtskollege Söder als brutalst möglicher Pandemie-Bekämpfer Traumwerte erreicht, besetzt Laschet die aktuell weniger populäre Gegenposition: Maß und Mitte, Verhältnismäßigkeit bei Grundrechtseingriffen. Meinungspluralität innerhalb der Union ist wichtig. Wenn jede Maßnahme – wie in der Flüchtlingskrise 2015 - als „alternativlos“ hingestellt wird und alle nur noch „Bleib' zuhause“-Regenbogen malen, stellen die richtigen Fragen irgendwann die Falschen von der AfD.

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  • Kontaktverbot: Mit der sanfteren Variante als einer generellen Ausgangsbeschränkung wie in Bayern hat NRW den Bürgern Freiheiten in der Krise erhalten. Sie sind damit verantwortungsvoll umgegangen. Die Infektionszahlen haben sich in NRW im Bundesvergleich positiv entwickelt.
  • Kanzlerflughöhe: Laschet verschafft sich – mit allen Risiken und Nebenwirkungen – als Drängler zu einer „verantwortungsvollen Normalität“ ein neues Profil im Rangeln um die nächste Kanzlerkandidatur. Der bislang so treue „Merkelianer“ stellt sich erstmals gegen die Kanzlerin, die über „Öffnungsdiskussions-Orgien“ schimpft. Applaus von Wirtschaftsverbänden bekommt er neuerdings auch.
  • Krankenhäuser: Die Krise stellt die NRW-Kliniken vor riesige Herausforderungen. Dennoch: Es gibt bisher reichlich freie Intensivbetten (aktuell rund 3000) und Beatmungsplätze (rund 2000) für Covid-19-Patienten.
  • Wirtschaftshilfe: Die NRW-Wirtschaft hat einen Rettungsschirm gefordert und bekam ihn innerhalb weniger Tage. 25 Milliarden Euro ist das riesige Hilfspaket schwer – ein Drittel des regulären Haushalts. Stark!

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  • Notbetreuung: Die Kitas sind zu, aber Eltern, die in Berufen arbeiten, die in der Coronakrise wichtig sind, dürfen ihre Kinder dennoch betreuen lassen. Die Liste der Berufe wurde immer länger, nun dürfen auch besonders gefährdete Kinder in die Betreuung, auch allein erziehende Berufstätige profitieren bald. Das hilft vielen Familien.
  • Expertenrat Corona: Die Landesregierung holt sich die Expertise von zwölf Fachleuten. Der Runde gehören nicht nur Mediziner an, sondern auch der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio, Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft und Monika Kleine, Chefin des Sozialdienstes katholischer Frauen. Eine gute Mischung.

Das sind die Flops

  • Epidemiegesetz: Ein verfassungswidriges „Notstandsgesetz“, das selbst beim Koalitionspartner FDP durchfällt? So etwas darf auch unter dem Druck der Krise nicht passieren. Das zusammengeschusterte Epidemiegesetz, das der Regierung handstreichartig weitreichende Befugnisse zur Krisenbewältigung verschafft hätte, war nicht mit dem Landtag abgestimmt. Nun glaubt, die SPD auch noch, dass das Gesetz fehlerhaft im Gesetzesblatt veröffentlicht worden sei. Zweifel an der Gültigkeit kommen auf. Kein Zeugnis hoher Regierungskunst.

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  • Kommunikation: In der Krise müssen die Botschaften sitzen. Laschet hat an einem Tag seinen „Churchill-Moment“ und redet vom Kampf auf „Leben und Tod“. Am nächsten wird er zum „Exit-Eiferer“. Zwischendurch verheddert er sich in Details seiner eigenen Schulöffnungspläne und bekommt einen Shitstorm in den Sozialen Netzwerken. Die oft hektische Rhetorik und Körpersprache trägt überdies nicht zur Beruhigung bei.
  • Heinsberg-Studie: Die eigentlich sinnvolle Forschung des Teams um den Bonner Virologen Hendrik Streeck am Corona-Hotspot Heinsberg ist in den Verdacht einer politischen Auftragsarbeit für Laschets Öffnungspläne geraten. Auch fragwürdige Verbindungen Streecks zur PR-Firma „Storymachine“ nähren Zweifel an der Seriosität.

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  • Schulöffnungen: Bei der anstehenden Öffnung der Schulen und den Vorbereitungen auf die Prüfungen legt sich die Landesregierung mit allen an: mit Kommunen, Lehrern, Eltern und Schülern. Ist es zu verantworten, Menschen jetzt in Prüfungen zu schicken? Warum müssen Zehntklässler in den Unterricht, Abiturienten zur Prüfungsvorbereitung aber nicht? Und können die Schulträger in der kurzen Zeit für Hygiene und Infektionsschutz sorgen? Chaotischer könnte der Neustart kaum sein.
  • Kita-Öffnung: Bei der Öffnung der Kitas wollte NRW nach vorne stürmen, wurde dann aber von den anderen Ländern und vom Bund gleich wieder eingefangen. Die Kitas bleiben vorerst zu. Der NW-Kurs wirkt nicht souverän.
  • Soforthilfe: Schnell und unbürokratisch sollte die Soforthilfe an Kleinunternehmer und Solo-Selbstständige fließen – bis Kriminelle die Seiten des Hilfsprogramms hackten und begannen, Anträge abzugreifen und das Geld auf eigene Konten umzuleiten. Tagelang ruhte das Angebot, viele Antragsteller wissen bis heute nicht, ob ihre Bitte korrekt angekommen ist. Eine Blamage. Schnelligkeit ging vor Sicherheit.