Düsseldorf. Erneut verlässt ein Abgeordneter die AfD-Landtagsfraktion. Und der Verfassungsschutz beobachtet ab sofort Teile der Partei.

In dieser Woche wurde es für die AfD im Landtag ungemütlich. Im Nachklang der öffentlichen Entrüstung über ein fremdenfeindliches „Malbuch“ verließ am Dienstag mit Nic Peter Vogel erneut ein Landtagsabgeordneter im Streit die Fraktion. Und kurz vor einer Debatte über Rechtsterrorismus erreichte den Landtag am Donnerstag die Nachricht, dass der völkisch-nationalistische „Flügel“ der AfD wegen Rechtsextremismus-Verdachts ab sofort unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht.

Das Türschild des bisherigen AfD-Landtagsabgeordneten Nic Peter Vogel fehlt schon. Der Düsseldorfer, der bis 2017 einen Comic-Buchhandel leitete und zu den Erstmitgliedern der AfD zählt, hat die Fraktion verlassen, nicht aber die Partei. Über seine Motive schwieg Vogel zunächst, ließ dann aber am Donnerstag gegenüber dieser Redaktion doch durchblicken, warum er nicht mehr mit den anderen AfD-Abgeordneten zusammenarbeiten möchte.

Gestörtes Vertrauen

Eine „Gewissensentscheidung“ sei es gewesen, sagt der 52-Jährige und spricht von „inhaltlichen Differenzen“ und einem „Vertrauensverlust zu einzelnen Kollegen“. In der Fraktion ist zu hören, Vogel habe über fehlende Wertschätzung seiner Arbeit geklagt. Die Entfremdung hätte schon vor einigen Monaten begonnen.

Nic Vogel ist seit der Landtagswahl 2017 schon der vierte Abgeordnete, der aus der AfD-Fraktion austritt. Aus einer 16-köpfigen ist eine zwölfköpfige Fraktion geworden. Bei zehn würde der wichtige Fraktionsstatus auf der Kippe stehen. Die inzwischen parteilosen Abgeordneten Marcus Pretzell, Alexander Langguth, Frank Neppe und der AfD’ler Vogel sind von ihren Landtagskollegen abgerückt. Sie alle warnen vor dem völkisch-nationalistischen „Flügel“ um den Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke.

Innenminister Reul: „Der Flügel ist verfassungsfeindlich“

Wie gefährlich dieser „Flügel“ aus seiner Sicht ist, erklärte am Donnerstagnachmittag NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Landtag. Er begrüßte die Beobachtung des als rechtsextrem eingestuften „Flügels“ durch den Verfassungsschutz ausdrücklich. „Der Flügel ist verfassungsfeindlich, und alle, die sich ihm anschließen, sind rechtsextrem“, sagte er. Die NRW-AfD sei allerdings „noch nicht so stark von Extremisten infiziert“ wie die AfD in anderen Bundesländern und im Bund. Die Landespartei habe es hier daher noch selbst in der Hand, das Abdriften in die ganz rechte Ecke zu verhindern. Vor der Beobachtung durch die Nachrichtendienste schütze im Übrigen auch die politische Immunität der Landtagsabgeordneten nicht, warnte Reul.

Zwei AfD-Landtagsabgeordnete – Thomas Röckemann und Christian Blex – werden dem „Flügel“ zugerechnet und müssen wohl künftig damit rechnen, genauer unter die Lupe genommen zu werden. In ihrer Fraktion sind die beiden Rechtsaußen weitgehend isoliert. Im vergangenen Jahr hatten sie einen internen Machtkampf in der NRW-AfD gegen Partei-Funktionäre verloren, die sich selbst „gemäßigt“ nennen.

„Malbuch“-Eklat wirkt bis heute nach

Zum AfD-Landesvorsitzenden und Nachfolger von Röckemann wählten die Delegierten im Oktober in Kalkar den Ex-Bundeswehroffizier und Bundestagsabgeordneten Rüdiger Lucassen (68) aus Euskirchen. Lucassen distanzierte sich damals zwar vom besonders radikalen Auftreten der Ost-AfD, half dann aber ausgerechnet dem „Flügel“-Mann Björn Höcke im Thüringer Wahlkampf.

Höcke und Lucassen hätten überhaupt kein Problem, gemeinsam bei Veranstaltungen aufzutreten, sagte gestern Alexander Langguth aus Iserlohn, der sich schon 2017 als Landtagsabgeordneter aus Fraktion und Partei zurückzog und vor Jahren eine parteiinterne Kampagne „Rote Karte für Höcke“ gefahren hatte. Die Beobachtung des „Flügels“ hält Langguth für „absolut notwendig“. Ohne die Mit-Unterstützung von „Flügel“-Leuten könnten heute auch die „Gemäßigten“ kaum noch Posten in der Partei erreichen.

Der Eklat um das „Malbuch“ mit fremdenfeindlichen Motiven, das die AfD im Landtag erst verbreitet hatte, um sich später davon zu distanzieren, hat den Ruf der Landtagsfraktion nachhaltig beschädigt. Darin wurden unter anderem bewaffnete Menschen unter türkischer Flagge gezeigt, offenbar bei einem Autokorso. Unter dem Banner „Wir baden das aus“ sind in einem Schwimmbad Vollverschleierte und eine Hand mit einem Messer zu sehen. Die Parallelen zu Menschen verachtenden Karikaturen aus der Nazizeit sind offensichtlich.

SPD-Fraktionschef zur AfD: „Sie sind eine Schande für dieses Parlament“

Die Bochumer AfD-Abgeordnete Gabriele Walger-Demolsky bat am Donnerstag im Plenum erneut um Entschuldigung für das Malbuch. Der Fraktionsvorstand habe sich „schuldig“ gemacht, dieses Buch ungeprüft rauszugeben und distanziere sich aufs Schärfste davon. SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty nahm der AfD diese Entschuldigung nicht ab: „Sie sind eine Schande für dieses Parlament.“