Marl. Die NRW-AfD strebt ein zweistelliges Wahl-Ergebnis an. Landeschef Lucassen kritisiert “beschissen überrepräsentierte“ alte Männer in Partei.
2019 war ein Jahr des erbitterten Richtungsstreites in der NRW-AfD. Im Kommunalwahljahr 2020 will die Partei diesen Streit möglichst klein halten, um ihr Ziel zu erreichen: Den Einzug in möglichst alle Kommunalparlamente mit guten Ergebnissen. „Wir wollen bei der Kommunalwahl zweistellig werden“, sagte der AfD-Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen am Rande eines Parteitags in Marl-Sinsen.
Die AfD-Landesspitze wollte den rund 540 Delegierten eigentlich den Entwurf eines Eckpunkteprogramms für die Kommunalwahl vorstellen. Die Basis soll demnach weitgehend selbstständig über ihren Wahlkampf vor Ort entscheiden. Aber fast neun Stunden lang geschah im „Eventzentrum“ in Sinsen nichts Bemerkenswertes. Die Teilnehmer sezierten die Tagesordnung, stellten gefühlt 500 Anträge, wählten praktisch in Zeitlupe Konvents-Delegierte, Rechnungsprüfer, und Kandidaten für ein Schiedsgericht. Bloß nicht über Politik reden, schien das Motto zu sein.
Laut wurde es am Ende dennoch wegen der Entscheidung der Landespartei, die Herner Parteispitze nach einem Streit um die Aufnahme von Mitgliedern abzusetzen. „Dreckige Lüge“ warf der abgesetzte Herner AfD-Chef Armin Wolf einem Redner des Landes-Vorstandes vor. In dem Kreisverband habe es den Versuch einer „feindlichen Übernahme“ gegeben. Sein Protest gegen die Entmachtung lief ins Leere.
"Unsere Stunde wird kommen"
„Unsere Stunde wird kommen“, rief Rüdiger Lucassen in einer kurzen Rede. Der „Abwehrkampf“ anderer Parteien gegen die AfD werde sich verschärfen. Eines der Probleme, denen sich die Landespartei stellen müsse, ist laut Lucassen der hohe Männeranteil von etwa 80 Prozent unter den rund 5600 Mitgliedern in NRW. „Die Männer meiner Generation sind beschissen überrepräsentiert“, sagte der Parteichef und Bundestagsabgeordnete vor Journalisten. Das liege auch an den Schwerpunkten der AfD. „Frauen sind empathischer für Gutmenschentum, die Aufnahme von Menschen, den Tierschutz, aber das sind nicht unsere Themen“, betonte der 68-jährige Ex-Bundeswehroffizier.
In einer so genannten „Marler Erklärung“ sollte sich der Parteitag darauf einigen, künftig auf „machtpolitische Lagerkämpfe“ zu verzichten. Einfach dürfte das allerdings nicht werden. Der Landesvorstand beziffert den Anteil der „Unzufriedenen“ nach den Auseinandersetzungen zwischen völkisch-nationalistischen und sich selbst als „gemäßigt“ bezeichnenden Kräften im vergangenen Jahr auf rund 30 Prozent.
Gegendemo vor dem Eventzentrum in Marl-Sinsen
Gegen die rechtspopulistische Partei demonstrierten in Marl in der Nähe des Veranstaltungsortes rund 500 Menschen. Parteien, Gewerkschaften und Bündnisse gegen Rechts hatten dazu aufgerufen. Werner Arndt (SPD), Bürgermeister von Marl, nannte die AfD eine „Gefahr für die Demokratie“. Vor der AfD warnten auch Landrat Cay Süberkrüb (SPD), die DGB-Landesvorsitzende Anja Weber, NRW-CDU-Generalsekretär Josef Hovenjürgen und der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Groß