Düsseldorf. Die völkischen Nationalisten in der NRW-AfD sehen sich nach den Wahlen im Osten im Aufwind. „Gemäßigte“ wollen den rechten „Flügel“ stoppen.
Der Machtkampf in der NRW-AfD zwischen gemäßigten und völkisch-nationalistischen Kräften geht in die nächste Runde: Am 5. Oktober soll ein Landesparteitag in Kalkar über eine neue Parteiführung entscheiden, wie am Donnerstag bekannt wurde. „Jetzt wissen alle, es geht um die Wurst“, sagte AfD-Landtagsfraktionsvize Helmut Seifen. Er erwartet ein heftiges Ringen um die Macht im größten AfD-Landesverband.
Die alte Parteispitze war Anfang Juli bei einem Parteitag in Warburg im Richtungsstreit zerbrochen. Gleich neun Vorstandsmitglieder, darunter mit Helmut Seifen einer der beiden damaligen AfD-Landesvorsitzenden, warfen hin, das Treffen endete vorzeitig schon am ersten Tag. In teilweise tumultartigen Szenen hatten viele Delegierte zuvor den Landesvorstand aufgefordert, komplett zurückzutreten, um den Weg für einen Neuanfang freizumachen. Dies geschah nicht. Der Parteitag in NRW muss auf jeden Fall bis Anfang Oktober durchgeführt werden. Die Satzung erlaubt keinen Rumpfvorstand über drei Monate hinaus.
Tiefe Gräben zwischen den Lagern, nicht nur in NRW
Der Vorstand besteht seitdem nur noch aus drei Männern, darunter die „Rechtsaußen“ Thomas Röckemann und Christian Blex aus der AfD-Landtagsfraktion. Sie werden dem so genannten „Flügel“ zugerechnet und stehen dem extrem nationalistischen Thüringer AfD-Chef Björn Höcke nahe. Die Gräben zwischen den gegnerischen Lagern sind nicht nur im NRW-Landesverband mit aktuell rund 5300 Mitgliedern tief, sondern auch in anderen westlichen Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg. In Schleswig-Holstein wurde die AfD-Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein gerade vom Bundesvorstand aus der Partei ausgeschlossen, weil ihr eine große Nähe zu Rechtsextremen vorgeworfen wird. Der Landesverband will dennoch an ihr festhalten.
Nach den starken Zugewinnen der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg sehen die „Flügel“-Leute nun ihre Chance, die Partei auch im Westen auf ihren Kurs zu bringen. In Sachsen war die AfD mit 27,5 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CDU geworden. In Brandenburg erreichten die Rechtspopulisten mit 23,5 Prozent ebenfalls Platz zwei, hier hinter der SPD. Bei der Europawahl im Mai lag die AfD in Nordrhein-Westfalen bei 8,5 Prozent. Ob die NRW-AfD nun weiter ins völkisch-nationalistische Lager abdriftet, ist für die ganze Partei interessant. Denn der Landesverband hat etwa so viele Mitglieder wie die AfD in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg zusammen.
Ex-Offizier hat möglicherweise Interesse am Parteivorsitz
Das Lager in der NRW-AfD, das sich selbst als gemäßigt bezeichnet, möchte beim erwarteten Showdown im Freizeitpark „Wunderland“ in Kalkar offenbar erreichen, dass der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen aus Euskirchen künftig den Kurs der NRW-AfD bestimmen kann. Der frühere Bundeswehroffizier wird intern nicht zu den nationalistischen Hardlinern gezählt. „Lucassen hat sich in die Streitigkeiten bisher nicht eingemischt. Er ist sozusagen ein weißes Blatt“, sagte Helmut Seifen. Röckemann und Blex, die in der AfD-Landtagsfraktion weitgehend isoliert sind, dürften dagegen versuchen, die Partei auch in NRW auf einen extremen Rechtskurs zu bringen. Der Ausgang dieses Machtkampfes ist völlig offen.
Es kursieren im Vorfeld des Parteitages Gerüchte, dass der aktuelle Mini-Vorstand um Röckemann in Kalkar gar keine kompletten Vorstandswahlen sondern nur Nachwahlen ermöglichen möchte. Ein Indiz sei, dass der Parteitag nur für einen Tag angesetzt ist. Dann müsste aber spätestens im Dezember wieder eine neue Spitze gewählt werden.